Astrid Lindgren zum 100. Geburtstag

Niemals Gewalt

Ihre Bücher stehen millionenfach in den Kinderzimmern dieser Welt: Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter... Astrid Lindgren hinterließ ein ganzes Universum an fantasievollen Geschichten und Figuren. Am 14. November 2007 würde sie 100 Jahre alt.

"Schenkt den Kindern Liebe, mehr Liebe und noch mehr Liebe, dann kommen die Manieren von allein", schrieb Astrid Lindgren 1948 in der Zeitschrift "Husmodern". Es war das einzige Mal, dass sie ihr Buch "Pippi Langstrumpf" öffentlich kommentierte. Die Geschichte von dem kleinen, rothaarigen Mädchen mit den übermenschlichen Kräften löste bereits bei der Veröffentlichung 1945 heftige Kritik aus. Pippi sei nicht frei, sondern gar nicht erzogen, hieß es, und: Diese Figur sei ein schlechtes Vorbild.

Mit diesen Argumenten hatte auch der renommierte Kinderbuchverleger Albert Bonniers das Buch abgelehnt. Nachdem Lindgren mit "Britt Mari erleichtert ihr Herz" 1944 einen Wettbewerb gewann, verlegte der Konkurrenzverlag Rabén & Sjögren den ersten Band von "Pippi Langstrumpf". Mit diesem Buch griff Astrid Lindgren in die Debatte um die Kindererziehung ein, die bereits in den 1930er und 1940er Jahren in Schweden geführt wurde. Und ihr Standpunkt war klar: Sie sah sich als Anwältin der Kinder.

Glückliche Kindheit

Ihre Kindheit bezeichnete Lindgren als die glücklichste Zeit ihres Lebens. Und es war die Mischung aus Freiheit und Strenge, die das geregelte Leben auf einem Bauernhof mit sich brachte und die Astrid das Gefühl von Geborgenheit gab. Es sei die Gabe der Kinder, sich das Leben spielend anzueignen, meinte sie rückblickend, auch dann, wenn sie mit ihren drei Geschwistern auszog, die Kartoffeln einzusammeln oder Beeren zu pflücken. Von diesen Kinderspielen erzählt die Trilogie "Die Kinder aus Büllerbü" (erster Band: 1946).

Mit dem Schreiben holte sie sich die glücklichen Tage der Kindheit zurück, denn Astrid lebte in einem Mietshaus in Stockholm. Ihren Kindern Lars und Karen stand der "Vasapark" als Spielplatz zur Verfügung. Das Einkommen der Familie war bescheiden. Astrid Lindgren jobbte als Sekretärin, später als Lektorin des Kinderbuchverlages Rabén & Sjögren. Mit der ländlichen Idylle ihrer Geburtsstadt Vimmerby hatte ihr Leben nichts gemeinsam.

Vertreibung aus dem Paradies

Aus dem "Paradies" war Astrid Lindgren, geborene Ericsson, bereits mit 18 Jahren vertrieben worden: als sie von einem verheirateten Mann schwanger wurde und Vimmerby verlassen musste, denn 1926 war aus der Sicht der streng puritanischen, kleinstädtischen Bürger eine ledige Mutter nicht tragbar.

Astrid ging nach Stockholm und absolvierte einen Sekretärinnenkurs. Den Sohn Lars brachte sie in Kopenhagen zur Welt, in einer Klinik, in der sie den Vater nicht angeben musste. Das Kind blieb bei einer Pflegefamilie in Kopenhagen zurück. Astrid arbeitete als Sekretärin in Stockholm. Sobald sie genug Geld für die Fahrkarte gespart hatte, besuchte sie ihr Kind. Von den Eltern erhielt sie erst Unterstützung, als Lars drei Jahre später schwer erkrankte und sie einen Pflegeplatz für ihn benötigte. Dann durfte sie nach Vimmerby zurückkehren. Im selben Jahre lernte sie Sture Lindgren kennen. Sie heirateten, 1934 wurde Tochter Karen geboren.

Anwältin der Kinder

Als junge Frau sei sie zu schüchtern gewesen, um sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen, erzählte sie ihrer Biografin Margareta Strömstedt, doch als Mutter von zwei Kindern meldete sie sich immer öfters zu Wort. "Es stört mich, wenn ich dabei zuschauen muss, wie sehr Erwachsene Kinder drangsalieren und auf ihnen herumtrampeln."

Die Geschichte der Pippi Langstrumpf war ein Geburtstagsgeschenk an ihre Tochter Karen. Mit dem Erfolg des Buches hatte sie nicht gerechnet.

Selbstbewusst, fantasievoll, empfindsam

Astrid Lindgrens Kinderbücher wurden in mehr als 50 Sprachen übersetzt und rangieren nach wie vor unter den Top 10. Mit "Kalle Blomquist", "Michel aus Lönneberga" oder den "Brüdern Löwenherz" gewährte sie Einblicke in die kindliche Vorstellungswelt und erzählte von den Verletzlichkeiten und Ängsten der Kinder. Sie schuf Titelhelden, die selbstbewusst, fantasievoll, aufmüpfig und empfindsam sind.

Ihre Bücher und ihr persönliches Engagement veränderten das Bewusstsein der schwedischen Öffentlichkeit. Indem sie vehement für den Schutz der Kinder eintrat, wirkte sie auch weit über die Grenzen ihres Landes. 1978 erhielt sie als erste Kinderbuchautorin den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und hielt ihre vielbeachtete Rede: "Niemals Gewalt!"

Hör-Tipps
Tonspuren, Freitag, 9. November 2007, 22:15 Uhr

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Menschenbilder, Sonntag, 11. November 2007, 14:05 Uhr

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Radiokolleg, Montag, 12. November, bis Donnerstag, 15. November 2007, 9:05 Uhr

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Radiogeschichten, Mittwoch, 14. November 2007, 11:40 Uhr

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