Aufstieg und Fall
Truman Capote
Mehr als 13 Jahre schrieb Gerald Clarke an seiner Trumen-Capote-Biografie. Er führte mehrere lange Interviews mit dem Autor und verfolgte seinen Weg vom Dichter-Olymp hinab in die Untiefen menschlicher Verzweiflung und Angst.
8. April 2017, 21:58
Es sollte die größte, beste, glamouröseste Party werden, die Amerika je gesehen hat. Im Gegensatz zu anderen legendären Festen würde aber kein Champagner aus den Hähnen fließen. Nein, diese Veranstaltung sollte ein Vorbild an gutem Geschmack und raffinierte Schlichtheit sein. Gemäß dem Namen "Black and White Ball" durften die Gäste nur in Schwarz und Weiß erscheinen.
Alle, wirklich alle wollten zu diesem Fest. Die, die eine Einladung hatten, belagerten die besten Schneider und Friseure, um so gut wie möglich auszusehen. Und die, die keine hatten, unternahmen alles, um eine zu bekommen. Und die Party hielt, was sie versprach. Die Zeitschrift "Women's Wear Daily" verkündete: "Man darf sagen, dass Truman Capote allmächtig geworden ist."
Zum Ruhm mit "Kaltblütig"
Nicht nur auf dem gesellschaftlichen Parkett war Capote die Nummer eins. Auch auf dem Feld der Literatur hatte er alles erreicht, was sich ein Autor nur erträumen kann. Im Januar 1966 kam nach jahrelanger Arbeit die Buchausgabe seines Romans "Kaltblütig" auf den Markt. Und mit einem Schlag kannte die amerikanische Medienmaschinerie kein anderes Thema mehr als Truman Capote. Mit "Kaltblütig" avancierte Capote zum meistdiskutierten, einflussreichsten und wohl bestverdienenden Autor Amerikas.
In "Kaltblütig" beschreibt Capote den brutalen Mord an der vierköpfigen Farmersfamilie Clutter in Kansas. Er rekonstruiert deren Leben und auch jenes der beiden Täter Perry Edward Smith und Richard Eugene Hickock. Sechs Jahre intensiver Recherche, das Studium unzähliger Gerichts- und Vernehmungsakten, Gespräche mit den Bewohnern, lange Interviews mit den beiden Tätern, das endlose Warten: All das zerrte an Capotes Nerven. Der Roman war so gut wie fertig. Und alle, die Teile daraus zu lesen bekamen, waren sich einig, ein Meisterwerk vor sich haben. Aber Capote konnte den Text nicht beenden, solange das Urteil gegen die beiden Mörder noch ausstand. Einerseits wartet er also sehnlichst darauf, dass das Todesurteil gegen die beiden endlich vollstreckt werden würde. andererseits aber hatte er durch die unzähligen Gespräche eine enge Verbindung zu Perry Smith aufgebaut.
Hätte ich gewusst, wie lange die Arbeit an 'Kaltblütig' dauern und was sie mich kosten würde, ich hätte in Kansas niemals angehalten.
Persona non grata
Truman Capote wurde am 30. September 1924 als Truman Streckfus Persons in New Orleans geboren. Er wuchs in den Südstaaten auf und seine ersten Werke sind stark von der dort vorherrschenden Atmosphäre geprägt. 1948 erschien sein erster Roman "Andere Stimmen, andere Räume", der nicht nur seines Inhaltes wegen Aufsehen erregt. Das Autorenfoto zeigt einen sehr jung wirkenden Capote, der auf einem Canapé lümmelnd verführerisch in die Kamera schmollt. Schneller noch als der Text ging dieses Bild um die Welt und Capote wurde zu einer Schwulenikone.
In den frühen 1970er Jahren schien Truman Capote unverwundbar zu sein. Er war wohlhabend, galt als wichtigster Schriftsteller seiner Generation und verkehrte in den besten Kreise. Und dann beging er einen unverzeihlichen Fehler: Im Juli 1975 veröffentlichte er in der Zeitschrift "Esquire" den Prosatext "La Cote Basque", benannt nach einem schicken New Yorker Restaurant. Der Tisch des Restaurants wird zur Bühne, auf der Capote den Jahrmarkt der Eitelkeiten ablaufen lässt. Eine prominente Figur nach der anderen wird vorgeführt.
"Capote beißt die Hände, die ihn gefüttert haben", lautete eine Schlagzeile. "Nie zuvor hat man ein solches Zähneknirschen, so lautes Rufen nach Rache, solche Schreie von Verrat und Empörung vernommen", erklärte eine Journalistin. Und folgender Ausruf einer der Reichen und Schönen gibt wohl die kollektive Stimmung am besten wieder: "Diese schmierige kleine Kröte kommt nie wieder auf meine Partys".
Menschliche Abgründe
Nicht einmal zehn Jahre, nachdem Truman Capote am Gipfel seines Erfolges stand, wurde er zur persona non grata. Er versank in Depressionen, seine Beziehungen wankten zwischen Hass und völlig überzogener Zuneigung. Schreiben konnte er schon lange nicht mehr. Am 25. August 1984 starb er als medikamenten- und alkoholabhängiges Wrack in Los Angeles.
Mehr als 13 Jahre schrieb Gerald Clarke an seiner Capote-Biografie. Er führte mehrere lange Interviews mit dem Autor und verfolgte seinen Weg vom Dichter-Olymp hinab in die Untiefen menschlicher Verzweiflung und Angst. Clarke konnte Capote gut leiden, doch zeigt er schonungslos die Schwächen und die menschlichen Abgründe des Autors auf. Flüssig geschrieben, perfekt recherchiert kann man diese Biografie kaum aus der Hand legen. Gerald Clarke hat eindrucksvoll die alte Weisheit bestätigt, dass das Leben zumeist die besten Geschichten schreibt.
Hör-Tipps
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr
Ö1 extra, Die literarische Soiree, Samstag, 9. Juni 2007, 22:15 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Buch-Tipp
Gerald Clarke, "Truman Capote. Eine Biografie", aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Stein, Verlag Kein & Aber, 2007, ISBN 978-3036951775