Was wurde aus der Gleichstellung der Geschlechter?

Desperate Housewives?

Kehrt der Feminismus wieder? Oder ist gar ein neuer Feminismus im Anrollen? Oder ist das Projekt der Gleichstellung der Geschlechter nach wie vor Kampfzone in einer Gesellschaft, in der die Männer immer noch um die Hälfte mehr verdienen als die Frauen?

"Wir brauchen einen neuen Feminismus", erklärte vor zirka einem Jahr ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und forderte mehr ganztägige Betreuungsplätze für Kinder. "Frauen haben nur dann die gleichen Berufschancen, wenn sie am Arbeitsmarkt annähernd gleich verfügbar sind wie Männer", erklärte er.

Die hochqualitative flächendeckende Kinderbetreuung ist sowohl in Frankreich als auch in Skandinavien gang und gäbe. Ab dem ersten Geburtstag heißt es: Ab in die Krabbelstube, Kids! Und ran an die Arbeit, Ladys!

Ein neuer Wohlfahrtsstaat muss her

Kinderbetreuung ist keine parteipolitische Frage. Der dänische Soziologe Gösta Esping-Andersen, der linke europäische Regierungen berät, propagiert einen neuen Wohlfahrtsstaat, weil der alte mit seinem männlichen Ernährermodell der Wirklichkeit nicht mehr gerecht wird. Um eine Familie über Wasser zu halten, sind eineinhalb Einkommen nötig. Arbeitet die Frau, geht es uns allen gut.

Esping-Andersen hat es für Dänemark berechnet, Price Waterhouse Coopers für Großbritannien: Die Kosten der staatlichen Kinderbetreuung können in kurzer Zeit durch höheres Steueraufkommen der arbeitenden Mütter wieder eingespielt werden. Ein Nullsummenspiel für den Staat also.

Gender Budgeting

Mittlerweile ist das Geschlechterthema in der Mitte der Gesellschaft angekommen. "Gender Mainstreaming", der Begriff wurde erstmalig 1995 auf der vierten UN-Weltfrauenkonferenz in Peking geprägt, bezeichnet den Versuch, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen der Gesellschaft durchzusetzen. Als Herzstück des Gender Mainstreaming gilt das "Gender Budgeting", welches öffentliche Budgets in Bezug auf die Auswirkungen der Ausgaben- und Einnahmenpolitik auf Frauen und Männer analysiert.

Gender Budgeting fehlt es aber vielfach an politischem Willen, erklärt die Politologin und Ökonomin Gabriele Michalitsch. Gender Budgeting stößt damit an seine Grenzen. Ohne politischen Willen zur Umsetzung kann das viel kritisierte Konzept nicht einmal auf Wirksamkeit geprüft werden.

Unterschiedlichste Publikationen

Immerhin: Heute traut sich keiner mehr, das "andere Geschlecht" als das minderwertige zu bezeichnen. Es ist längst nachgewiesen, dass Frauen weder schlechter einparken, noch besser putzen können. Und doch werden Bücher wie "Das weibliche Gehirn", publiziert von der Leiterin der "Women's Mood and Hormone Clinic" in San Francisco, Louann Brizendine, zu Bestsellern. Die Neuropsychiaterin erklärt darin, dass es an den Hormonen liegt, dass Frauen weichere Wesen sind, deren Gehirn in der Mutterschaft schrumpft.

Weniger Aufsehen erregte Thea Dorn mit "Die neue F-Klasse", einem Loblied auf Klassefrauen. Die Feuilleton-Redakteurin und Mutter dreier Kinder Iris Radisch plädiert in "Die Schule der Frauen" für ein verändertes Familienmodell. Nicht zuletzt veröffentlicht Alice Schwarzer "Die Antwort" auf neue Frauenverdummung und altes Machotum.

So unterschiedlich die Sichtweisen sein mögen, Übereinstimmung herrscht darüber, dass Männer über mehr Macht verfügen. Ist daher der Schluss nicht naheliegend, dass die Macht männlich ist, fragt Christine Bauer-Jelinek bewusst provokant.

Ernährermodell hat ausgedient

Die Frage nach dem neuen Feminismus ist problematisch: Feminismus ist kein singulär zu gebrauchendes Wort. Feminismus ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Bewegungen und Forderungen der ohnmächtigen Frauen gegenüber den mächtigen Männern.

In den 1970er Jahren stand das familiäre "Ernährermodell" noch auf festem Boden. Heute kommt kaum noch eine Familie mit dem Einkommen des Vaters aus. Dennoch gibt es nach wie vor eine gläserne Decke und ein klares Gefälle: Wie eine deutsche Studie zeigt, verdienen Frauen bei gleicher Ausbildung, gleichem Alter, gleichem Beruf und im gleichen Betrieb immer noch um zwölf Prozent weniger als Männer.

Längst ist nicht mehr jede Frau Opfer. Und nicht mehr jeder Mann Täter. Vielleicht dürfen die neuen Feminismen nicht an den alten Geschlechterstereotypen festhalten. Vielleicht sollten Allianzen mit jenen Männern und Organisationen geschlossen werden, die die Machtverhältnisse ebenso in Frage zu stellen bereit sind.

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 8. März 2008, 17:05 Uhr

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Buch-Tipp
Miriam Pobitzer, "De Bello Phallico", Edition Raetia, 2006, ISBN 978-8872832592

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