Das Kulturhauptstadtjahr geht zu Ende

Sibiu 2007

Die einstige Hauptstadt der Siebenbürger Sachsen, Hermannstadt beziehungsweise Sibiu, ist 2007 Europäische Kulturhauptstadt, und zwar gemeinsam mit Luxemburg. Eine Bilanz, was dieses Jahr dem dortigen Kulturleben auf Dauer bringen könnte.

Vor 15 Jahren, da lag über Sibiu noch so etwas wie der Grind einer hässlichen Zeit, der Ceausescu-Zeit. Mit fortschreitender Renovierung gewann die Stadt ihr enormes Flair zurück. Hermannstadt mit seinen gotischen und barocken Bürgerhäusern verwandelte sich zurück in eine der schönsten von Deutschen erbauten Städte, diejenigen in Deutschland eingeschlossen.

Jedoch, so ein Flair ist empfindlich, und im Kulturhauptstadtjahr 2007 hat es sich ein wenig dünn gemacht. Aber das wird schon wieder. Die Fahnen mit dem biederen Kulturhauptstadtlogo werden ja bald wieder abgehängt. Und die teils ähnlich biedere Kunst im öffentlichen Raum hat auch ein Ablaufdatum.

Nur 15 Millionen Euro Budget

Bisher wurden 750.000 Touristen gezählt, die Veranstaltungen besuchten. Das bedeutet eine Verdoppelung gegenüber dem Jahr davor; damit haben sich die Hoffnungen der Veranstalter erfüllt. Zum Vergleich: Nach Graz kamen im Jahr 2003 ungefähr drei Mal so viele, aber das kleinere Hermannstadt hätte so viele Besucher gar nicht aufnehmen können, schon allein vom Hotelangebot her.

Auch das Kulturhauptstadt-Budget hört sich nach relativ wenig an: zehn Millionen Euro für Veranstaltungen, zusätzliche fünf Millionen vom Kulturministerium für Renovierungen im Stadtzentrum. Aber für rumänische Verhältnisse sei das eine ganze Menge, erklärt der Projektverantwortliche Rares Craiut. Die schlichte Tatsache, dass noch nie in ein Kulturprogramm außerhalb Bukarests so viel Geld geflossen sei, schaffe seiner Ansicht nach einen positiven Präzedenzfall für Rumänien.

Die Sammlung Brukenthal

Wohl der Hauptgrund, dass Sibiu den Zuschlag als Kulturhauptstadt bekam, war das Brukenthalmuseum. Baron von Brukenthal, Diplomat am Hof Maria Theresias und dann Gouverneur von Siebenbürgen, legte im späten 18. Jahrhundert eine der erlesensten Kunst-, Bücher- und Naturaliensammlungen seiner Zeit an - und vermachte sie nach seinem Tod der evangelischen Kirche, mit der Auflage, eine Stiftung einzurichten, damit die Sammlung nicht auseinandergerissen würde. Allein die Gemäldekollektion umfasst etwa einen der größten Bestände flämischer Malerei außerhalb Belgiens.

19 der wertvollsten Bilder wurden während der kommunistischen Zeit ins Nationalmuseum in Bukarest transferiert, darunter ein Rembrandt, ein Brueghel, oder Jan van Eycks "Bildnis eine Mannes mit blauer Kopfbedeckung", eines der faszinierendsten und für seine Zeit innovativsten Porträts, die je gemalt wurden. Nach langem Tauziehen hat Hermannstadt diese Schätze zurückbekommen. Sie werden nun separat gezeigt, unter dem Motto "Meisterwerke aus der Sammlung", in abgedunkelten Räumen hängen sie hinter Sicherheitsglas.

Die grell hinterleuchteten Aufschriften stören genauso die Beschäftigung mit den Gemälden wie das Blinken der Alarmanlagen in den Vitrinen, das man natürlich von außen nicht sehen sollte, was aber der Fall ist. Die übrige Sammlung, darunter etwa ein Cranach-Gemälde, hat man wie "unter ferner liefen" in kleineren Räumen etwas lieblos aneinandergereiht.

Zeitgenössische Kunst (un)erwünscht

Das Brukenthalmuseum bildet einen ganzen Museumsverbund, zu dem auch eine Galerie für zeitgenössische Kunst einige Straßen weiter gehört. Dort hat die auch im Ausland erfolgreiche Kuratorin Liviana Dan heuer prominente Künstler wie etwa Jonathan Meese zeigen können. "Das Publikum weiß jetzt, dort passiert etwas, dort wird man etwas Neues machen", erzählt sie. "Zu jeder Ausstellung kommt immer mehr Publikum." Und auch die Politiker von Sibiu besuchten die Galerie. Sie hätten verstanden, dass sich eine Stadt ohne zeitgenössische Kunst nicht modern nennen kann, meint Dan.

Gegenüber dem Generaldirektor des Brukenthalmuseums, Sabin Luca, hat ihr das nichts geholfen. Bis April leitete Liviana Dan den gesamten Sektor "Bildende Kunst", dann wurde sie zwar nicht entlassen, aber dieses Postens enthoben. Anlass war eine Ausstellung des rumänischen Künstlers Dumitru Gorzo. Seine Gemälde und großformatigen bemalten Holzreliefs sind ein geradezu unbändiger Remix von Elementen traditioneller Bauernkunst mit zeitgenössischen visuellen Formen. Die Schau war ein Publikumserfolg und wurde von einem renommierten rumänischen Kulturmagazin zur Ausstellung des Jahres gekürt, aber in ein paar Lokalzeitungen wurde dagegen polemisiert. Nach einigen Monaten wurde Dan ihrer Funktionen enthoben. Als sie nach dem Grund fragte, bekam sie von Direktor Luca zur Antwort: entweder du oder ich, erzählt sie.

Liviana Dan ging nach ihrer Absetzung vor Gericht und bekam Recht. Das Museum hat dem Urteil aber bisher nicht Folge geleistet. Liviana Dan ist jetzt Leiterin der Sektion "Zeitgenössische Kunst", aber eben nicht die Kunstsammlung als Ganzes. Inzwischen wurden die Führungsstrukturen und damit die Voraussetzungen für den Posten geändert, was rechtlich während eines laufenden Gerichtsverfahrens gar nicht sein dürfte, aber Direktor Sabin Luca verschanzt sich hinter dem Minister, der hätte das befohlen und wie könnte er sich dagegenstellen, der Minister finanziere doch das Museum, und im Übrigen erklärt er: "Ich als Manager betrachte das Thema für beendet."

Keine "Nachhaltigkeit"

Dan Perjovschi, der Künstler, der es mit seinen cartoonartigen Zeichnungen bis in Museum of Modern Art in New York geschafft hat, hat die Vorgänge im Brukenthalmuseum von fern beobachtet und kann sich gar nicht genug darüber ärgern. Er glaubt außerdem, dass der Faktor "Nachhaltigkeit" im Programm von Sibiu 2007 fehlt. Keine einzige neue Kulturinstitution sei geschaffen worden, kritisiert er.

Eines der interessantesten Kulturhauptstadt-Projekte findet man jedoch an der Peripherie: Eine Heizzentrale in einer Wohnblocksiedlung wurde vom deutschen Kulturzentrum zur Medienkunsthalle umfunktioniert. Sogar Jonathan Meese hat sich dort ins Gästebuch geschrieben.

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