Dazwischen Belangsendungen
III. Kraut-und-Rüben-Programm
Nicht auf Startseite
8. April 2017, 21:58
Wenn man sich das Radioangebot von damals genauer anschaut, dann fällt der ungeheure Fleiß von Max Schönherr und dem Großen Wiener Rundfunkorchester auf - und berühmte Namen wie Conrads, Fischer-Karwin oder Ostry und bekannte Sendungen wie "Autofahrer unterwegs" oder "Das Traummännlein" …
Und der Wissende merkt, dass in der "Holden Kunst" (so hieß die Sendung in Salzburg, in Wien "Aus dem Schatzhaus der Kunst") Joseph Strelka, Freimaurer und Freund von Literaturchef Ernst Schönwiese u. a. gerne Gedichte von Ernst Schönwiese auswählte. Das verwundert wenig, denn es scheint noch eine andere Art von Proporz gegeben zu haben: Man war entweder beim schwarzen CV oder roter Freimaurer …
Abgesehen davon, dass Titel wie "Intermezzo" oder "Bunt gemischt" ununterbrochen auftauchten, offenbar immer dann, wenn man weder wusste, was man spielen, noch wie man es nennen sollte. Also abgesehen davon bemerkt man bei weiterer Durchsicht der Programme permanente Quer-Wiederholungen und die Absicht, für "jeden etwas" zu bringen: "Hausfrauenmagazin", "Landfunk", "Kinderstunde" und "Schulfunk" vormittags und nachmittags. Oper, Konzerte, Blasmusik und unterhaltungsorchestermäßiges "bunt (durcheinander)gemischt" bis zum neudeutschen Abwinken …
Dazwischen jede Menge Belangsendungen.
Ganz sicher waren nicht alle Sendungen schlecht, vielleicht nicht einmal die meisten, und bestimmt gab es Glanzstücke darunter, aber als Gesamtes war es ein unerträgliches Kraut & Rüben-Programm, das beim Publikum zu Recht für Ärger sorgte.
Bacher ante portas
Politik und Presse suchten einen Kandidaten für einen zu reformierenden Rundfunk und fanden ihn in der Person von Gerd Bacher, dem 41-jährigen Salzburger Journalisten und Geschäftsführer des Molden - Verlags, der schließlich am 9. März 1967 vom Aufsichtsrat mit dreizehn Stimmen (bei neun Gegenstimmen) für vier Jahre zum Generalintendanten gewählt wurde. Die Presse war mit ihrem Kandidaten zufrieden.
Auch in der von Bacher dankenswerterweise angeregten und im Laufe der Jahre von Viktor Ergert in Dankbarkeit geschriebenen Chronik des Hauses ("50 Jahre Rundfunk in Österreich") ist nur Positives zu lesen:
"Auf dem Fußweg in die Argentinierstraße stellte sich für den neuen Mann keinen Augenblick lang die Frage, ob er mit der Bewerbung die richtige Entscheidung getroffen hatte … Eine ÖVP-Regierung würde sich schwer tun, einen Generalintendanten zu stoppen, falls er entschlossen war, den vom Gesetz gegebenen Spielraum auszunützen. Gerd Bacher war ein solcher Kandidat …"
Linke als heimatlose Rechte
Teddy Podgorski, der spätere Generalintendant, sieht in seinem pointenreichen Buch "Die große Illusion" die Sache völlig anders: "Bundeskanzler Klaus hatte als misstrauischer CVler seine Zweifel. Nicht so sehr, weil Bacher nach eigenen Angaben ein 'heimatloser Rechter' war; ihm würde man schon die Heimat mit allem Drum und Dran bieten, sondern weil ihm das Direktorium mit den zwei 'heimatlosen Linken' Helmut Zilk und Franz Kreuzer Sorgen bereitete. Er konnte nicht ahnen, wie rasch die beiden 'Linken' beim 'heimatlosen Rechten' eingemeindet wurden. Was Kreisky zur Weißglut brachte.
Trotzdem blieben die beiden für Klaus 'Marxisten', denen man höchstens mit Weihwasser und Kruzifix beikommen konnte. Erst als Bacher als Chefredakteur für Radio und Fernsehen - für die wichtigste politische Position des Unternehmens - seinen Mentor, den im äußersten rechten Lager beheimateten Alfons Dalma vorschlug, war die Sache gebongt …"
Bei Ergert liest sich das folgendermaßen: "… Man muss sich heute den Vorgang und die politische Fairness von damals vorstellen: Die ÖVP hatte das Volksbegehren zum Rundfunkgesetz durchgezogen und dafür bekam sie von Bacher einen roten Fernsehdirektor und einen roten Chefredakteur!"
In Wahrheit tobten die Sozialisten über Bacher als Symbolfigur für den kurz bevorstehenden medialen Weltuntergang, im Haus selbst wurden Angstparolen ausgegeben, Massenentlassungen und flächendeckende Inkompetenz ("Der hat doch keine Ahnung, der kommt doch von einer Zeitung …") wurden befürchtet, doch uns war das wurscht. Wir waren viel zu präpotent, um Angst zu haben.
Außerdem wünschte sich Bacher eine "Jugendredaktion", die das "Wildeste vom Wilden" spielen sollte. Dort dürfte es keine Sendungen geben, die ihm gefallen könnten. Wir waren begeistert - und erfüllten ihm letzteren Wunsch bald im Übermaß …
Buch-Tipp
Alfred Treiber, "Ö1 gehört gehört - Die kommentierte Erfolgsgeschichte eines Radiosenders", Böhlau Verlag, Wien 2007