Künstlermonografien in der "Musikgalerie"

Musikalische Vernissage

In der Musikgalerie soll nun der Titel beim Wort genommen werden. Im September werden zwar nicht die "Bilder einer Ausstellung" für eine musikalische Vernissage akustisch präsentiert, aber vier extrem kontrastierende Persönlichkeiten porträtiert.

Edvard Grieg führt uns akustisch in das Land der Fjorde und der Mitternachtssonne, obwohl jeder, der einmal Griegs herrlich gelegenes Wohnhaus besucht hat, weiß, dass dieser - doch recht südliche Teil von Norwegen - nur wenig kürzere Nächte aufzuweisen hat, als Norddeutschland. Aber dennoch wird niemand die Stimmung dieser zerklüfteten Küste vergessen, die zwar noch weit vom nächsten Fjord entfernt ist, aber schon durch den optischen Eindruck an die individuelle Harmonik der Tonsprache des populärsten norwegischen Komponisten (sein 100. Todestag ist am 4. September) denken lässt.

Die Melodie, mit der er Ibsens "Halle des Bergkönigs" akustisch etikettiert hat, gehört heute zu den beliebtesten Handy-tunes, zumindest bei jenen, die nicht wissen, dass sie in einem legendären Fritz-Lang-Film aus dem Mund eines Mädchenmörders kommt und sich in der chorischen Variante der Peer-Gynt-Schauspielmusik zu den ekstatischen Ausrufen: "Schlachtet ihn, schlachtet ihn" steigert.

Richard Löwenherz

Am 8. September ist der 850. Geburtstag des englischen Königs Richard I. - ein passender Anlass für eine Sendung mit dem Titel "Richard Löwenherz und die Kreuzzüge". Richard war vor allem ein glorreicher Krieger, aber ein unglücklicher Herrscher, der mehr in der Fremde gekämpft, als in England regiert hat. Seine Biografie liefert jede Menge Stoff für Opern, Romane und Hollywoodfilme. Wenn er auch das Heilige Land nicht endgültig erobern konnte, so hatte er doch eine Serie von Siegen zu verzeichnen: etwa gegen Sultan Saladin, seinen Bruder Johann Ohneland oder gegen den französischen König Philipp II. Nur in Österreich geriet er in eine folgenschwere Gefangenschaft, die Herzog Leopold so viel Lösegeld einbrachte, dass er damit Wiener Neustadt gründen und die Wiener Stadtbefestigungen ausbauen konnte.

Georg Friedrich Händel hat eine Löwenherz-Oper geschrieben, in Sir Walter Scotts Roman "Ivanhoe" spielt er eine dominierende Rolle. Schubert komponierte ein Blondel-Lied und Beethoven Variationen über ein ebensolches von Gretry. Seine eindrucksvollen Auftritte in "Robin Hood" und anderen Kostümfilmen haben Komponisten wie Miklós Rósza und Erich Wolfgang Korngold musikalisch untermalt, und Anthony Hopkins, George Sanders und Sean Connery waren die prominentesten Namen, die für die Rolle des "Löwenherz" in den Casting-Büros Hollywoods aufzutreiben gewesen sind

Nicht alles Walzer

Unter diesem Motto steht der Versuch einer kulturgeschichtlichen Bilanz der Auswirkungen, oder sagen wir besser der interkontinentalen Verbreitung des musikalischen Oeuvres, das die bedeutendste schöpferische Dynastie der österreichischen Musikgeschichte uns hinterlassen hat. Das läuft auch auf einen Vergleich hinaus: auf die unterschiedliche Bedeutung der Strauß-Dynastie als Wirtschaftsfaktor - einst und jetzt.

Mit seiner Kapelle tourte schon Johann Strauß Vater quer durch Europa. Nicht nur die tanzwütigen Wiener, auch Hector Berlioz und Richard Wagner waren von ihm begeistert. Die Söhne jenes "Schöpfers des synkopierten Walzers" (Berlioz), Johann, Josef und Eduard dehnten ihre Gastspiele in der nächsten Generation bis nach Russland und Amerika aus. Und bald fand Johann Strauß Sohn in der Operette jene Kunstform, in der er sogar den bisherigen Marktführer Jacques Offenbach weit übertreffen konnte.

Das wahre Potenzial dieses musikalischen Erbes als kultureller Exportartikel Österreichs zeigte sich aber erst posthum im Medienzeitalter der jüngsten Jahrhundertwende.

Glenn Glould

Mit einem Porträt von Glenn Gould, dessen exzentrische Persönlichkeit jeder Kategorisierung spottet, schließt das Septemberprogramm der Musikgalerie ab. Der denkbar eigenwilligste Nachruf auf einen Pianisten erschien schon im Jahr nach Goulds Tod, ein Roman: "Der Untergeher" von Thomas Bernhard.

War er nun der Liszt des 20. Jahrhunderts, wie ihn manche bezeichneten, oder nur der übermächtige Konkurrent von Bernhards Kunstfigur Wertheimer, der Anlass von dessen Selbstmord? Oder war Gould nur der Begründer eines neuen Bach-Bildes, das dem der Originalklang-Fetischisten ebenso entgegengesetzt ist, wie den romantischen Orchesterbearbeitungen des Organisten Stokowski? Auf jeden Fall ist Glenn Gould inzwischen zum Mythos geworden, dessen Nachruhm eine Eigendynamik wie der der Callas entwickelt hat

Hör-Tipp
Musikgalerie, jeweils montags, 10:05 Uhr

Edvard Grieg, 3. September 2007
Richard I., 10. September 2007
Johann Strauß, 17. September 2007
Glenn Gould, 24. September 2007