Was die Zellen in ihrem Innersten zusammenhält

Molekulare Maschinen

Was eine Zelle zum Leben braucht, ist im Zellkern gespeichert und wird in Proteine übersetzt, die dafür sorgen, dass das Leben funktioniert. Wie genau laufen diese Übersetzungsmechanismen ab?

Die Information, was eine Zelle zum Leben braucht, ist in der DNA, im Zellkern, gespeichert und wird in Proteine übersetzt, die dafür sorgen, dass das Leben auch funktioniert. Wie genau diese Übersetzungsmechanismen von Information zu Funktion ablaufen; wie Zellen Signale von außen aufnehmen und darauf reagieren; wie viele Einzelmechanismen - aufeinander abgestimmt -, dazu führen, dass die innere Uhr eines Lebewesens in regelmäßigem Rhythmus tickt, das sind nur einige der Fragen, die die molekulare Biologie im postgenomischen Zeitalter, im Zeitalter nach der Entzifferung des menschlichen Erbguts interessieren.

Die zellulären Maschinen bis aufs einzelne Atom sichtbar unter die Lupe zu nehmen und gleichzeitig den Blick für das Ganze zu schärfen, das sind zwei der Trends in der modernen Biologie, die in den letzten Jahren deutlich wurden.

Zwei Zugänge

Strukturbiologie und Systembiologie gewähren zunehmend detaillierte Einsichten in fundamentale Lebensprozesse - und machen gleichzeitig deutlich, wie viel noch nicht verstanden wird, und wie weit die Wissenschaft einfache Ursache-Wirkung-Erklärungsmodelle inklusive großer Heilsversprechen für die Medizin hinter sich gelassen hat.

Venki Ramakrishnan vom Medical Resaerch Council in Cambridge gibt ein Beispiel für die Arbeit an der Feinstruktur einer essentiellen molekularen Maschine, dem Ribosom. "Das Ribosom spielt eine fundamentale Rolle in der Biologie, weil dort die genetische Information in Proteine übersetzt wird. Wie das funktioniert, war lange Zeit ein großes Rätsel." In jahrzehntelanger Arbeit wurde Struktur und Funktionsweise der Proteinfabriken erforscht.

Venki Ramakrishnan zeigt eine Computeranimation eines Ribosoms. Was da jetzt bis auf Ebene der einzelnen Atome sichtbar gemacht werden kann, ist die Proteinfabrik der Zelle bei der Arbeit: Ein Ribosom, das über eine Messenger-RNA wandert, die einzelnen Aminosäuren werden hin transportiert, an Ort und Stelle zusammengehängt, und aus einem eigenen Kanal im Ribosom kommt das neu entstandene Protein heraus.

So wird man Zeuge und Zeugin bei einem Prozess, der zur gleichen Zeit und in jedem Moment auch in jeder der Milliarden Zellen des eigenen Körpers tausendfach abläuft.

Da mehr als die Hälfte aller klinisch angewandten Antibiotika im Ribosom wirken, hat die Strukturanalyse auch Bedeutung für die Medizin. "Sobald wir die Struktur der Ribosomen hatten, konnten wir erkennen, wie und wo Antibiotika genau wirken."

Neben dem immer höher auflösenden Blick auf die Struktur einzelner Molekularer Maschinen beschäftigt die Wissenschafter zunehmend auch deren Zusammenwirken.

Innere Uhren
Viele kleine molekulare Maschinen, fein aufeinander abgestimmt, sorgen beispielsweise für unseren Schlaf-Wach-Rhythmus, dafür, dass die Zyklen dieses Rhythmus rund 24 Stunden dauern und gewährleisten, dass wir in der Nacht normalerweise stundenlang ruhen können ohne hungrig zu werden oder auf die Toilette zu müssen - kurz, sie bilden das, was wir unsere Innere Uhr nennen.

Die Hauptuhr des Körpers tickt bei Säugetieren in einer Region des Gehirns, die suprachiasmatischer Nucleus oder SCN heißt. Bei jeder der zehntausenden Gehirnzellen, Neuronen in dieser Regionen, kann man einen ein Rhythmus in der Aktivität mancher Gene beobachten, der vor allem durch Licht und Nahrungsaufnahme beeinflusst wird.

Der SCN ist allerdings bei weitem nicht die einzige Uhr im Körper. Nachdem die Gene, die in den Neuronen den Takt vorgeben, die Uhren-Gene, bekannt waren, haben die Wissenschaftler untersucht, ob diese Gene auch in anderen als Gehirnzellen für Rhythmus sorgen. Und tatsächlich, sie tun es.

Der zentralen Schaltstelle im Gehirn, des SCN, bedarf es aber, damit der Körper insgesamt in Einklang schwingt und seinen Rhythmus mit einer Periodenlänge von etwa 24 Stunden beibehält.

Paradigmenwechsel
Den Organismus als ganzes zu betrachten ist der Ansatz der Systembiologie. Für den ausgebildeten Molekularbiologen Hans Westerhoff von der Free University Amsterdam stellt das derzeit die große Wende in der Biologie dar, er spricht von einem Paradigmenwechsel.

Möglich wird das unter anderem durch den enormen methodologischen Fortschritt in den vergangenen fünf Jahren, der es erlaubt, viel mehr Daten viel schneller nicht nur zu messen, sondern auch zu interpretieren. Dafür müssen Fachleute verschiedener Disziplinen von Mathematik über Physik bis zur Biologie zusammenarbeiten.