Zum 50.Todestag von Wilhelm Reich

Vom Psychoanalytiker zum Biologen

Wilhelm Reich gilt als Pionier der modernen Sexualforschung und der körperorientierten Psychotherapie. 2007, im Jahr seines 50. Todestages, wird in zahlreichen Veranstaltungen versucht, sein Leben und Werk neu aufzuarbeiten.

Was blieb von Wilhelm Reich, der als "linker" Psychoanalytiker und Naturwissenschafter polarisierte wie kaum ein anderer, der kompromisslos seinen Weg ging und nicht zuletzt aufgrund seiner Kompromisslosigkeit und Radikalität aus der psychoanalytischen Vereinigung, aber auch aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen wurde; der auf der Suche nach einem ihn akzeptierenden Forschungsumfeld und auf der Flucht vor den Nationalsozialisten von Wien über Berlin, Kopenhagen, Malmö und Oslo letztlich in den Vereinigten Staaten landete, wo er am 3. November 1957 während der Verbüßung einer zweijährigen Haftstrafe - verurteilt wegen Quacksalberei und Missachtung des Gerichts - an einem Herzinfarkt starb.

Kosmische Lebensenergie Orgon

Während Reichs frühe Arbeiten - etwa die Orgasmustheorie oder die Charakteranalyse - durchaus wissenschaftlich anerkannt sind, scheiden sich bei seinen späteren biologischen Forschungen die Geister. Sein Postulat einer kosmischen Lebensenergie, die er Orgon nannte und die er sicht- und messbar machen zu können vermeinte und die er mittels "Orgon-Akkumulator" einfing, um damit Patienten mit unterschiedlichsten Leiden zu behandeln, dieses Postulat einer nachweisbaren Lebensenergie führte bei den einen dazu, ihn als verrückt, schizophren und paranoid abzustempeln.

Andere wiederum sehen im Prinzip der Lebensenergie, die fließen muss, damit Organismus und psychischer Apparat gesund bleiben, einen äußerst brauchbaren Ansatz zur Behandlung der unterschiedlichsten Leiden.

Nun scheint auch eine gewisse Reich-Renaissance anzubrechen, denn in den USA - wo man Reich seinerzeit ins Gefängnis steckte - lässt man sich 50 Jahre nach seinem Tod auf Studien zur Überprüfung der Wirksamkeit des Orgon-Akkumulators ein.

Panzer um die Seele

Unbestritten gilt Wilhelm Reich mit der Entwicklung "seiner" Vegetotherapie als Wegbereiter aller später aufkommenden Körperpsychotherapien. Reich hatte erkannt, dass "erstarrte Lebensgeschichte", Konflikte der frühen Kindheit zu einer Panzerung des psychischen Apparats führen.

Dieser Panzer findet in Haltung, Verhalten und Ausdruck des Individuums, aber auch in Muskel- und Bindegewebsverspannungen seinen Ausdruck. Gelingt es die starre Charakterhaltung zu deuten und aufzulösen, so können auch die erstarrten Emotionen und die Lebensenergie wieder strömen. Die Panzerung und Verspannungen aufzulösen, die Lebensenergie wieder zum Fließen zu bringen, dafür steht Vegetotherapie und Orgonmedizin.

Das Strömen der biologischen Energie

Wilhelm Reich steht auch für die "sexuelle Befreiung", die heute so wie seinerzeit vielfach missverstanden wird. Wilhelm Reich hat nicht einem zügellosen Sexualleben das Wort geredet, sondern der "orgastischen Potenz". Darunter verstand er "die Fähigkeit, sich dem Strömen der biologischen Energie ohne Hemmung hinzugeben", sowie "die Fähigkeit zur vollständigen Entladung aller aufgestauten Sexualerregung durch unwillkürliche, lustvolle Kontraktionen des Körpers". Nur Menschen, die frei von jeder Neurose sind, sind nach Wilhelm Reich "orgastisch potent".

Reich war überzeugt, dass eine neurosenfreie Entwicklung des Kindes möglich ist, wenn es von Anfang an liebevoll - zuallererst durch den liebevollen Körperkontakt mit der Mutter - mit Lebensenergie versorgt wird und diese im Fließen bleibt.

Mit Spannung erwartete Nachlassöffnung

Der schillernden Persönlichkeit und den vielfach missverstandenen Theorien des Wilhelm Reich ist anlässlich seines 50. Todestages eine Ausstellung gewidmet, die am 15. November 2007 im Jüdischen Museum in Wien eröffnet wird.

Mit Spannung wird die Eröffnung seines wissenschaftlichen Nachlasses erwartet, der nach Reichs Verfügung erst nach dem 3. November 2007 der Öffentlich preisgegeben werden sollte. Doch vorerst werden die noch lebenden Familienmitglieder den von der Bibliothek der Harvard Medical School "freigegebenen" Nachlass sichten, bevor er tatsächlich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 5. November 2007, 19:05 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
"Sex!Pol!Energy!", eine Ausstellung zu Leben, Werk und Energie des Wilhelm Reich, 16. November 2007 bis 9. März 2008, Jüdisches Museum Wien,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (40 Prozent).

Links
Wilhelm-Reich-Gesellschaft
Jüdisches Museum Wien