Das Comeback haushaltsnaher Dienstleistungen
Dienstbotinnen
Noch um 1900 glaubte man, dass Dienstbotinnen mit der zunehmenden Modernisierung aus den Haushalten verschwinden würden. Doch seit den 1990er Jahren erlebt die Nachfrage nach "häuslichen Diensten" in den Industrienationen einen neuen Boom.
8. April 2017, 21:58
Wir suchen für eine Dauerstelle in einem gepflegten Villenhaushalt im Süden Salzburgs eine Haushilfe. Erwartet werden: Einsatzfreude, Fertigkeit in allen haushaltlichen Tätigkeiten, Kochen, Servieren, Gartenarbeit, Führerschein, Ungebundenheit, da Auslandsaufenthalte erforderlich sind, angenehme Umgangsformen, Nichtraucher/in.
Geboten werden: Beste Bezahlung, Freie Station und Logie; Unterkunft im Hause Bedingung.
Diese an herrschaftliche Haushalte um 1900 erinnernde Anzeige, die vor zwei Wochen in den "Salzburger Nachrichten" geschaltet wurde, mag zwar nicht repräsentativ für den breiten Stellenmarkt sein. Sie belegt jedoch deutlich, dass die Nachfrage nach häuslichen Diensten boomt. Egal ob es um Putzen, Kochen, Waschen und Bügeln, die Betreuung von Kindern oder die Pflege älterer Menschen geht, immer mehr österreichische Privathaushalte lagern diese Tätigkeiten zumindest stundenweise gegen Bezahlung an familienfremde Personen aus - meist an Frauen mit Migrationshintergrund.
Schätzungen des Linzer Volkswirtschaftlers Friedrich Schneider zufolge waren im letzten Jahr rund 500.000 Putz-, Bügel- und Kinderfrauen in zwei Millionen österreichischen Haushalten tätig - unangemeldet und ohne Sozialversicherung. Rund 15 Prozent dieser Frauen, so schätzt Schneider, waren Ausländerinnen ohne Arbeitserlaubnis - Migrantinnen, mit der Absicht, dauerhaft zu bleiben, oder Pendlerinnen, die regelmäßig zwischen Österreich und ihrem Herkunftsland hin- und herreisen.
Wachsender Bedarf nach Zuarbeiterinnen im Haushalt
Als "neue Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung" beschreibt die Sozialwissenschaftlerin Helma Lutz diese Frauen in ihrem neuen Buch "Vom Weltmarkt in den Privathaushalt". Die Gründe für das ungeahnte Comeback dieses Berufsstands seit Anfang der 1990er Jahre sind vielfältig, meint Helma Lutz:
"Zum einen war es in den letzten 20 Jahren eine erklärte frauenpolitische Zielsetzung, Frauen in die Erwerbsarbeit zu bringen - und das ist in vielen europäischen Ländern auch erfolgreich passiert. Was gleichzeitig nicht bedacht wurde, ist die Frage, wer denn nun die Arbeit machen soll, die Frauen bislang auch gemacht haben - nämlich die Familien- oder Pflegearbeit im Haushalt. Die Umverteilung zwischen den Geschlechtern, die hier hätte stattfinden müssen, ist ja ausgeblieben. Zugleich gibt es in vielen europäischen Ländern eine fehlende staatliche Versorgung in Bezug auf die Betreuung von Kindern und kranken Menschen. Haushaltsarbeit wird daher zunehmend privat weitergegeben - meist von einer Frau an eine andere Frau."
Haushaltsarbeit als globaler Markt
Der wachsenden Nachfrage steht zugleich ein wachsender Markt von migrantischen Arbeitskräften gegenüber - ein Phänomen, das vor allem mit den umfassenden Transformationen in Ost- und Mitteleuropa nach 1989 zu tun hat, wie Helma Lutz erklärt. Viele Frauen verloren dort nach der Wende ihre angestammten Arbeitsplätze und waren gezwungen, neue Erwerbsmöglichkeiten im nahen Ausland zu suchen, um ihr eigenes Leben und das ihrer Familien finanzieren zu können. Eine der zentralen Migrationsrouten im Bereich der Hausarbeit verläuft daher heute von Osten nach Westen; die zweite vom außereuropäischen Süden in den Norden - etwa von Lateinamerika nach Spanien oder nach Deutschland.
Tauchten Frauen in früheren Wanderbewegungen oft nur als Begleiterinnen ihrer Ehemänner auf, so sind sie heute also häufig die Pionierinnen der neuen Migration. Hausarbeit in Privathaushalten ist, wie die britische Soziologin Bridget Anderson in ihren Feldstudien herausgefunden hat, neben der Prostitution die verbreitetste Arbeit neu angekommener Migrantinnen; zahlreiche Wissenschaftlerinnen sprechen daher auch von einer "Hausfrauisierung" der Migration.
Ein Leben in der Schattenwirtschaft
Der Arbeitsplatz Privathaushalt - ein klassischer Ort der Schwarzarbeit - wird von den dort arbeitenden Migrantinnen ambivalent erlebt. Einerseits bietet er vor allem für Frauen ohne Arbeitserlaubnis oder legalen Aufenthaltsstatus Schutz vor staatlicher Verfolgung und Kontrolle. Andererseits ist er gerade aufgrund seiner Unsichtbarkeit ein Ort, an dem es immer wieder zu Ausbeutung, Diskriminierung und Gewalt kommen kann.
Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler fordern daher eine stärkere Verrechtlichung dieses Berufsfeldes - und auch ein Überdenken aktueller nationaler Migrationspolitiken. Wenn über Green Cards für qualifizierte Arbeitskräfte diskutiert werde, würde man Haushaltsarbeiterinnen in der Regel nicht mitdenken, kritisiert die Sozialethikerin Luxenir Caixeta von MAIZ, einem autonomen Integrationszentrum von und für Migrantinnen in Linz - auch wenn die Nachfrage nach ihren Diensten offensichtlich da ist.
Erna Appelt vom Institut für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck ist ebenfalls überzeugt, dass es dringend neue rechtliche Rahmenbedingungen braucht. Denn wie zuletzt die Pflegedebatte in Österreich deutlich bewusst gemacht habe: "Der Bedarf an Zuarbeiterinnen in Privathaushalten wird auch in den nächsten Jahren weiter wachsen."
Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 13. November 2007, 19:05 Uhr.
Buch-Tipps
"L'homme. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft", Heft 1/2007: Dienstbotinnen (hg. von Gunda Barth-Scalmani und Regina Schulte)
Bridget Anderson, "Doing the dirty work? Migrantinnen und die Globalisierung der Hausarbeit" Aus dem Engl. von G. Deckert, Assoziation A
Helma Lutz, "Vom Weltmarkt in den Privathaushalt. Die neuen Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung", Budrich
Maria S. Rerrich, "Die ganze Welt zu Hause. Cosmobile Putzfrauen in privaten Haushalten", Hamburger Edition.
Links
Eurozine - Intime Fremde
MAIZ - Hausarbeit und Pflege
RESPECT - Europäisches Netzwerk zur Unterstützung von Migrantinnen