Eine schlechte Zeit am Pol

Die schlimmste Reise der Welt

Nach dem Urlaub wird so mancher etwas zu erzählen haben. "Die schlimmste Reise der Welt" hat jedoch ein Brite absolviert: Apsley Cherry-Garrard war bei der Antarktis-Expedition 1910-1913 dabei, einer "erstklassigen Tragödie", wie er es selbst nannte.

"Polarerkundung ist die zugleich sauberste und isolierteste Art, eine schlechte Zeit zu haben, die je ersonnen worden ist." Mit diesem Satz beginnt Apsley Cherry-Garrard seinen Expeditionsbericht. Cherry-Garrard, adeliger Herkunft und klassischer Philologe, muss hart um die Teilnahme an der Expedition kämpfen. Ein beträchtlicher Geldbetrag erleichtert der Expeditionsleitung schließlich die Entscheidung. Es ist die bis dato größte wissenschaftliche Expedition Englands. Er ist 24 Jahre alt und das jüngste Mitglied der Expedition, als diese 1910 in die Antarktis aufbricht. Ohne Zähne und ohne seine zwei besten Freunde, aber lebend wird er drei Jahre später von seiner Fahrt mit der "Terra Nova" zurückkehren.

Drei Pinguin-Eier

Minus 50 Grad Celsius, eisige Winde und Gletscherspalten nimmt der junge Reisende auf sich, um den Zoologen E. A.Wilson zu unterstützen. Der Chef des wissenschaftlichen Expeditionsstabs Wilson will die Kaiserpinguine erforschen. Er braucht die Embryos eines Kaiserpinguins, um die Verwandtschaft zu den Reptilien zu untersuchen. Diese Teilexpedition unter Robert Falcon Scott wird die "Winterreise" genannt. "Eine Winterreise, die fast dreimal so lang wie eine Frühjahrsreise dauerte, war unvorstellbar. Ich rate Forschungsreisenden dazu, sich damit zufrieden zu geben, es sich zukünftig vorzustellen"

Drei Pinguin-Eier landen unbeschadet in England. "Dies ist kein Eier-Laden" ist das erste, was die Forschungsreisenden im Naturkundemuseum zu hören bekommen, als sie die wertvolle Fracht zur weiteren Erforschung abgeben wollen. Großzügigerweise werden sie entgegengenommen und gehen dann beinahe im Museum verloren. Wie man angesichts dieser Geschichte bemerken wird: ausgeprägter britischer Humor macht die Chronik besonders lesenswert.

Der Polarforscher Scott hat die Eroberung des Südpols im Visier. Er wird allerdings erst nach dem Norweger Roald Amundsen dort ankommen. Für den Polarforscher Scott endet die Expedition in die Antarktis tödlich. Der letzte Eintrag in sein Tagebuch: "Um Gottes willen, kümmert Euch um unsere Leute."

Wir begannen auf dieser Reise schon, den Tod als Freund zu betrachten. Als wir uns durch diese Nacht tasteten, schlaflos, verfroren und hundemüde in Dunkelheit, Wind und Drift, schien eine Erdspalte fast ein freundliches Angebot. (Zitat)

G. B. Shaw als Ratgeber

Der Autor holte sich nicht literarischen Rat bei einem großen Schriftsteller, bei George Bernhard Shaw. Er entwickelt auch eine spannende Dramaturgie, indem er aus den Tagebüchern der anderen Expeditionsteilnehmer zitiert und das Geschehen so aus mehreren Perspektiven gleichzeitig schildert. Das Buch gibt einen umfassenden Einblick in die Forschungsarbeit und insgesamt in die Geschichte der Polarforschung.

Der Autor meint lapidar: "Während wir besser als irgendjemand sonst wussten, was wir erlitten und riskiert hatten, wussten wir auch, dass Wissenschaft solche Dinge nicht in Rechnung stellt; dass ein Mann nicht besser ist, weil er die scheußlichste Reise der Welt gemacht hat; und ob er lebendig zurückkehrt oder verloren geht, wird hundert Jahre danach vollkommen gleichgültig sein, wenn denn seine Aufzeichnungen und Muster sicher überliefert werden können."

Buch-Tipp
Apsley Cherry-Garrard, "Die schlimmste Reise der Welt", Semele Verlag, ISBN 3938869046