Die Halbinsel Peljesac und die Einheit Kroatiens

Die Brücke über Bosnien Herzegowina

Am 24. Oktober hat der kroatische Prämier Ivo Sanader nach langjährigem Hin und Her feierlich die Arbeiten an der Brücke, die die voneinander getrennte Teile Südkroatiens verbinden soll, eröffnet: Eine Brücke, die nicht nur eine Brücke ist.

Im ehemaligen sozialistischen Jugoslawien lebend haben alle seine Bürger von der Zeit geträumt, in der sie die stark bewachte Grenze, ohne langes Tauziehen und Zeitverlust sowie frei von Willkür der Grenzpolizisten, übertreten dürfen.

Nach dem Zerfall Jugoslawiens ist diese erwartete Zukunft weiter in die Ferne gerückt, als man sich das je vorstellen konnte. Als sie unabhängige Staaten geworden sind, galt ihre erste Sorge der Befestigung der neu entstandenen zwischenstaatlichen Grenzen. In Jugoslawien haben nur Slowenien im Westen, mit der "westlichen Welt" und Mazedonien im Süden (nicht mit der "westlichen" aber doch mit der angestrebten "kapitalistischen Welt") Grenzen gehabt.

So hat das Ende Jugoslawiens für meisten ehemaligen Mitbürger, jetzt Bürger von souveränen Staaten, die Vervielfachung der Grenzen bedeutet. Es hat sich bewiesen, dass die neuen Grenzwächter, die ehemaligen Mitbürger, strenger gegenüber ehemaligen gemeinsamen Leidenden geworden sind, als es früher die westlichen "sturen und sachlichen" und die östlichen "harten und oft korrumpierten" Wächter" je gewesen waren.

Ein Tunnel unter Slowenien?

Um diese Situation zu überwinden, hat es am Anfang der 1990er einige Vorschläge gegeben, die heute noch immer absurd klingen. Weil sie damals ernst genommen wurden, verdienen sie es, erwähnt zu werden: Man wollte unter Slowenien einen Tunnel graben, der Kroatien mit Österreich verbinden sollte. Diese Idee wurde nie ausgeführt, man muss aber sagen, dass man es sehr oft, wenn man von Graz nach Zagreb fährt, bereut, dass der Tunnel nicht entstanden ist.

Für eine 40 Kilometer lange Strecke, von der österreichisch-slowenischen Grenze bis zur Grenze zwischen Slowenien und Kroatien, braucht man manchmal ein paar Stunden Reisezeit. Kroatien hat die Autobahn bis zur Grenze gebaut, aber die Slowenen möchten aus irgendwelchen Gründen nicht das Anschlussstück von etwa 20 Kilometern bis Marburg (Maribor) bauen.

Das kroatische Kipferl

Die geografische Lage Kroatiens wird sehr oft mit einem Kipferl oder Bumerang verglichen. Kroatien erstreckt sich von der östlichen Grenze mit Serbien um Bosnien Herzegowina herum bis zum südlich gelegenen Montenegro. So ist eine "geopolitische Spannung" entstanden, die in der Geschichte zu vielen Problemen geführt hat. Man behauptet, dass dieses Bild geografisch nicht logisch sei, und versucht ständig, diese - aus kroatischer Sicht - "geschichtliche Ungerechtigkeit" mit Kriegen zu korrigieren.

Die zwei Teile Kroatiens

Noch schlimmer hat es Kroatien am Süden des Landes erwischt. Etwa 50 km von Dubrovnik entfernt hat Bosnien Herzegowina bei dem Städtchen Neum bei der Halbinsel Peljesac einen schmalen Zugang zum Meer. Damit ist Kroatien auf zwei Teile getrennt, und ist das einzige Land (abgesehen von der russischen Stadt Kaliningrad/Königsberg), das man nicht ohne Grenzübergang durchfahren kann.

Das Gebiet um Neum wurde 1699 von der Dubrovniker Republik mit dem Frieden von Karlowitz an das Osmanische Reich gegeben, um einen Schutzraum gegen Venedig zu haben. Neum ist im Laufe der Geschichte immer weiter an Bosnien herangerückt, und so ist es auch nach dem Zerfall Jugoslawiens als Teil des neuen Staates Bosnien Herzegowina geblieben. Obwohl der Straßenverkehr durch Bosnien Herzegowina über die zwei Grenzen fließend und ohne sichtliche Probleme läuft, ist für die Bürger Kroatiens aus Tatsache, dass Kroatien keine Einheit ist, doch ein Hindernis und sogar eine politische Frage geworden.

Die Brücke als Lösung?

Um dieses Problem zu lösen, haben heuer, nach langen Vorbereitungen und "Streitereien" mit Bosnien Herzegowina, die Arbeiten einer Brücke angefangen. Die Brücke soll in vier Jahren fertig gestellt werden und ist derzeit die größte Baubrücke in Europa. Trotz unzähligen offenen Fragen, wenn es um so ein riesiges Bauunternehmen geht, etwa ökologische, hat man das Gefühl, dass sich alle Beteiligten mehr mit politischen und psychologischen Hintergrundideen beschäftigten, als mit den wirtschaftlichen und rationalen Seiten des Baus.

Jemand Unbeteiligter, der diese Grenzenscherereien betrachtet, ist sehr oft erstaunt, zu welchen Ideen die Kontrahenten kommen, um ihre Gegner in Grenzspielen auszutricksen. Der Tunnel unter Slowenien wurde nicht gebaut, aber diese Brücke in Kroatien scheint verwirklicht zu werden. Diese Brücke ist doch eine realistische Lösung eines tatsächlichen Problems.

Nun, angesichts des zukünftigen gemeinsamen Europas und dem anstrebenden Eintritt in die EU der beiden Staaten Kroatien und Bosnien Herzegowina, könnte man vielleicht eine bessere Lösung finden, als es diese Brücke ist. Man könnte sich eine große Investitionssumme ersparen und man könnte auch die Halbinsel Peljesac vor dem nötigen Straßenbau und der "Betonisierung" bewahren.

Bauarbeiten kein Zufall

Dass die Arbeiten an der Brücke gerade jetzt eröffnet worden sind, sollte niemanden überraschen. Kroatien steht von Parlamentswahlen und der jetzige Prämierminister Ivo Sanader möchte sich vor so einem wichtigen Ereignis nicht die Chance aus der Hand nehmen, als der "geografische Zusammensetzer Kroatiens" in die Wahlen zu treten. Selbstverständlich, dass die Opposition mit allen möglichen, auch ökologischen, Argumenten das Gegenteil zu beweisen versucht. Wissend, wie stark die psychologischen und oft irrationalen Faktoren die Oberhand über die sachlichen gewinnen, könnte man schon sagen, dass Ivo Sanader einen guten Trumpf bei den Wahlen hat.