Harri Stojka erneut in vieler Munde
Üben, bis die Finger rauchen
Erstaunlich, dass er im Juli seinen erst 50. Geburtstag gefeiert hat. Ist doch Harri Stojka seit 1970, also beinahe seit immer, in der Musikszene präsent. Zuletzt hat sich Stojka nach einer Durststrecke in den 1990ern musikalisch neu erfunden.
8. April 2017, 21:58
Weather Report war neben dem Mahavishnu-Orchestra und Chick Corea die wichtigste Jazzrock-Band der Welt! Wir 'sogen' diese Musik auf und lernten, lernten, lernten - mich faszinierte immer besonders Zawinuls Rhythm Section!
Auch für Harri Stojka war der Dienstagfrüh verstorbene Joe Zawinul ein Fixstern am musikalischen Firmament. Kein Wunder, bedeuteten für den Roma-Gitarristen, der genau eineinhalb Jahre alt war, als sich Zawinul im Jänner 1959 nach New York und also in Richtung Weltkarriere einschiffte, Pop und Jazz die wesentlichen musikalischen Sozialisationsfaktoren. Und begann er doch seine professionelle Laufbahn anno 1970, als Rockjazz - Miles Davis hatte (mit Joe Zawinul!) soeben die Meilensteine "In A Silent Way" und "Bitches Brew" eingespielt - als das angesagte, neue Ding galt.
Der Weg dorthin war geprägt von anderen Begegnungen. Die wohl wichtigste war jene mit der Plastikgitarre, die Harri Stojkas Vater dem Sechsjährigen von einem Jahrmarkt mitbrachte. Aus diesen Anfangsjahren wird eine - wohl wahre - Anekdote erzählt: Nachdem Vater Stojka gesagt hatte: "Du musst so lange üben, bis dir die Finger rauchen!", gab Klein-Harri eines Tages ratlos zurück: "Papa, ich übe und übe, aber es kommt kein Rauch!"
George Harrison und Pat Martino
Die Beatles (die Schreibweise von "Harri" geht auf dessen ersten "Gitarrengott" George Harrison zurück), Elvis Presley, Frank Sinatra waren prägend. Zum Jazz bekehrt wurde Stojka durch ein Solo von Gitarrist Pat Martino, dessen nicht enden wollender Notenstrom auf ihn große Faszination ausübte.
Im Alter von 13 Jahren spielte er mit seinem (früh verstorbenen) Cousin Jano sein erstes professionelles Konzert. Es folgten (als Bassist) Auftritte in der Band "Gypsy Love" seines Cousins Karl Ratzer, schon 1973, im Alter von 16 Jahren, formierte er allerdings die erste Ausgabe des legendären "Harri Stojka Express", mit dem der Gitarrist rund 20 Jahre hindurch die österreichische Musikszene in Sachen Rockjazz mitbestimmen sollte.
Einladung nach Montreux
Daneben arbeitete Stojka unter anderem in Peter Wolfs "Objective Truth Orchestra", mit André Heller und Frank-Zappa-Schlagzeuger Terry Bozzio. 1981 - im selben Jahr wie das "Jazzzwio" Harry Pepl/Werner Pirchner - wurde der Musiker aus der weit verzweigten Lovara-Rom-Dynastie vom Stamm der Bagareschtschi zum Jazzfestival Montreux eingeladen. Der dort absolvierte Soloauftritt und die daraus resultierende LP "Live in Montreux" erweiterten den internationalen Bekanntheitsgrad beträchtlich.
Wiederbesinnung auf das Erbe Django Reinhardts
Dennoch wurde es Ende der 80er-Jahre ruhiger um Harri Stojka, in den 90ern, als auch andere Jazzrock-Formationen wie Ostinato und Sigi Finkels Powerstation den Betrieb einstellten, da andere Trends angesagt waren, war er kaum mehr in der Szene präsent. Die vor allem in Frankreich grassierende Gypsy-Jazz-Welle bedeutete für Stojkas Karriere neue Impulse.
In der Wiederbesinnung auf das Erbe Django Reinhardts, des berühmten Roma-Gitarristen, der in den 30er-Jahren gemeinsam mit Geiger Stephane Grappelli das Quintette du Hot Club de France geleitet hatte, erfand sich der Wiener Gitarrist musikalisch neu - das im August 2000 aufgenommene Comeback-Album trug den Namen, den seither seine Band führt: "Gitancoeur" - Zigeunerherz.
Seither ist Stojka erneut omnipräsent und auch im Ausland wieder gefragt: 2003 trat er erneut in Montreux auf, 2006 beim Jazzfestival in Jakarta, Indonesien, 2007 in Syracuse, USA. Wenige Tage später, am 22. Juli feierte Harri Stojka seinen 50. Geburtstag. Wichtiger als derartige Jubiläen ist für ihn freilich das nächste Projekt, das sich mit dem Tanz und der Musik der mitteleuropäischen Roma beschäftigen wird. Ad multos annos!
Hör-Tipp
Die Österreich 1 Jazznacht, Samstag, 15. September 2007, 23:05 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
CD-Tipps
Harri Stojka, "Gitancoeur", GECO Tonwaren
Harri Stojka & Gitancoeur "Unplugged", GECO Tonwaren
Harri Stojka, "Live At the Roma Wedding", GECO Tonwaren
Harri Stojka, "A Tribute To Swing", GECO Tonwaren
Harri Stojka Gypsysoul, "Garude Apsa", GECO Tonwaren
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Harri Stojka