Unternehmen in Familienhand

Die Macht der Familie

In manchen Fällen garantiert die Familienstruktur wachsenden Wohlstand, in anderen Fällen führen Zerwürfnisse oder Unfähigkeit in den Abgrund. David Landes beschreibt die wichtigsten Familienunternehmen und ihren Einfluss auf die Weltwirtschaft.

Dem Begriff des Familienunternehmens haftet etwas Altmodisches an. Also passt es schon, könnte man sagen, wenn sich ein Wirtschaftshistoriker mit diesem Thema befasst. Doch wie David Landes darlegt: Familienunternehmen waren und sind nach wie vor das Rückgrat der Wirtschaft. Innerhalb der EU-Länder etwa sind, je nach Land, zwischen 60 und 90 Prozent der Unternehmen in Familienhand.

Aufstieg und Untergang

David Landes präsentiert in seinem Buch Familiendynastien aus drei Wirtschaftbereichen: etwa die Barings, Rothschilds und Morgans aus dem Bankenwesen; die Fords, Agnellis, Peugeots und Toyodas aus der Autoindustrie; die Rockefellers, Guggenheims und Wendels aus dem Rohstoffbereich. Ein wichtiges Auswahlkriterium: Das Familienunternehmen muss seit mindestens drei Generationen existieren. Tatsächlich gibt es einige der erwähnten Dynastien viel länger.

Der Wirtschaftshistoriker David Landes erzählt von Aufstieg und Fortbestand bzw. Untergang der Dynastien im Plauderton. Gesetzmäßigkeiten ergeben sich aus verschiedenen Parallelen, wie etwa dem Verhalten der jeweils jüngeren Generation. "Verschiedene Familien haben verschiedene Erwartungen an ihre Kinder", erklärt Landes. "Die Rothschilds zum Beispiel überdauerten Generationen. Ihre Kinder betrachten es als Verpflichtung, einzuspringen, wenn sie gebraucht werden. Vor kurzem fand sich etwa kein Nachfolger für den Londoner Zweig. Also wandte man sich an den Pariser Erben, ob er nicht nach England kommen wolle. Und der sagte ja."

Die Rothschilds

Die Dynastie der Rothschilds reicht ins 18. Jahrhundert zurück, ins übervölkerte Getto der Stadt Frankfurt. Es war ursprünglich für 200 Menschen gedacht gewesen; tatsächlich hausten dort 3.000. Der Begründer hieß Mayer Amschel Rothschild, Jahrgang 1743. Er kam mit Geldwechselei sowie mit dem Handel von Wolle und Seide zu Reichtum.

Die Familie bewohnte zwei Schlafzimmer, eines für Mayer Amschel und seine Frau Gutle, die ein Kind nach dem anderen produzierten, das andere für die Kinder: Jungen und Mädchen jeden Alters, aufeinander gestapelt. Sie alle wurden, sobald sie alt genug waren, in den Familienbetrieb eingespannt. Mayer brauchte ihre Hände und Köpfe, und zu wem hätte er mehr Ver- und Zutrauen haben können als zu seinem eigenen Fleisch und Blut?

Mitte des 19.Jahrhunderts waren die Rothschilds bereits steinreiche Bankiers.

Die Rockefellers

Ganz anders als die Rothschilds entwickelten sich die Rockefellers in den USA. Sie haben die Aura einer Wirtschaftsdynastie. Doch tatsächlich verdankt der ganze Rockefeller-Klan Reichtum und in der Folge philanthropische oder politische Karrieren einem Mann: dem Patriarchen, John D. Rockefeller. Mit dem Transport von Erdöl, zuerst mit der Bahn und dann in Pipelines, wurde der Begründer von Standard Oil zu einem der reichsten Männer seiner Zeit. Er galt auch als einer der geschäftlich rücksichtlosen. Was er irgendwie verabsäumte: der Nachfolgegeneration das Ölgeschäft beizubringen.

"Die Rockefellers wurden sehr schnell sehr reich", erzählt Landes. "Und dann stellte sich die Frage: Was tun wir mit dem vielen Geld? Sie verlegten sich also auf Stiftungen und Wohltätigkeit."

Die Toyodas

Bei den Japanern herrscht hingegen ein ganz anderer Familienbegriff. David Landes erzählt davon am Beispiel der Toyodas. Die Automarke wurde Toyota genannt, weil es dem Familiennamen ähnlich genug, aber von ihm doch verschieden war.

"In Japan hat die Familie einen so hohen Stellenwert, dass man sogar Leute adoptieren kann, wenn ihr Wert für die Familie so groß ist, dass man sie um keinen Preis verlieren will", erklärt Landes. "Die Toyodas adoptierten einen ihrer erfolgreichsten Manager. Wenn man adoptiert, kann man sicher sein, dass man es mit einem treuen, loyalen Mitarbeiter zu tun hat, der gleichzeitig ein Verwandter ist."

Angesichts dieser erweiterten Familie war es für die Toyodas immer ein Leichtes, ebenso geeignete wie interessierte Nachfolger zu finden.

Bedeutung für Entwicklungsländer

Der Trend zu managergeführten Unternehmen ist zwar nicht zu leugnen, doch David Landes warnt davor, Tendenzen aus den Industrieländern auf den gesamten Erdball anzuwenden:

"Wir reden hier von etwas, das statistisch eine ungeheuer wichtige Rolle im Wirtschaftsleben spielt. Und zwar vor allem in Entwicklungsländern, die industriell nachhinken und aufholen wollen. Mit Managerfirmen haben sie Schwierigkeiten. In solchen Ländern ist das Familienunternehmen von unabdingbarer Bedeutung."

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
David Landes, "Die Macht der Familie", aus dem Englischen übersetzt von Karl Heinz Siber, Siedler Verlag, ISBN 978-3886806768