Jeder ist sich selbst der Nächste
Vom Geist der Gesetze
Georg Oswald zeigt in seinem neuen Roman eine Gesellschaft, in der jeder im Grunde nur sich selbst der Nächste ist. Ein durchaus gesellschaftskritisches Werk also, das sich aber dennoch erfrischend leichtfüßig präsentiert.
8. April 2017, 21:58
"Also ich glaube, dass wir in einer Gesellschaft leben, die Recht immer mehr als die Möglichkeit, eigene Interessen durchzusetzen, versteht, und nicht mehr als eine Idealvorstellung des Ausgleichs", meint Autor Georg Oswald.
Genau dieses Problem behandelt der Münchner Jurist und Autor Georg M. Oswald in seinem neuen Roman. "Vom Geist der Gesetze" lautet der von keinem Geringeren als Montesquieu entlehnte Titel, und um Gesetze geht es auch - oder besser: um den Umgang mit diesen Gesetzen.
Ein Bagatellfall wird zum Drama
Der Landtagsabgeordnete Kurt Schellenbaum hat sich mit einem Talkshow-Auftritt ins Gespräch gebracht und sieht eine vielversprechende Zukunft vor sich. Voller Elan beschließt er am nächsten Morgen, seinen Dienstwagen selbst zu steuern, verbannt seinen Chauffeur Raab auf den Rücksitz - und überfährt prompt den jungen Drehbuchautor Ladislav Richter. Schellenbaum handelt rein instinktiv: Er weist Raab an, sich um den Verletzten zu kümmern und ihn mit einer kleinen Geldsumme zu beschwichtigen.
Aus dem scheinbaren Bagatellfall entwickelt sich jedoch bald ein brisantes Polit-Drama, denn Staatsanwalt Gero Wolf hat die Nummer des Unfallwagens ausfindig gemacht und ist nicht bereit, die Sache so einfach auf sich beruhen zu lassen.
Gesellschaft ohne Moral
Oswald zeigt eine Gesellschaft, in der es nicht um Moral, sondern um Macht geht und in der jeder im Grunde nur sich selbst der Nächste ist. Ein durchaus gesellschaftskritisches Werk also, das sich aber dennoch erfrischend leichtfüßig präsentiert, denn Oswald verpackt seine Botschaft in eine Satire, karikiert unverfroren sowohl die Münchner Schickeria als auch den bayerischen Politikbetrieb und macht sich nicht zuletzt auch über die Juristerei lustig.
Oswald sieht keinen Gegensatz zwischen der wenigstens auf den ersten Blick trocken anmutenden Rechtswissenschaft und seiner Lust am Schreiben. Im Gegenteil: Nach mehreren Romanen kann sich Oswald das eine ohne das andere kaum mehr vorstellen: "Ich glaube, dass es im Grunde eher ein Versuch ist, sich der Welt über die Sprache und über Begriffe zu nähern, auf ganz verschiedenen Wegen, aber ich habe manchmal das Gefühl, das befruchtet sich auf gewisse Weise auch."
Humorvoll und launig
"Vom Geist der Gesetze" ist eine eigenwillige, aber charmante Mischung aus Trivial- und anspruchsvoller Literatur. Oswald schreibt stringent und einfach, nicht die Abstraktion ist sein Ziel, sondern die Erzählung als solche. Humorvoll und launig kommt diese Erzählung daher, nicht kunstvoll verschlungen, sondern offen und anschmiegsam, dennoch hat auch Oswalds Stil seine Finessen.
Das wunderbar bösartige Spiel mit Schein und Sein löst sich schließlich zur allgemeinen Befriedigung wenigstens der Protagonisten, die alle mehr oder weniger heil aus der Sache herauskommen. Die unterhaltsame Maske des Romans darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Oswald ein ernsthaftes Anliegen verfolgt - und gerade dieses Anliegen ist es, das sein Buch zu etwas Besonderem macht.
"In dem Moment, wo man sich aus dem Buch eine gewisse Verunsicherung holt, was die Herstellung von Wahrheiten betrifft, von Tatsachen, auch von Behauptungen, die einem als bare Münze verkauft werden, dann wäre schon viel erreicht", so Oswald. "Wenn man sich dann in diese Zusammenhänge gerade der Justiz aber auch der Politik begibt, wo ja ständig so getan wird, als würde durch bestimmte Verfahrensweisen dann das, was man als Wahrheit zu verkaufen sucht, legitimiert, dass das eben weitgehend eine Illusion ist, das kann man vielleicht aus dem Buch mitnehmen und wenn das der eine oder andere tut, dann wäre es mir nur recht."
Hör-Tipp
Ex libris, Sonntag, 25. November 2007, 18:15 Uhr
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Buch-Tipp
Georg Oswald, "Vom Geist der Gesetze", Rowohlt Verlag