Vom schwierigen Glück, berühmt zu sein
Celebrities
Eigentlich müssten sie glückliche Menschen sein, die Berühmtheiten dieser Welt. Sie können sich jeden Wunsch erfüllen, haben Geld bis zum Abwinken und es mangelt ihnen nicht an Verehrern. Dem ist aber nicht so, behauptet Borwin Bandelow in seinem Buch.
8. April 2017, 21:58
Eigentlich müssten sie glückliche Menschen sein, die Berühmtheiten dieser Welt. Sie können sich jeden Wunsch erfüllen, haben Geld bis zum Abwinken und es mangelt ihnen nicht an Verehrern. Sie haben alles, wonach sich der gewöhnliche Sterbliche sehnt. Aber trotzdem sind sie vom Glück weit entfernt. Ihre Ehen gehen der Reihe nach schief; viele nehmen Drogen und nicht wenige sterben an Heroin- oder Alkoholmissbrauch.
Das ist kein Zufall, meint der deutsche Psychiater Borwin Bandelow, denn die meisten Berühmtheiten haben massive psychische Probleme, und diese bekommen die Musiker, Schauspieler und Sänger nicht deswegen, weil sie im Rampenlicht stehen, sondern sie stehen im Rampenlicht, weil sie psychische Probleme haben.
Geliebt und gehasst
Meistens sind die Stars schwere Narzissten, schreibt Bandelow, und er führt als Beispiel den Schauspieler Klaus Kinski an. Der jobbte als Bub als Kohlenverkäufer, Schuhputzer, Leichenträger und Fischwäscher. Wenn das Geld einmal nicht reichte, knackte er Automaten. Er verprügelte Lehrer und als der Krieg kam, wurde er als Deserteur verhaftet.
Kinski besaß ein überbordendes Ego. Für seine Mitmenschen hatte er nur Verachtung übrig - egal ob sie ihn ablehnten oder förderten. Er kultivierte seinen Wahnsinn; auf der Bühne und im Leben. Er hatte Tausende Affären und wechselte Frauen ebenso häufig wie seine Autos.
Und trotz seiner Eskapaden und Hasstiraden lieben wir Kinski – wahrscheinlich nicht zuletzt, weil er Dinge tat, die wir manchmal auch gerne tun würden, uns aber nicht trauen.
Borderliner und Konsorten
Eine narzisstische Störung konstatiert der Psychiater Bandelow bei vielen Stars. Noch öfters aber erkennt er mittels Ferndiagnose - und durch die Lektüre der Tratschspalten in den Society-Magazinen - die Anzeichen des Borderline-Syndroms. Diese "emotional instabile Persönlichkeitsstörung" führt zu Selbstmordversuchen und Drogenexzessen.
Janis Joplin, Kurt Cobain, Robbie Williams oder Jimi Hendrix: Bandelow konstatiert bei all diesen Stars die innere Zerrissenheit. Und es ist diese Krankheit, die einer Karriere im Showbiz ungemein zuträglich ist, so der Psychiater, einerseits, weil Angst und Geltungssucht Antrieb sind, sich den Strapazen auszusetzen und den Weg nach oben zu gehen, und andererseits, weil die Exzesse dann - wenn man es geschafft hat - für die Boulevardpresse ein gefundenes Fressen sind.
Wahrscheinlich ist das der Grund, warum das Rampenlicht für psychisch derangierte Menschen so erstrebenswert erscheint. Hier können sie alle ihre Komplexe, all ihre Ängste und Sehnsüchte ausleben. Und sie werden für sozial abweichendes Verhalten nicht etwa bestraft, nein sie werden dafür geliebt.
Beziehungsgestört
Bandelow fällt auf, dass viele Stars unfähig sind, stabile Beziehungen zu führen. Drei, viermal verheiratet sein, das gehört in Promi-Kreisen zum guten Ton.
Dies kann natürlich daran liegen, dass sie als attraktive, reiche und berühmte Menschen natürlich viel mehr Gelegenheiten haben, eine Partnerschaft einzugehen. Der unstete Partnerwechsel der Promis kann aber auch ein Ausdruck für die Beziehungsunfähigkeit von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen sein. Daher wundert es nicht, wenn wir in der Zeitung lesen, dass ein begehrenswerter und umschwärmter Star sich über ständige Einsamkeit beklagt.
Elvis Presley, Michael Jackson und Marvin Gaye haben außer musikalischem Weltruhm vor allem eines gemeinsam: eine verkorkste Kindheit. Liest man Bandelows Ausführungen, dann kommt man zum Schluss, dass eine tragische Kindheit Grundvoraussetzung für späteren Ruhm ist. Die Wohlbehüteten, die, die ihre Schulbildung abschließen und versuchen, ihr Leben ohne gröbere Verletzungen zu leben, die können alles werden - nur nicht Celebrities.
Der Karriere förderlich
Natürlich ist es problematisch, Berühmtheiten auf Grund von Zeitungsberichten und Beiträgen aus diversen Fernsehboulevardsendungen eine Persönlichkeitsstörung zu attestieren, und natürlich ist Bandelows Grundthese, dass eben jene Persönlichkeitsstörung für eine künstlerische Karriere förderlich sein kann, ein wenig dünn. "Celebrities" ist trotz allem eine durchaus amüsante Lektüre und lässt den Leser mit der tröstlichen Erkenntnis zurück, dass es vielleicht gar nicht so schlecht ist, nicht berühmt zu sein.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Borwin Bandelow, "Celebrities. Vom schwierigen Glück, berühmt zu sein", Rowohlt Verlag, 2007, ISBN 978-3499622755