Die musikalischen Folgen von "Katrina"
Requiem für eine tote Stadt
Als im August 2005 die Dämme brachen, bedeutete das für die Stadt, die man früher gerne "The Big Easy" nannte, den Beginn einer existenzbedrohenden Katastrophe, die bis zum heutigen Tage nicht ausgestanden scheint.
8. April 2017, 21:58
Im August 2005 sorgte Hurrikan "Katrina" für eine der schwersten Naturkatastrophen in der amerikanischen Geschichte. In New Orleans brachen die Dämme, die Stadt wurde überflutet. Auch die Musikszene wurde als Folge des Hurrikans schwer beeinträchtigt, obwohl sofort Projekte anliefen, die konkret helfen sollten. Das Jazzfest in Portland (Oregon) bot Musikern aus New Orleans und deren Familien Transport und Aufenthalt im nordwestlichen Bundesstaat an.
Private Organisationen engagierten sich, wie etwa die Tipitina's Foundation oder Save Nola Music. Die Hilfe, die vor zwei Jahren nur zögerlich anzulaufen begann, reicht aber immer noch nicht aus, um der desolaten Infrastruktur neues Leben einzuhauchen. Der Optimismus derer, die geblieben sind und derer, die zurückkehrten, scheint aber ungebrochen, und naturgemäß beteiligen sich auch Künstler am Comeback von New Orleans. Aktuelle Musik mit Bezug zur Crescent City gibt es dementsprechend viel. Stellvertretend seien hier einige Werke vorgestellt.
Begräbnismusik für ein Trümmerfeld
Das neue Album "A Tale of God's Will (A Requiem for Katrina)" von Terence Blanchard trägt mit dem Gottesverweis einen etwas zwiespältigen Titel, denn schließlich ist mittlerweile erwiesen, dass die Flutkatastrophe von New Orleans im August 2005, auf die sich der Titel bezieht, nicht nur ein ungeheuerlicher Skandal sondern überdies auf menschliches Versagen zurückzuführen war.
Vom Hurrikan "Katrina" lässt sich der Trompeter aus New Orleans zu Musik inspirieren, die atmosphärisch dicht und eindringlich ist. Entstanden aus einem Soundtrack für eine Spike-Lee-Dokumentation ist hier Terence Blanchards Band zusammen mit einem Streichorchester zu hören. Die persönliche Anteilnahme am Thema wird in der leidenschaftlichen Musik spürbar, obwohl stellenweise der routinierte Filmkomponist die Oberhand gewinnt und musikalische Leerläufe in Kauf genommen werden. Immerhin hat Terence Blanchard mittlerweile über 40 Filme vertont, darunter Spike Lees Malcolm X und Mo’ Better Blues.
Eine neue Stimme an der Jazztrompete
Christian Scott, ebenfalls ein aus New Orleans stammender Trompeter, widmet sein neues Album "Anthem" seiner Heimatstadt und all ihren Einwohnern, die noch immer an den Folgen des Hurrikans leiden. Er besuchte in seiner Jugend dieselbe Schule, an der auch Wynton Marsalis, Harry Connick Junior und Terence Blanchard ihre ersten musikalischen Schritte unternahmen, nämlich das New Orleans Center for the Creative Arts. Nach einem in Rekordtempo abgeschlossenen Musikstudium produzierte Scott sein erstes Album, mit dem er gleich eine Grammy-Nominierung einfahren konnte. Seitdem wird der 25-jährige Musiker als "neue Stimme an der Jazztrompete" abgefeiert.
Seine aktuelles zweites Album "Anthem" liefert wie dessen Vorgänger eine Fusion von Jazz, Rock, Funk und Soul, aber auch Rap und Hip-Hop finden sich im Mix. Aufgrund seiner Experimentierfreude wird er von Kritikern gerne mit europäischen Jazzern verglichen, wohl auch aufgrund seines kühlen, geradezu nordisch anmutenden Tons.
Harry Connick Jr. - Crooner und Humanist
Dass Harry Connick Jr. ein begnadeter Bandleader und Arrangeur ist, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, und auch, dass sein Beau-Image und die nicht gerade treffsichere Auswahl seiner Filmrollen dieser verdienten Anerkennung wohl mitunter im Wege stehen. Aber noch immer versteht es Connick elegant, eine Brücke zwischen Kommerz, Kitsch und Kunst zu schlagen, etwa auf seinem Album "Chanson du Vieux Carré" aus dem Jahr 2006, das seine Erinnerungen an das New Orleans seiner Jugend in Töne fasst.
Die Big-Band-Arrangements alter Klassiker von Louis Armstrong oder Hoagy Carmichael und Connicks clevere Eigenkompositionen bekräftigen einmal mehr seinen Status in der Musikwelt, nicht nur als musikalischer Herzensbrecher und amerikanische Ikone, sondern auch als gereiftes Ausnahmetalent des Jazz.
Auch sein neuestes Album "Oh My Nola" hat New Orleans zum Thema, ein Teil der Einnahmen kommen dem sogenannten Musician's Village zugute, einem neu geschaffenen Stadtviertel initiiert von Connick und Branford Marsalis, in dem Musiker unterrichten und auftreten können.
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Die Anfänge des Jazz
New Orleans nach "Katrina"
Hör-Tipp
Die Österreich 1 Jazznacht, Samstag, 29. September 2007, 23:05 Uhr
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CD-Tipps
Terence Blanchard, "A Tale of God's Will (A Requiem for Katrina)", Blue Note Records, 094603097241 2 3
Christian Scott, "Anthem", Concord Jazz, 0888072302099
Harry Connick Jr., "Chanson du Vieux Carré ", Marsalis Music 0874946000628
Links
Terence Blanchard
Christian Scott
Harry Connick Jr.
Tipitina's Foundation
Musician's Village
Save New Orleans Music
New Orleans Center for the Creative Arts