Eine Spurensuche zum 50. Todestag von Ralph Benatzky

Im weißen Rössl

Die Verbindung von Wort und Musik war für den Komponisten und Autor Ralph Benatzky von Anfang an wichtig. Die Begabung, mit sprachlichem Witz die Atmosphäre eines Ortes einzufangen, kultivierte Benatzky auf seinen Konzerttourneen quer durch Europa.

Tagebuch-Herausgeberin Inge Jens über Ralph Benatzky

Wieder eine Premiere vorbei, die vom Weißen Rössl im Großen Schauspielhaus. Zu berichten wird über die Kritiken sein, die sich nach den Montagsblättern nicht sehr günstig anlassen. - So Wurst! Meine künstlerische Position wird eine schlechte Presse nicht erschüttern, eine gute nicht fördern, und ich bleibe der, von der Presse nicht im Entferntesten seiner wahren Begabung nach anerkannte, Ralph Benatzk.
(Tagebucheintragung: Berlin, 9. November 1930)


Am 8. November 1930 fand im Großen Schauspielhaus in Berlin die Uraufführung des Singspiels "Im weißen Rössl am Wolfgangsee" statt. Regie führte der Revuestar Erik Charell. Die Musikalische Leitung lag bei Ralph Benatzky. Doch dieser wollte an den Erfolg dieser Produktion nicht glauben. Denn ganz nach amerikanischem Vorbild war das "Weiße Rössl" eine Gemeinschaftsproduktion.

Ein voller kommerzieller Erfolg

Erik Charell hatte zur Musik von Benatzky Kompositionen von Robert Stolz, Bruno Granichstaedten und Eduard Künneke eingekauft. Der Text beruhte auf einem Lustspiel, das Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg bereits 1898 zur Uraufführung gebracht hatten. Robert Gilbert steuerte die Songtexte bei. Diesem Potpourri misstraute Benatzky. Doch das Stück wurde nicht nur in Berlin, sondern auch in Paris und London ein voller kommerzieller Erfolg.

Der Lehrersohn Ralph Benatzky wurde am 5. Juni 1884 in Mährisch Budwitz geboren. Er besuchte ein humanistisches Gymnasium, dann eine Kadettenschule in Wien. Nach der Matura wurde er als Leutnant zuerst in Prag, dann in Galizien stationiert. 1909 duellierte er sich - und wurde deshalb aus dem Militärdienst entlassen. Er studierte Germanistik an der Universität Wien und gleichzeitig Musik bei Felix Mottl in München.

Newcomer in der Kabarettszene

Benatzky war ein erfolgreicher Newcomer in der Kabarettszene, als die renommierte Wiener Sängerin Josma Selim, bürgerlich: Hedwig Fischer, sich von ihm ein Lied wünschte. Benatzky weigerte sich, und Josma Selim war beleidigt. In Wien kam es zu einer Aussprache. Wenige Wochen später, im November 1914, heirateten die beiden. Benatzky avancierte zum Co-Direktor der Wiener "Bunten Bühne Ridemus". Und für Josma schrieb er nun unzählige Couplets und Lieder: eine Synthese aus dem Wienerlied und dem französischen Chansons.

Josma Selim und Ralph Benatzky wurden zum gefeierten Paar. Das Erfolgsrezept waren Benatzkys brillante Texte und seine ausgefeilten Melodien, die Josma Selim mit Charme und Witz vortrug. Die Erfolgsstory hielt bis zum Tod von Josma Selim 1929 an.

Arbeit mit Zarah Leander

Den wachsenden Einfluss der Nationalsozialisten beobachtete Benatzky mit Sorge. Bereits 1932 verließ er Deutschland und ließ sich in Thun, in der Schweiz nieder. Dennoch arbeitete er weiterhin für deutsche und österreichische Produktionen.

1936 begegnete Ralph Benatzky einer Interpretin, die ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt machen sollte: Zarah Leander. Ihre erste Begegnung fand 1936 in Wien statt. Arthur Hellmer, Direktor des Theater an der Wien, hatte eine Gruppe hochkarätiger Theatermacher um sich versammelt, die im Nationalsozialistischen Deutschland bereits Berufsverbot hatten.

Ralph Benatzky notierte in seinem Tagebuch:

1. September 1936:
Zarah Leander, eine große, rotblonde, heroische Kontraaltistin aus Stockholm, das was man mit "junonischer Erscheinung" bezeichnet und der kleine, listige, mausäugleinzwinkernde Max Hansen spielten gestern Abend die Hauptrollen in meinem neuen Oeuvre im Theater an der Wien: Axel an der Himmelstür.

Ruf aus Hollywood

Das Stück war ein Erfolg. Zarah Leander wurde von den UFA-Filmstudios nach Berlin engagiert. Und Ralph Benatzky schrieb für den aufsteigenden Stern am Filmhimmel einen Hit nach dem anderen.

Doch als am 14. Oktober 1937 sein Agent einen großartigen Vertrag mit der Filmgesellschaft Metro Goldwyn Mayer in den USA in Aussicht stellte, nahm Benatzky an und fuhr nach Hollywood.

26. August 1938:
Metro Goldwyn Mayer ist eine Talmikunst-Fabrik, eine Illusionsherstellungsmaschine, eine Amüsierfabrikationswerkstätte, ein Lachen - und weinen Verkaufsladen, der hinter den Buden seines Warenhausbetriebes an 1500 Handwerker, Tagelöhner, Roboter des Geistes, beschäftigt. Kein Wunder, dass der Abteilungsladenschwengel, Producer genannt, keine Ahnung hat, wen er eigentlich "angestellt" hat. Kein Wunder ferner, dass aus dieser Ahnungslosigkeit heraus die groteskesten Sachen entstehen.

Enttäuschung in Amerika

Die Traumfabrik Hollywood erwies sich als Enttäuschung. Wie viele andere Emigranten wurde Benatzky zwar von MGM unter Vertrag genommen, aber nicht beschäftigt. Nach einem dreiviertel Jahr des Wartens löste er seinen Vertrag auf, um nach Europa, in die Schweiz, zurückzukehren.

Als Hitler 1939 den Krieg erklärte, hatte Ralph Benatzky bereits den Antrag auf das Schweizer Bürgerrecht gestellt, doch keine Antwort erhalten. Als 1940 Italien unter Mussolini in den Krieg eintrat, schien der letzte Fluchtweg abgeschnitten, falls Deutsche Truppen auch die Schweiz besetzen sollten. Benatzky bangte um das Leben seiner jüdischen Frau Mela.

Zufluchtsort New York

Am 15. Mai 1940 verließen Ralph Benatzky und seine Frau den Europäischen Kontinent. Trotz der negativen Erfahrungen in Hollywood blieben die Vereinigten Staaten von Amerika ein sicherer Zufluchtsort. Ihre Destination war New York.

Das Leben in der Emigration war für Benatzky schwierig, seine Musik fand in den USA wenig Anklang. Das liege an der Intellektualität des Komponisten, bemerkt der Robert-Stolz-Biograph Eugen Semrau. Denn Benatzkys Liedtexte waren pointenreich und schwer ins Englische zu übersetzen.

Rückzug von der Öffentlichkeit

Nach dem Kriegsende kehrte Ralph Benatzky 1946 als amerikanischer Staatsbürger in die Schweiz zurück. Doch Europa hatte sich durch den Krieg verändert, seine Mitbürger waren ihm fremd geworden. Es war ihm auch nicht möglich, an die Erfolge der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Die Depressionen, die sein Leben immer wieder überschattet hatten, wurden stärker und er zog sich von der Öffentlichkeit völlig zurück. Am 16. Oktober 1957 starb Ralph Benatzky in Zürich.

Ralph Benatzky und seine Werke gerieten für viele Jahre in Vergessenheit. Mit den politischen Veränderungen in Europa am Ende des zweiten Jahrtausends entdeckten jedoch gerade junge Künstler wie die "Geschwister Pfister" die Kultur der Zwischenkriegszeit und adaptierten diese für sich in frechen, witzigen Programmen. Sie zeigten, dass Benatzky heute noch aktuell ist und sein Publikum findet.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 15. Oktober bis Donnerstag, 18. Oktober 2007

Buch-Tipps
Ralph Benatzky, "Triumph und Tristesse", aus den Tagebüchern von 1910 bis 1946, Herausgegeben von Inge Jens, Parthas Verlag

"Im weißen Rössl", Zwischen Kunst und Kommerz, Herausgegeben von Ulrich Tadday, Musik-Konzepte 133/144

Links
Geschwister Pfister
Ralph Benatzky