Hörspiel vor Premiere
Stecken, Stab und Stangl
Aus Protest gegen den Rechtsruck im Wahlkampf belegte Elfriede Jelinek 1996 Österreich mit einem Aufführungsverbot ihrer Stücke. Die Hörspielfassung von "Stecken, Stab und Stangl" konnte allerdings im Oktober 1996 im ORF gesendet werden.
8. April 2017, 21:58
... Jeden Abend dieser Lärm!...
"Ich gehe in die innere Emigration. Als öffentliche Person ist das Leben hier in Österreich nicht auszuhalten", sagte Elfriede Jelinek im April 1996 in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur. Ihr damals neuestes Theaterstück "Stecken, Stab und Stangl" wurde daher nicht in Wien, sondern im Deutschen Schauspielhaus Hamburg uraufgeführt.
Mit Wut geschrieben
Mit dem Boykott nach dem Vorbild Thomas Bernhards wollte sie gegen die massive Ablehnung ihres Stückes "Raststätte" protestieren. Außerdem sei sie in ihrem Heimatland im Herbst 1995 von kaum jemandem gegen die diffamierende Plakatkampagne der rechtsgerichteten Freiheitlichen ("Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk ... oder Kunst und Kultur?") in Schutz genommen worden.
Eigentlich habe Jelinek wegen der Ablehnung schon nach der Uraufführung von "Raststätte" mit dem Stückeschreiben aufhören wollen, sagte sie. "Doch dann geschah dieser Mord. Da musste Öffentlichkeit geschaffen werden. Das Stück ist ein politisches Stück und wurde mit Wut geschrieben."
Eine Art Epitaph
"Stecken, Stab und Stangl" entstand unter dem Eindruck des Mordes an vier Roma-Männern in Oberwart, die versucht hatten, eine Tafel mit der Aufschrift "Roma zurück nach Indien" zu entfernen. Eine Rohrbombe tötete sie. "Das Stück ist eine Art Epitaph. Ich wollte auf diesen Fememord aufmerksam machen, damit er nicht dem Vergessen anheimfällt. Das Netzwerk der rechten Gruppierungen mit seinem hohen Grad an Konspiration ist in Österreich nicht ungefährlich", erklärte die Autorin.
Ihr Drama sollte auch die "verkommene Art von Öffentlichkeit" in Österreich thematisieren, so Jelinek kurz vor der Uraufführung 1996. "Ich klage darin die extreme Monopolisierung der Presse an. Hier gibt es eine populistisch geprägte Konzentrierung, unterstützt von Parteien des rechten Randes. Dadurch entsteht ein starker populistischer Druck, dem ich mich als Zielscheibe entziehen will."
Globale Vernetzung statt Realität
Der Titel des Dramas spiele auf den Hirtenpsalm Davids an, mit "Stangl" sei Franz Stangl, der Kommandant von Treblinka, gemeint, und "Staberl" heiße einer der Kolumnisten der Wiener Kronen-Zeitung. Der Untertitel, "Eine Handarbeit", solle deutlich machen, dass "sich jeder in Heimarbeit am Bildschirm seine Wirklichkeit schafft".
Auch mit ihrer Art von Sprachmontage wolle sie zeigen, "dass individuelles Handeln schon längst Illusion geworden ist". "Die erste Natur ist von einer zweiten des Bildschirms überlagert. Authentizität gibt es nicht mehr. Selbst in den privatesten Momenten der Liebe haben die Bilder der globalen Vernetzung die Realität ersetzt", so Jelinek.
Jelinek verwebt im Stück Gameshow-Gequassel und Werbesprüche mit der Trivialrede des gesunden Volksempfindens, kontrastiert die perfiden Geschichtsverfälschungen des Kolumnisten "Staberl" mit der Poesie Paul Celans und mischt die Sprache des Nazi-Täters Stangl mit der der Opfer.
Österreichische Erstaufführung unter Tabori
Uraufgeführt wurde "Stecken, Stab und Stangl" im April 1996 am Hamburger Schauspielhaus. Nicht nur das Publikum, auch die Kritiker nahmen Jelineks Abrechnung mit den Rechtstendenzen in Österreich mit Begeisterung auf. Die skandalerprobte Autorin wurde für das Stück in Deutschland zur Dramatikerin des Jahres 1996 gewählt.
1997 beendete Jelinek ihre Österreich-Pause. Im September erlebte "Stecken, Stab und Stangl" im Kasino am Schwarzenbergplatz seine österreichische Erstaufführung. Regie führte George Tabori. Und auch hier in Österreich waren sowohl Publikum wie auch Kritiker begeistert.
Hör-Tipp
Hörspiel-Studio, Dienstag, 3. Juli 2007, 20:31 Uhr
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Elfriede Jelinek