Oper in Bulgarien
Viel Engagement und wenig Geld
In Bulgarien, das in Größe und Bevölkerungszahl Österreich durchaus vergleichbar ist, gibt es weit über ein Dutzend reine Opernhäuser, die musikalische Erziehung und die Konservatorien haben nach wie vor einen hervorragenden Ruf.
8. April 2017, 21:58
Man spricht vom Wunder der bulgarischen Stimmen. Die Chöre aus Bulgarien, die interessante Folkloremusik, neuerdings auch der bulgarische Jazz, vor allem aber die Opernsänger und Opernsängerinnen, die aus Bulgarien stammen, sind weltberühmt. Man denke an Namen wie Anna Tomowa-Sintov, Raina Kabaivanska, Vesselina Kasarova, Boris Christof oder Nikolai Ghiaurov.
Opernhaus Russe
Das Opernhaus in Russe ist mittelprächtig gefüllt. Das Publikum sitzt in Mänteln, Pelzmützen und warmen Schals in dem Haus, das ungefähr die Größe von österreichischen Landesbühnen hat, aber zu den schönsten Opernhäusern Bulgariens gehört - im Stil der Donaumonarchie erbaut, die durch viele österreichische Architekten , die hier gebaut haben, der Stadt ihren Stempel aufgedrückt hat. Draußen ist es Anfang November unwirtlich, der für die Gegend typische kalte Wind fegt die letzten Zuschauer in die Oper. Eine Garderobe sucht man ebenso vergeblich wie Billeteure, die einen den Platz anweisen.
Man gibt eine alte, etwas verstaubte Repertoirevorstellung von Puccinis "Tosca". Die Titelheldin könnte die Mutter, ja fast die Großmutter des jungen Darstellers des Cavaradossi sein. Dennoch gehört Russe derzeit zu den interessantesten und spannendsten Opernhäusern von Bulgarien, so wie Stara Zagora, das wie das Haus in Russe demnächst komplett überholt werden soll.
Schwierige ökonomische Lage
Der junge Dirigent, Najden Todorow, der in Wien studiert hat, ist der umtriebige Operndirektor von Russe. "Ich muss schon sagen, es ist nicht leicht, ein Theaterdirektor in Bulgarien zu sein", seufzt er, "weil wir sehr gute Sänger und Musiker haben, aber der Zustand der Gebäude ist ziemlich schlecht." Umso froher ist Todorov, dass der Kulturminister Bulgariens Stefan Danailov, selbst Schauspieler und daher sehr für die darstellende Kunst engagiert, eine Subvention für die Renovierung des Opernhauses in Russe zugesagt hat, denn sonst ist die Dotierung nicht gerade üppig.
Etwa eine Million Euro hat Todorow für die Gehälter zur Verfügung, für alles andere wie Inszenierungen sowie Fixkosten wie Strom und Heizung muss Todorow selbst sorgen. Und das ist nicht ganz einfach, da sich Städte und Gemeinden immer mehr aus der Kulturförderung zurückziehen, weil es auch sonst an allen Ecken und Ende fehlt. Für die Stadt Russe springen aber mehr und mehr Sponsoren ein.
"Man sagt, Russe wäre die Musikhauptstadt von Bulgarien", schwärmt Todorow, "leider ist die Situation im Moment etwas anders, da die ökonomische Lage ziemlich schwierig ist, aber Russe wird immer eine Kulturstadt bleiben. In Russe war die Oper schon vor etwa 100 Jahren nicht staatlich, sondern ein Privatverein, noch dazu war in Russe das erste Kino Bulgariens."
Neun bis zehn Inszenierungen pro Jahr
Najden Todorow ist erst seit zwei Jahren Operndirektor in Russe und in dieser Zeit hat sich viel getan. Zu Beginn seiner Amtszeit habe er etwa 100 Zuschauer pro Vorstellung gehabt, erzählt Todorow, heute habe er gut 70 Prozent Auslastung. "Speziell bei Neuinszenierungen haben wir den Saal absolut voll. Ich habe sogar schon böse Briefe von Leuten bekommen, die keine Karten kaufen konnten. Das ist etwas, was eigentlich in Bulgarien schon vergessen ist, dass man keine Karen kaufen kann", so Todorow.
Todorow bringt neun bis zehn Inszenierungen pro Jahr heraus, durchaus auch mit jungen Dirigenten und modernen Regisseuren. "Die letzen drei Regisseure, die ich eingeladen habe, sind alle unter 50 - was für Bulgarien schon eine Revolution ist", meint Todorow. "Das kann ich auch über die Dirigenten sagen und die Solisten." Auch für die Ausbildung junger Sänger engagiert er sich.
Neue Leitung in Sofia
Die billigste Karte im Opernhaus in Russe kostet umgerechnet einen Euro, eine mittlere Karte drei bis vier Euro, die teuerste Karte im Haus beläuft sich auf 20 Euro. Eine Kinokarte in Russe kostet zwei Euro, in Sofia ungefähr fünf Euro. Auch Opern und Theaterkarten sind in Sofia etwas teurer, weil es den Menschen dort bereits ökonomisch weit besser geht als in Russe.
Die Nationaloper in Sofia ist derzeit geschlossen, weil sie gerade renoviert wird und das Ensemble eine monatelange Gastspielreise nach Südostasien angetreten hat. Auch dort hofft man auf Veränderung und Verbesserung, sagt Najden Todorow: "Ich arbeite ziemlich viel mit der Oper in Sofia und bin in den letzten Jahren eher enttäuscht, also das Niveau geht nicht unbedingt nach oben", weswegen die Leitung jetzt ausgewechselt wird.
Berühmte Musikhochschule
Die Kritik an der Nationaloper teilt auch Georgi Kostov, der Leiter der Musikakademie in Sofia. Kostov ist ein Schüler des berühmtesten Komponisten Bulgariens, Pantscho Vladigeroff. Er hat der Musikakademie seinen Namen gegeben, die 1921 gegründet wurde.
Die Musikhochschule ist weltberühmt, viele weltberühmte Sänger und Sängerinnen haben dort studiert, die slawischen Stimmen haben ja auch an der Wiener Staatsoper ihren Platz und die Enkel von Pantscho Vladigeroff, die Vladigeroff-Brüder, sind ja auch in Wien oft zu sehen und zu hören. An der Wiener Staatsoper sind Nadja Krasteva und Krassimira Stoyanova wichtige Sängerinnen des Opernensembles.
Mehr dazu in oe1.ORF.at und zu Musikszenen in Bulgarien in oe1.ORF.at
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