Paula Fox' autobiografische Erfahrungen
Der Gott der Alpträume
Paula Fox' neuer Roman erschien im Original bereits 1990 und ist wie fast alle Bücher von Paula Fox von autobiografischen Erfahrungen durchdrungen. Es geht um ein Mädchen, das in New Orleans die Liebe, den Sex, Freundschaften und Hass kennen lernt.
8. April 2017, 21:58
Die längste Zeit lebte die heute 84-jährige Paula Fox von der Öffentlichkeit so gut wie unbemerkt. Zwar veröffentlichte sie zahlreiche Kinderbücher und wurde 1978 mit dem renommierten Hans-Christian-Andersen-Preis ausgezeichnet, ihre Romane aber fanden nur wenige Leser. Das änderte sich, als Jonathan Franzen zu Mitte der 1990er Jahre den 1971 erschienenen und längst vergriffenen Text "Was am Ende bleibt" als Klassiker der Moderne lobte.
Reise in die Erwachsenenwelt
Der vorliegende Roman "Der Gott der Alpträume" erschien im Original bereits 1990 und ist wie fast alle Bücher von Paula Fox von autobiografischen Erfahrungen durchdrungen. Im Jahre 1941 verlässt die Ich-Erzählerin Helen zum ersten Mal ihren kleinen Heimatort im Staate New York und zieht nach New Orleans. Sie soll dort die Schwester ihrer Mutter aufsuchen und diese bitten, der Mutter Beistand zu leisten, ist doch deren Mann gerade eben verstorben. Aber Tante Lulu, dieses fette, kaum mehr bewegungsfähige alkoholkranke Wrack, denkt überhaupt nicht daran, aus New Orleans fortzugehen.
Helen ist 23 Jahre alt und sie ist wohl eine offensten und verletzlichsten Heldinnen, die Paula Fox bis dato beschrieben hat. Für sie ist die Reise nach New Orleans eine Reise in die Erwachsenenwelt. Sie trifft Homosexuelle, Dichter, Ehebrecher, Gauner und verbringt ihre Nächte mit den örtlichen Bohemiens. Mit großen Augen betrachtet sie das menschliche Wirr-Warr und erst nach und nach wird ihr bewusst, welche Rolle sie selbst darin spielt.
Ein Hauch von Versöhnung
New Orleans spielt nicht nur im Roman eine zentrale Rolle; diese Stadt war auch für die Autorin ein wichtiger Ort. Nach neun verschiedenen Schulen und ohne High-School-Abschluss entschied sich Paula Fox mit 17 Jahren, von nun an auf eigenen Beinen stehen zu wollen. Sie schlug sich nach Kalifornien durch, und verdiente ihr Geld als Verkäuferin, Model, Tanzlehrerin und Reporterin, bis sie schlussendlich nach New Orleans weiterzog. Hier machte sie zum ersten Mal mit einem Paar Bekanntschaft, dessen Beziehung wirklich funktionierte. Das zu sehen, habe ihr Leben grundlegend verändert, sagte Paula Fox in einem Interview.
Vielleicht ist die emotionale Nähe, die Paula Fox für New Orleans empfindet, mit ein Grund, warum "Der Gott der Alpträume" eines ihres mildesten Bücher ist. Natürlich geht es auch in diesem Roman um Verstellung, Betrug und Verrat, aber trotzdem durchzieht das Buch ein Hauch von Versöhnung und Vergebung. Auch die erschreckenden politischen Umstände sind eher Begleitmusik, ein weit entferntes Rauschen. Die omnipräsente Rassentrennung, die Angst vor dem Eingezogen-Werden in den Zweiten Weltkrieg, all das wird von Paula Fox immer wieder geschickt in den Text eingeflochten, ohne ihn jedoch zu dominieren. Geschichten von Gräueltaten der Nazis schwappen über den Ozean herüber, aber was kümmert ein junges Mädchen die große Politik, wenn sie gerade dabei ist, sich zu verlieben.
Um ein paar Illusionen ärmer
"Der Gott der Alpträume" ist eine typische Geschichte über das Erwachsen-Werden. Helen geht als Mädchen nach New Orleans und lernt in der Stadt die Liebe, den Sex, Freundschaften, den Rassenhass, den Hass auf Schwule und die Bigotterie der Menschen kennen. Sie verlässt den Ort als eine andere: als eine jungverheiratete und um ein paar Illusionen ärmer seiende Frau.
Paula Fox lässt dem 250 Seiten starken ersten Teil einen nicht einmal dreißig Seiten schmalen zweiten folgen. Dieser spielt knapp ein Vierteljahrhundert später. Zufällig trifft Helen ihre ehemalige Freundin auf der Straße und sie erfährt Dinge, die die Ereignisse in New Orleans in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen. Paula Fox braucht nur wenige Seiten, um dem Roman eine andere Nuance zu geben.
Es sind diese klug konstruierten Pointen, diese kleinen, unvorhersehbaren Wendungen, die das Können der Autorin beweisen. Alles ist in Schwebe. Hinter der vermeintlichen Sicherheit lauert immer die Gefahr. Wie kaum eine andere vermag Paula Fox diese Verschiebungen zu beschreiben. Mit "Der Gott der Alpträume" hat die Autorin erneut ihr Können unter Beweis gestellt.
"Das Buch der Woche" ist eine Aktion von Ö1 und Die Presse.
Hör-Tipps
Kulturjournal, Freitag, 3. August 2007, 16:30 Uhr
Ex libris, Sonntag, 5. August 2007, 18:15 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Buch-Tipp
Paula Fox, "Der Gott der Alpträume", C. H. Beck Verlag, 2007, ISBN 978-3406556142