Von Verbindung Technik - Experiment fasziniert
Benjamin Tomasi, Fotografie
Sein Kunst-Interesse wurde früh gefördert: Benjamin Tomasi, der an der Angewandten Fotografie studiert hat und nun beendet. Seine zweiteilige Diplomarbeit "800/20" und "zwei zwei Zweier" ist ab 17. Juni an der Angewandten, danach bei "The Essence" zu sehen.
27. April 2017, 15:40
Zur Arbeit "Punti di vista"
"Das Interesse für Kunst war bei mir früh da. Im Gymnasium wurde ich von meinem Zeichen- und meinem Musik-Professor sehr gefördert. Sie entdeckten in mir, was mir selbst nicht bewusst war - so begann ich zu Malen und mit Schauspiel. Mit 14 wollte ich an die Kunstschule, was aber vom Elternhaus her nicht möglich war. So kam ich in die Lehrerbildungsanstalt in Brixen, musste dort aber nach zweimaligem Wiederholen einer Klasse gehen. Schließlich wechselte ich an die Graphische in Brixen, wo ich maturierte.
Danach ging ich nach Wien und machte die Aufnahmeprüfung an der Angewandten. Mit der Fotografie habe ich mit 16 begonnen und zunächst mit der alten Kamera meines Vaters experimentiert. Mir gefiel die Möglichkeit, relativ schnell zu Ergebnissen zu kommen", erzählt Benjamin Tomasi, der aus Völs am Schlern in Südtirol stammt, Jahrgang 1978, und seit dem Jahr 2000 an der Angewandten bei Gabriele Rothemann am Institut für Bildende und Mediale Kunst Fotografie studiert hat.
Im Rahmen eines Erasmus-Stipendiums erfüllte sich 2004 ein Traum des Nachwuchs-Künstlers: "Ich wollte schon immer nach Island. Mein Bezug kam über die Musik. Aber natürlich hatte ich Trugbilder von diesem Land - die Realität sieht ganz anders aus. Die Lehrer an der Listahusskolin in Reykjavik haben mir Türen zu anderen Welten geöffnet", so Tomasi, der im Juni 2008 sein Studium abgeschlossen hat.
Von Verbindung Technik - Experiment fasziniert
"Vor allem die Verbindung aus Technik und Experiment fasziniert mich. Ich fotografiere kaum in der Landschaft, sondern meist ist es ein langer Prozess, der auf verschiedenen Skizzen und Zeichnungen basiert", erläutert Tomasi.
"Derzeit ist mein Hauptmedium das Audio. Dazu kam ich einerseits durch die Musik, da ich Hobby-Musiker bin, andererseits entdeckte ich, als ich mit U-Musik im Ohr durch das Kunsthistorische in Wien ging, dass ich die Bilder intensiver wahrnahm. Bei der Plastik fasziniert mich vor allem die Möglichkeit, aus Alltagsgegenständen etwas zu formen. Das hat eine gewisse Haptik hat, die ich in der Fotografie oft vermisse."
Diplom mit zweiteiliger Arbeit "800/20" ...
Mit seiner zweiteiligen Abschlussarbeit "800/20" und "Zwei zwei Zweier" war Benjamin Tomasi im Rahmen der Diplom-Ausstellung, die am 17. Juni 2008 an der Angewandten eröffnet wurde, vertreten.
Bei der Installation "800/20" wird das Flackern einer Kerze durch einen Schlitz in eine ihr gegenüberstehende Box geworfen. In dieser sitzt ein Lichtsensor, der die Informationen der flackernden Kerze an einen Mikroprozessor weiterleitet. Dieser Mikroprozessor übersetzt die Informationen in elektrische Impulse, die durch einen VCO laufen, der diese in eine Sinusschwingung umwandelt. Der Subwoofer gibt den Sinus Ton aus und bringt die Kerze durch den entstehenden Luftdruck erneut in Bewegung. Der Kreislauf schließt sich - anscheinend.
Der eigentliche "Beobachtungsgegenstand", das Flackern der Kerze, wird von der wechselseitigen Umcodierung visueller und akustischer Daten sowie deren möglicher struktureller Verschaltung gebildet. Interessant sind dabei nicht die "Resultate" der Maschine oder des Programms, sondern deren intrinsischer Prozess der Übertragung und Transcodierung, schlicht: die Konvertierbarkeit von Information.
... und "zwei zwei Zweier"
Die Videoinstallation "zwei zwei Zweier" zeigt auf zwei einander gegenüberstehenden Monitoren jeweils einen jungen Mann während des Gähnens. Der Teilnehmer sollte sich eine definierte Zeit lang auf das Gähnen konzentrieren und dabei in die Kamera blicken. Nachdem die Zeit um war, sah er sich in einem zweiten Schritt auf einem Monitor selbst beim Gähnen zu und sollte, während ihn die Kamera filmte, zu sich selbst dazu Gähnen.
Die beiden daraus resultierenden Videos sind so geschnitten, dass sie einen Loop ergeben. Einer der beiden Loops ist jedoch zeitlich länger als der andere. Somit ergibt sich in der schlussendlichen Installation per Zufall immer wieder ein neues Gähn - bzw. Kommunikationsmuster. Es entsteht ein absurdes Wechselspiel zwischen einem maschinellen Zufallssystem und einem quasineurologischen Zufallsexperiment.
Bei "Infiltration" im Künstlerhaus Graz
Davor war Tomasi im November 2007 bei der PRINZGAU/podgorschek-Schau "Infiltration. Weg mit dem Ziel! Teil 2" im Künstlerhaus Graz mit Arbeiten vertreten.
(K)ein Roter Faden?
"Den Roten Faden habe ich selber noch nicht entdeckt. Bezeichnend für meine Arbeiten ist, dass es viele Materialien und verschiedene Zugangsweisen gibt. Die ständige Veränderung ist vielleicht ein Roter Faden. Ein anderer ist die Beschäftigung mit dem inneren Bild", erklärt Tomasi.
Mit "Dusche" bei "Open 2006" in Venedig
Tomasis Installation "Dusche" wurde im bei der "Open 2006", einem Festival für Kunst im öffentlichen Raum, das zeitgleich mit der Biennale in Venedig stattfand, gezeigt. Bei dieser Arbeit, bestehend aus einer Duschtasse mit Duschstange, einer Brause sowie mit einer Unterwasserpumpe ausgestattet, wird das Wasser ständig von unten nach oben gepumpt.
"Meine Idee war: mit einer Dusche reinigt man sich normalerweise. Da hier aber Kanal-Wasser verwendet wird, wäre man nach dem Gebrauch schmutzig. Letztlich wurde es ein Biotop für Fische und Algen - eine perfekte Komplettierung, die Natur hat sich das Kunstwerk einverleibt."
Audioinstallation "Punti die Vista"
Eine andere wichtige Arbeit des jungen Künstlers ist die Audio-Installation "Punti die Vista", was soviel wie viele Standpunkte bedeutet. Sie besteht aus zwei leeren weißen Rahmen mit jeweils einem Kopfhörer. Hier geht es um René Magrittes berühmtes Bild "La trahison des images (Ceci n’est pas une pipe)", eines seiner berühmtesten Werke, aus dem Jahr 1928.
"Ich habe das Bild aus dem Netz gezogen, es etwa auf das Ausmaß des Magritte-Originals vergrößert, alle Farbwerte separiert und sie in mit allen Nebengeräuschen aufgenommen. Das klingt wie '25 Pixel, 22 Prozent Zyan, 15 Prozent Magenta' und so weiter. Das gleiche Bild habe ich wieder übersetzt, mit Hilfslinien einen Raster gebaut, mich bis kurz vor die Pixel hineingezogen und begonnen, über Farben und Formen zu schreiben. Es geht hier um die surreale Bedeutung von Magrittes Aussage, dass die Pfeife auf dem Bild nur ein Bild von einer Pfeife ist. Ich habe mich nun gefragt: Wenn es nur ein Bild einer Pfeife ist, was ist dann die Datenmenge davon? Auch der Begriff des Originals ist ein Thema - beim Digital-Bild gibt es ja kein Original und keine Kopie."
Gruppen- und Einzel-Ausstellungen
Seit 1999 war Tomasi, der 2005 eine Künstlerförderung des Landes Südtirol erhielt, an zahlreichen Gruppen-Ausstellungen beteiligt: darunter in der Wiener Galerie Celeste (1999), im Heiligenkreuzerhof (2000), bei "Sandkreis" in Gröden/Val Gardena (2001), bei "48 h" in der Wiener Galerie König 2003), bei "Facing Photography" in der Wiener Galerie Westlicht, bei "Rien ne va plus" im Heiligenkreuzerhof, bei "Ese" der Listahusskolin in Reykjavik (alle 2004), in der Kunstakademie Münster (2005), beim "Full Frame Festival" im Wiener Schikaneder, bei "P1", bei der "Open 2006" in Venedig, bei "Franz jagt Urselbein" in der Wiener Galerie Licht im Raum sowie bei "Seemann lass das Träumen" in der "Plattform Quelle Wien (alle 2006).
2006 hatte der Nachwuchs-Künstler sein ersten Einzel-Ausstellungen: die Schau "Electro" bei Elektro Gönner in Wien sowie "Skafbylur" im Wiener Swingr. Im Februar 2007 zeigte er seine Arbeiten in der Schau "Die Dinge verschwinden" in der Wiener Galerie ArtBits. "Es war meine erste große Einzel-Schau", so Tomasi.
In "Visioni del Giovane Sudtirol"
Inzwischen gibt es auch bereits Publikationen über Tomasi: so im "The Essence 2002"-Katalog der Angewandten, im Katalog des Instituts für bildende Kunst der Angewandten (2005), in "Fotografie an der Angewandten" in der Fotohof Edition 2006, in "UN ERHÖRT. Visionen des jungen Südtirol" (zweisprachig) in der Edition Raetia (2006) sowie im Katalog der "Open 2006"-Katalog.
Unabhängig produzieren können
Und wie lautet der größte berufliche Zukunftswunsch des jungen Absolventen?
"Ich wäre gerne in der Lage, wirtschaftlich so unabhängig zu sein, dass ich autonom produzieren kann", so Benjamin Tomasi.
Die Ö1 Talentebörse ist ein Kunstförderprojekt mit Unterstützung der Bank Austria.
Kontakt
Benjamin Tomasi
Buch-Tipp
Angelika Burtscher, Thomas Kager (Hrsg.): "UN ERHÖRT - Visionen des jungen Südtirol / Pre Visioni del Giovane Sudtirolo", zweisprachige Ausgabe, 204 Seiten, Edition Raetia 2006.
Links
Universität für angewandte Kunst Wien
Arte Communications – Open 2006
Galerie Artbits - Benjamin Tomasi - Die Dinge verschwinden
KunstNet - Galerie König
Edition Raetia
Galerie Raum mit Licht
Kunstakademie Münster
Künstlerhaus Graz
MAK
Plattform Quelle
Reykjavik
SWINGR
Westlicht