Hart wie das Leben

Nichten und Nüsse

Nach einer arbeitsreichen Woche kann man sich den immer wiederkehrenden Fragen, welche die menschliche so genannte Existenz aufwirft, zuwenden, auch, um sich runter zu holen von den schaurigen Höhen des vergeistigten Rundtanzes Radio.

Nur interessenhalber nachgefragt: Möchte der Hund jetzt endlich auf seinen Platz gehen! Könnte ich dann vielleicht aufhören, im Kreis zu laufen! Würde sich nun bitte alles zu einer adretten und feinen Bonbonniere ordnen, auf dass ich einmal schlafen könnte? Mitnichten, beziehungsweise Nüsse.

Nichts von dem wird jemals geschehen, drum stehst du jeden Tag vor demselben scheitellosen Chaos, keinen f*ing Kamm bei der Hand und keine Schere sowieso. Geht die Axt noch als Schere durch? Nein, ich werde mich natürlich nicht heimdrehen, den Grund verkauft man als Letztes. Vorher das Auto, die Kuh, die Frauen, die Kinder, das Playmobil, die Schneeketten und die Schaumrollen, die Halsketten und die eingelegten, mit Kraut gefüllten Paprika, das Familiensilber und die Raufangkehrer aus Porzellan. Immer schön alles verkaufen. Auf ebay. Eine Woche später wieder zurückkaufen, dreimal so teuer, zwanzig Mal so teuer. Nichten und Nüsse.

Als die Tante, die im selben Haus wohnte wie ich, als ich Kind war, noch Krankenschwester war, ließen die Vertreter der Pharmafirmen neben bunten Pröbchen und tollen Kugelschreibern immer auch eine teure Bonbonniere da, um nicht allein die Ärzte, die so was nicht aßen, sondern auch und vor allem die wahren Entscheidungsträger in so einem Wiener Vorstadtkrankenhaus zu bestechen, die Krankenschwestern - sie entscheiden über Wohl und Weh’ der Patienten, weil sie ein korruptes Völkchen von rachitischen mittleren und jüngsten Töchtern aus dem Dorf, nein, weil sie die Vertreter abbekamen und also die Bonbonnieren.

Damals begann die Laufbahn als Alkoholiker: Es gab da diese mit Weinbrand gefüllten und irgendwie mit Zimt, oder weiß der Teufel was das Geiles war, bestreuten Stängel aus in Wahrheit durchsichtigem Material, das mir später, als dann auch meine Eltern mich zum Alkoholkonsum trieben, in den Rumkugeln wieder begegnen sollte, sie waren mein Leibgericht. Wenn ich heute bei der Tankstelle nächst der Autobahn statt eines Dosenkaffees ein Fläschchen Magenbitter kaufe, ist das der müde Ausläufer jener alkoholischen Initiation, welche meine so genannte Tante, eine Freundin meiner Mutter, mir in den Tagen meiner Kindheit angedeihen hat lassen. Hat angedeihen lassen.

Auf dem Männerklo jenes Lokals, wo ich in (aus heutiger, abgeklärter Sicht gesprochen) zureichendem Maße meine Zeit verbrachte, als ich die Freuden des geselligen Biertrinkens entdeckt und fortan nur noch wenig Interesse an anderen Tätigkeiten hatte, stand mit Lackstift geschrieben: "Kein Schwanz ist so hart wie das Leben!“ Dieses Mantra wirkt bis heute fort, wie ich gestehen muss, es hat mich auf unerklärliche Weise in einen Abgrund geworfen, wo keine Sonne jemals scheint. So ist das.

Seit einer Woche träume ich übrigens unanständig. Ich weiß nicht, wodurch das ausgelöst wurde und warum das jede Nacht sein muss, diese mannigfaltigen Ausschweifungen mit teils mir bekannten Personen, teils mit fremden, aber ertragreichen Basilisken aus Weiblichkeit. Nichts hilft, das ist hart.