Ein Auge für Musik
Torpedo Twin goes Classic
Hannes Rossacher hat mit Rudi Dolezal die österreichische Pop-Geschichte verfilmt und mit internationalen Pop-Größen gearbeitet. In letzter Zeit interessiert er sich auch zunehmend für Klassik und Theater. Dort sei Rock heute viel eher zu Hause, sagt Rossacher.
8. April 2017, 21:58
Hannes Rossacher ist die eine Hälfte der so genannten Torpedo Twins, des Produktionsduos Rossacher und Dolezal. Mit ihrer Firma Doro haben die beiden die Popgeschichte Österreichs verfilmt, bei wesentlichen gesellschaftspolitischen Ereignissen waren sie dabei - wie bei den Konzerten der Friedensbewegung 1982. Sie haben sich einen Namen mit Porträts über Freddy Mercury und anderen internationalen Popgrößen gemacht, jetzt entdecken sie immer mehr ihre Liebe zur klassischen Musik, zur Oper, zum Oeuvre des 20. Jahrhunderts.
Die Grenzen des Pop
Irene Suchy: Hannes Rossacher, was nehmen sie mit an Techniken aus ihren filmischen Poperfahrungen und tragen es in die Klassik Welt hinein?
Hannes Rossacher: Die Popmusik hat schon ein paar Jahre früher begonnen, die visuellen Möglichkeiten, wie man Musik abbilden kann, für den Fernsehschirm auszureizen. Das Medium Musikvideo ist etwas, das immer wieder Innovation braucht, und demgegenüber war die Art, wie Oper und Theater verfilmt wurde sehr konservativ, sehr herkömmlich, sehr vorsichtig. Man hat mit wenigen Kameras aus einer sicheren Distanz auf den Guckkasten geblickt - das ist eine legitime Abbildungsform, im Wesentlichen sieht man, was passiert. Es haben sich aber die Sehgewohnheiten sehr verändert in den letzten 20, 30 Jahren. Das betrifft auch Nachrichtensendungen und jede Art von Programm in der Schnelligkeit, in der Aufbereitung oder wie viel Bildmaterial da auf einen zukommt.
So sind in den letzten Jahren Leute auf mich zugekommen - wie der Programmdirektor des Saarländischen Rundfunks, die sich gewünscht haben: Lass uns doch mal das Orchester anders aufbereiten, neue Bildperspektiven; können wir nicht auch Bildprojektionen hinter dem Orchester machen.
Was ja Alban Berg sich schon für Lulu wünschte - jeweils ein Film mit der jeweiligen Hauptdarstellerin als integrierter Bestandteil der Oper.
Absolut - es ist selbstverständlich nicht so: das eine ist ein eingeschlafenes Genre und das andere nicht. Es geht eher um die Abbildungsart. Ich fühle mich sehr wohl, sowohl wenn ich Theater umsetze oder klassische Musik, weil es eine hohe Ähnlichkeit mit meiner Arbeit im Pop hat. Es ist so, dass es das Konzert schon gibt, es gibt eine Darbietung auf einer Bühne und die gilt es zu visualieren. Sei es im Burgtheater "Viel Lärm um nichts" oder "King Arthur" in der Inszenierung Jürgen Flimms, die ja sehr toll und opluent war, sei es ein Song von vier Minuten oder ein ganzes Konzert - es gilt die Darbietung auf der Bühne zu visualisieren. Es ist zum Teil so, dass im Theater für mich mehr Rock and Roll drinnen ist, als in der Popmusik. Die heutige Popmusik ist durch Casting Shows schon so geglättet - das Theater, hab ich den Eindruck, geht viel radikaler heran, mit mehr Risiko, mit einer wesentlich höheren Leistung und einem höheren persönlichen Einsatz. Das hat mich vor 40 Jahren an der Pop- und Rock-Musik interessiert, wie weit die Leute an ihre Grenze gehen. Jetzt sind zum Teil die Grenzen abgesteckt.
Die Trennung in E und U möchte ich gar nicht betonen. Sie haben ja schon sehr früh - wie 1982 für die Friedensbewegung - Events mit Musik von Zykan bis Belafonte, von Wecker bis Danzer filmisch gebannt. Wie weit greifen Sie bei Ihrer filmischen Arbeit ein - haben Sie auch auf Kleidung oder Mimik und Gestik Einfluss? Gerade in Klassik, Gestik, Habitus, Gesichtsausdruck unterscheiden sich Künstler und Künstlerinnen in Klassik und Pop.
Wobei der größte Meister der Selbstinszenierung ja doch der Herr Karajan war. Justus Frantz hat mir erzählt, wie gnadenlos Karajan die Kameras aufs Orchester richten ließ, und dann wurden die Kameras weggeräumt, und er hat noch einmal Playback für die Kameras dirigiert. Er hat sich ungeheuer dafür interessiert, wie er dramtische wirkt; er hat die Streicher nach einer Schnur ausrichten lasse wie Soldaten. Der hat unsere Arbeit zur Perfektion gebracht.
Haben Sie je Kleidungswünsche geäußert?
Bisher war es der Wunsch der auftraggebenden Sender, sei es Arte oder ARD - dass da nicht zwingend daran gerüttelt wird. Ich glaube, wo das Ganze ausbaufähig ist, wo noch weiter experimentiert werden kann, sind neue technische Möglichkeiten. Es kommen viele neue, kleine Kameras auf den Markt; man kann sie im Orchester auf engstem Raum verteilt, mit kleinen ferngesteuerten Schwenkköpfen, die ohne Geräusche zu verursachen, bewegt werden können und dadurch kann ich noch stärker im Orchester sein und die jeweiligen Instrumente filmen. Es schaut halt nicht immer fotogen aus, wenn Oboenspieler spielen.
Dann kriegen sie einen roten Kopf.
Aber, dass man im richtigen Moment an der richtigen Stelle ist, aus filmischer interessanter Perspektive, zum Beispiel von oben, das ist, was man dazu beitragen kann, aber immer in der Intention, dass da ein Fluss da ist: Meine filmische Abbildung muss etwas zu tun habenn mit dem was auf der Audio Ebene passiert, damit man in einen Groove kommt.
Hannes Rossacher ist Studiogast in Apropos Musik.
Hör-Tipp
Apropos Musik, Sonntag, 2. September 2007, 15:05 Uhr
Links
IMDb - Hannes Rossacher
RuhrTriennale - Die Soldaten