Die Liebe in der Renaissance

Das Bildnis der Geliebten

Ingeborg Walters und Roberto Zapperis Buch "Das Bildnis der Geliebten" ist ein äußerst gelungener Beitrag für eine Rückschau in Renaissanceverhältnisse. Den Anfang macht Petrarca, der seiner angebeteten Laura ein dichterisches Denkmal setzte.

Was wäre die Renaissance ohne den Dichterfürsten Petrarca, der in seinem "Canzoniere", einem Zyklus von 366 Gedichten, der ewiglichen Liebe zu seiner Herzensdame Laura, zu seiner "madonna angelicata" lyrischen Ausdruck verlieh? Im Alter von 45 Jahren schrieb Petrarca an seinen Bruder Gherardo, der bereits der irdischen Welt Lebewohl gesagt hatte und Mönch bei den Kartäusern geworden war, folgende Zeilen:

Was haben unsere leeren, eitlen Liedchen voll des schändlichen und falschen Frauenlobs und unverhehlter, schamloser Wollust mit Gotteslob zu tun?

Strahlende Schönheit

Als Petrarca gemeinsam mit seinem Bruder 1336 den Gipfel des Mont Ventoux in der Provence bestieg, tat sich ihm ein anderes, völlig neues Welt-Bild auf. Er blickte von ganz oben auf die Welt hinab und war überwältigt von ihrer Schönheit. Dieser Blick hatte Folgen, denn nicht nur die Natur ist schön, sondern auch die Städte, die die Menschen erbaut haben. Und letztlich erstrahlt auch der Mensch in seiner Schönheit. Laura, Petrarcas besungene Geliebte, ist der Inbegriff dieser Schönheit, obwohl sie in der vom Dichter geschilderten Weise wohl gar nicht existiert hat. So soll sie an einem Karfreitag und in jungen Jahren verstorben sein.

Es kommt noch besser: Petrarca will seine Herzensdame ebenfalls an einem am Karfreitag beim morgendlichen Kirchgang in Avignon zum ersten Mal gesehen haben und dabei sofort in Liebe zu ihr entbrannt sein. So etwas wäre einem Ritter und Minnesänger nicht im Traum eingefallen! Ausgerechnet am Sterbetag Christi wendet sich Petrarca der irdischen Schönheit zu. Das kann kein Zufall sein. Hier triumphiert für einen Moment die irdische Schönheit über das Leid des Todes und sogar über die Auferstehung. Lauras Schönheit und Grazie macht den Stachel des Todes vergessen, doch ein anderer Stachel lässt sich aus dieser Liebeskonzeption nur schwer entfernen: Es ist die "Libido", die Wollust.

Liebe ohne Erfüllung
Ingeborg Walter und Roberto Zapperi wählen in ihrem Buch "Das Bildnis der Geliebten" ganz bewusst Petrarca und seine Laura zum Ausgangspunkt für ihre "Geschichten der Liebe", wie sie es nennen. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob diese irdische, stets lodernde Flamme der Liebe mit der Gottesfürchtigkeit eines Christenmenschen vereinbar sei oder nicht. Es geht genauso um die Art und Weise wie Petrarca seine Liebe der Öffentlichkeit vorführte: Er besingt seine Geliebte in kunstvollen Versen, doch zudem lässt er ein Porträt von ihr anfertigen, das er immer in seiner Nähe hat. Die Kunst wird so zum realen Erinnerungsort einer Liebe, die zwar keine Erfüllung findet, aber doch danach strebt.

Der Libido ihr Recht

Nach der Manier Petrarcas feierten nun viele hohe Herren der italienischen Renaissance ihre Damen, wobei neben Dichtung und Malerei noch groß angelegte Feste zu Ehren der Geliebten abgehalten wurden. Dass diese Liebe nur selten, wenn überhaupt, ganz geheim ihre Erfüllung fand, gehört eben zu der Vorgabe Petrarcas.

Erst Ludovico Sforza, Herzog von Bari, machte damit Schluss und gönnte der Libido ihren sichtbaren Triumph. Seine junge, schöne und zugleich gebildete Geliebte Cecilia Gallerani war bei jeder offiziellen Veranstaltung an seiner Seite, sie wohnte bei ihm im Schloss - auch dann noch, als sie von Ludovico Sforza schwanger wurde. Kein geringerer als Leonardo da Vinci schuf das Portrait der Cecilia Gallerani. Das Bildnis sagt eines ganz offen: Wenn die Natur eine solche Schönheit hervorbringt, dann kann man auch von der Natur des Mannes nicht verlangen, dass seine Liebe eine rein platonische bleibt. Petrarca hätte dieses Argument wenig gefallen.

Kunst-volles Liebesleben

Ab nun nahm man sich Ludovico Sforza als Vorbild; neben dem kunstvoll ausgestalteten Liebeswerben nahm die sexuelle Erfüllung ihren festen Platz ein. Und trotzdem sind wir bei all dem Lichtjahre von One-Night-Stands, Swinger-Clubs und Internet-Pornografie entfernt. Die freie Liebe in der Renaissance ist ohne die Aura der Kunst nicht zu denken und zu praktizieren. Das ist etwas, das verloren gegangen ist, wie auch die Autoren Walter und Zapperi festhalten.

Das Buch "Das Bildnis der Geliebten" ist nicht nur ein äußerst gelungener Beitrag für eine Rückschau in Renaissanceverhältnisse, sondern es könnte so manchem Leser auch Hinweise liefern, sein eigenes Liebesleben etwas kunstvoller zu gestalten.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Ingeborg Walter und Roberto Zapperi, "Das Bildnis der Geliebten. Geschichten der Liebe von Petrarca bis Tizian", Verlag C. H. Beck, ISBN 978-3406555022