Ein Jahr New York

Lennon ist tot

Alexander Osangs Protagonist ist der 19-jährige Robert, der von seinem Vater für ein Jahr nach New York geschickt wird. Der Vater ist zwar Tausende Kilometer weit weg, aber ständig präsent. Osang zeigt den großen Generationengraben authentisch.

Der Berliner Autor, Journalist und dreifache Egon-Erwin-Kisch-Preisträger Alexander Osang hat mit seinem zweiten Roman "Lennon ist tot" eine Art Hommage an J. D. Salingers "Fänger im Roggen" geschrieben - auch wenn der Titel seines Buches zunächst auf eine andere Ikone der Popkultur hinweist. Der 45-jährige Osang, langjähriger New York-Korrespondent des Nachrichtenmagazins "Spiegel", hat Salingers Roman als Folie genommen und daraus seine eigene Holden-Figur kreiert.

Den ganzen Tag Überwachungsbilder

Robert Fischer ist 19 Jahre alt. Er stammt aus dem beschaulichen Berliner Stadtteil Friedrichshagen und soll ein Jahr lang an einer Universität in Manhattan studieren. Im ungemütlichen New Yorker November ist auch Salingers Figur des Holden Caulfield an der Einsamkeit verzweifelt. Der Berliner Junge Robert Fischer hat Salingers Werke im Gepäck, als er nach New York aufbricht. Auch eine Musikkassette, die ihm sein Vater zusammengestellt hat und die dieser die Chelsea-Hotel-Kassette genannt hat, liegt im Zimmer bei der Gastfamilie herum, mit Rock-Klassikern von Janis Joplin, den Sex Pistols, den Doors oder Velvet Underground. Dass Robert gar kein Kassettenabspielgerät besitzt, sondern seine Lieblingsmusik, wie etwa die Roots, nur aus dem IPod kommt, das hat sein Vater wohl vergessen.

Das Studium interessiert Robert schon nach vier Wochen herzlich wenig. Stattdessen nimmt er einen Job bei einer Detektei an. So sitzt er in einem Kellerraum in Chelsea und schaut sich im Zeitraffer Bilder aus privaten Überwachungskameras an. Robert soll illegale Untermieter aufspüren. Er inspiziert das Leben der anderen, was in Alexander Osangs Buch wie ein unbewusster Schatten der ostdeutschen Stasivergangenheit wirkt.

"Als ich diesen Ort gewählt habe, habe ich nicht die Analogien zum Überwachungsstaat gesehen", sagt Osang. "Ich hatte einen Freund in New York, der diesen Job gemacht hat. Ich fand das unglaublich faszinierend, dass man in einem Raum sitzt und eine andere Zeit und einen anderen Ort gleichzeitig beobachtet - den ganzen Tag lang! Für mich war es mehr die Beobachtung der Stadt New York aus einem Kellerloch heraus als eine Analogie zur DDR."

Lennon auf Fire Island

Über die Umwege der Neugier, der jugendlichen Rastlosigkeit und Getriebenheit landet Robert Fischer auf Fire Island, jener Dünen-Insel im Atlantik, die dem Big Apple vorgelagert ist und im Sommer ein beliebter Ferienort für wohlhabende New Yorker ist, im Winter jedoch, und das ist die Zeit, in der Robert auf der Insel landet, ein ziemlich verlassenes Nest ist. Der deutsche Einwanderer Hans bietet ihm Obdach in einem kleinen Waldhäuschen. In diesem Haus soll für einige Tage auch mal John Lennon übernachtet haben. Der Hausbesitzer hat deswegen nach Lennons Tod eine Art Archiv eingerichtet, von dem sich Robert magisch angezogen fühlt.

Ich glaube, mein Vater hätte sich gefreut, dass ich die Lieder eines toten Sängers hörte. Im Warteraum seiner Praxis in Friedrichshagen hingen zwei Poster, eines von John Lennon und eines von Janis Joplin. Zwei Tote im Vorzimmer eines Herz-Kreislauf-Arztes waren auch nicht so eine gute Idee, aber über so was dachte mein Vater nicht nach.

Väter und Söhne

Alexander Osang, selbst dreifacher Vater, hat für seinen Helden eine Sprache gefunden, die den 19-jährigen Robert zwar manchmal weiser erscheinen lässt, als er vielleicht tatsächlich wäre, die aber die Überlegungen am großen Generationengraben authentisch widerspiegelt. Der Vater ist zwar Tausende Kilometer weit weg im alten Europa, er ist aber ständig präsent in den Zweifeln und Leiden des jungen Robert F.

"Ich glaube, es gibt eine Art Konkurrenz zwischen Vätern und Söhnen. Was es so besonders schwer macht, ist, wenn der Vater versucht jünger zu sein, als er ist. Er steht sich selbst im Weg und der Sohn weiß eigentlich gar nicht, mit wem er es zu tun hat, weil der Vater ein falsches Bild von sich selbst entwirft."

Alle wollten mich von etwas überzeugen, meistens von dem, was sie selber dachten.

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Buch-Tipp
Alexander Osang, "Lennon ist tot", S. Fischer Verlag, ISBN 978-3100576118