Die Mühen der Ebene

Junger Staat Kosovo

Mitte Juni ist im Kosovo die neue Verfassung in Kraft getreten. Doch der politische Alltag in dem jungen Staat gestaltet sich schwierig. Die UNO behält vorerst die Oberaufsicht; die Kompetenzen zwischen UNO, EU und Kosovo-Regierung sind unklar verteilt.

Zu den bespöttelten Gründungsmythen der jungen Republik zählt das resolute "No way" ("Auf keinen Fall") aus der amerikanischen Repräsentanz in Pristina, das Premierminister Hashim Thaci gerade noch am Handy bremste, ehe er - aus US-Sicht zwei Tage zu früh - die Unabhängigkeit ausgerufen hätte.

Politisches Durcheinander

Derzeit herrscht im Kosovo ein einziges Provisorium: zwei Internationale Mächte und eine Übergangsregierung, die sich die Kompetenzen nicht klar aufteilen. Eigentlich sollte das politische Durcheinander seit 15. Juni der Vergangenheit angehören, denn seit In-Kraft-Treten der kosovarischen Verfassung hat die eigene Regierung das letzte Wort. Doch die UN-Mission im Kosovo, kurz UNMIK, wird laut Generalsekretär Ban Ki Moon entgegen der bisherigen Planung Oberaufseherin bleiben.

Unter ihrem Schirm soll auch die neue EU-Mission, kurz EULEX stehen, die rund 2.000 Polizisten, Richter und Verwaltungsexperten in den Kosovo schickt. Ursprünglich war vorgesehen, dass die EULEX im Juni die Agenden von der UNMIK vollständig übernimmt und sich die UN-Mission somit aus dem Kosovo zurückzieht. Eine klare, schlanke Struktur sieht anders aus.

Neun Jahre Fremdverwaltung

Das diplomatische Hin und her zwischen UNO und EU macht es den Kosovaren nicht einfach, sich in dem politischen Feld zurechtzufinden. Die Bevölkerung ist müde von neun Jahren Bevormundung durch das globale Friedenstiftungsgewerbe - und misstrauisch.

33 Milliarden Euro insgesamt soll die Weltgemeinschaft für ihren Einsatz im Kosovo seit 1999 ausgegeben haben, seit dem durch NATO-Bomben erzwungenen Abzug von Slobodan Milosevics Truppen. Das entspräche pro Einwohner und Jahr einem Aufwand von 1.750 Euro - dem 160-fachen der durchschnittlichen Pro-Kopf-Hilfe für alle Entwicklungsländer.

Eine Milliarde für die Dunkelheit

Wo ist das Geld? "Eine Milliarde für die Dunkelheit" ist ein im Kosovo gern zitierter Sager. Das ist der Betrag, der bisher in die Energieversorgung des Landes investiert wurde. Dennoch fällt der Strom nach wie vor täglich aus, oft stundenlang, und Diesel-Notstromaggregate müssen angeworfen werden.

Kosovos Bruttosozialprodukt pro Kopf ist niedriger als das von Nordkorea oder Papa-Neuguinea. Einer der schlechtesten Handelsbilanzen weltweit steht die höchste Fruchtbarkeitsrate in Europa gegenüber. Die Arbeitslosigkeitsrate unter Jugendlichen liegt bei 75 Prozent.

"Come to Europe", doch es herrscht Visumpflicht

Um die EU den Kosovaren näher zu bringen, tourt derzeit ein Lastwagen quer durch 20 Städte und Dörfer. "Come to Europe" heißt die Roadshow, die in Albanisch, Serbisch und Englisch die Bevölkerung einlädt, bei Musik und Theater unter freiem Himmel der EU näher zu kommen.

Die Kampagne "Come to Europe" stößt im Kosovo an ihre geographischen Grenzen, denn Europa hört für die Kosovaren an der Grenze des eigenen Landes auf. Es herrscht Visumspflicht. Bewegungsfreiheit gibt es nur für eine elitäre Schicht aus Politikern und Wirtschaftstreibenden. Normalsterblichen wird der Kontakt zu Europa fast unmöglich gemacht. Die mehrheitlich junge Bevölkerung, über die Hälfte, ist jünger als 25 Jahre, sieht die EU nur von außen, und ist doch so sehr ein Teil von ihr.

Mehr zum Thema Kosovo in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Journal Panorama, Dienstag, 1. Juli 2008, 18:20 Uhr

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