Das Kammermusik-Festival Spannungen
Musik im Kraftwerk
Seit knapp zehn Jahren findet im deutschen Heimbach in einem stillgelegten Wasserkraftwerk das Kammermusik-Festival Spannungen statt. Jetzt ist eine 14-teilige CD-Edition entstanden, die bekannte Musiker wie Christian Teztlaff präsentiert.
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt aus Schuberts C-Dur-Quintett
Der Pianist Lars Vogt hat ein Faible für eher ungewohnte Konzertorte. Er findet Kontraste interessant, in den Programmierungen und bei der Auswahl außergewöhnlicher Umgebungen. Er spielt Chopin, Brahms oder Musik seiner Frau, der Komponistin Tatjana Komarova in einem Autohaus oder in dem seit dem Jahr 1999 stillgelegten Wasserkraftwerk Heimbach.
Die Kontraste unterstützten das Gefühl, dass hier ist kein Museumsbetrieb, sondern etwas Kraftvolles, Lebendiges am Werk ist.
Kraftquelle des Jugendstils
Wie muss man sich diesen Ort vorstellen, in dem Lars Vogt heuer zum zehnten Mal Freunde eingeladen hat zu einer Woche konzentrierter Auseinandersetzung mit Kammermusik? "Der helle Bau mit dem gewölbten Dach erhebt sich seit mehr als einem Jahrhundert. Reiner Jugendstil. Zwei Türme flankieren im Hintergrund. Die Front, dem Wasser zugewandt, zeigt ein stilisiertes Turbinenrad samt Schleuderblitzen: halb Logo, halb heidnisches Sonnensymbol. Leicht wirkt die Halle. Sehr gegenwärtig". So beschreibt Norbert Ely den Ort, in dem seit 1998 die Turbinen ruhen, und Platz gemacht haben für die Musik.
Der Heimbacher Geist
Musiker und Publikum sind einander vertraut in Heimbach. An vielen Proben und Erarbeitungsprozessen dürfen die Besucherinnen und Besucher teilhaben, Anteil nehmen an einer sehr intensiven, persönlichen Auseinandersetzung des Freundeskreises um Lars Vogt. Die Proben finden auf Burg Heimbach statt, dem Stammsitz der Herzöge von Jülich, Berg und Kleve, die auf einem dunklen Fels mitten im Städtchen Heimbach ragt.
Die Freunde, die hier in wechselnder Besetzung konzertieren, sind weltweit erfolgreiche Solisten und in allen großen Konzertsälen der Welt zuhause. Spannungen, das ist für sie eine Erfahrung, bei der das An-die-Grenzen-Gehen ein gemeinsames Wollen ist, musikalisches Zusammensein, Verschworensein mit der Musik auf des Messers Schneide. Eingefleischte Spannungen-Fans sprechen da vom "Heimbacher Geist".
Drei Grundideen
Mehrerlei hatte Lars bei der Gründung im Sinn: Eine Oase des Musikmachens zu bilden, wo es nur um Musik geht, eine musikalische Heimat zu schaffen, wo sich die eingeladenen Freunde wohl fühlen, wo sich eine künstlerische Familie bildet und dadurch sogar für solche Musiker außergewöhnliche Höchstleistungen im Konzert entstehen können, außerdem ein Festival, das sich nicht in vorauseilendem Gehorsam um angebliche Publikumswünsche kümmert, das davon ausgeht, dass das Publikum gefordert sein will. Jedes Jahr ist eine Uraufführung dabei.
Todsicheres Programm
Bei der Konzeption der CD-Jubiläumsausgabe gab man sich nicht so risikofreudig, da sind vor allem die todsicheren Komponisten dabei, Brahms, Dvorak, Mozart, Haydn, Mendelssohn.
Es ist "ein todsicheres Programm", wie Thomas Rübenacker bemerkt, "aber, na ja, kein tödliches - wenn so gut gespielt wird, lässt sich das alles gerne immer wieder hören". Zum Beispiel das berühmte Adagio aus Schuberts C-Dur-Quintett, überraschend zügig gespielt und wie beiläufig "spannend", es steigert sich vom scheinbar nüchternen Beginn zum Beinahe-Zerreißen im Laufe der weiteren Entwicklung.
Es sind doch immer die Momente die herzzerreißenden für uns als hörend Mitvollziehende, wenn wir das Gefühl haben, die Musiker auf der Bühne, hochkontrollierte Handwerker ihres Instruments, wissen für Momente selber nicht mehr, wohin es sie treibt. Schubert hat wie ein moderner Auto-Pilot die Führung übernommen, nichts ist vorhersehbar. Auch dürre Augenblicke, Ratlosigkeit darf es geben. Die Musik, Schubert, entsteht neu im hier und jetzt.
Mozart als Draufgabe
Aus insgesamt 14 CDs besteht die Jubiläumsausgabe der Live-Aufnahmen des Festivals Spannungen: Musik im Kraftwerk Heimbach. Sie sind zwischen 1999 und 2006 entstanden. Die Kassette ist eine Initiative des Trägervereins des Festivals, des Kunstfördervereins Kreis Düren und eine Koproduktion mit dem Deutschlandfunk, aus dessen Fundus die ausgewählten Aufnahmen stammen.
Auf der Bonus-CD neben den "8 Songs" von Peter Maxwell Davies, ein Auftragswerk des australischen Komponisten Brett Dean und das Mozart-Klavierkonzert KV 488. Also ein eher ungewöhnliches Werk im Rahmen eines Kammermusikfests. Lars Vogt wollte sich einfach einmal den Traum erfüllen, aus allen seinen liebsten Kammermusikpartnern ein kleines Festivalorchester zu formen, gewissermaßen sein persönliches Traumteam für Mozart.
Text: Renate Burtscher, Textbearbeitung: Joseph Schimmer
Hör-Tipp
Ausgewählt, jeden Mittwoch, 10:05 Uhr
CD-Tipp
Lars Vogt u.a., "Spannungen: Musik im Kraftwerk Heimbach", Cavi-Music, ASIN: B000P289Q0
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