Wer gewinnt und wer verliert?
Die Welt der Manager?
Europa wird gerne als Projekt der Eliten bezeichnet. Denn es sind die Eliten, die von der Wirtschaftsgemeinschaft profitieren. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. In der EU gelten 16 Prozent der Menschen als arm.
8. April 2017, 21:58
Die Wirtschaftselite, das sind die Top-Manager und Eigentümer großer Unternehmen. Doch die Manager haben nicht nur Macht im Unternehmen. Die Elite - das ist ein Begriff für Personen, die durch ihre Position in der Lage sind gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich zu beeinflussen. Spitzenmanager treffen Investitionsentscheidungen, sie bauen Personal ab und verlagern Standorte - sie bestimmen das Schicksal ganzer Regionen.
Wer ist die Wirtschaftselite?
Der Soziologe Michael Hartmann hat sich angesehen, wer diese Wirtschaftseliten in Europa sind. Er hat in seinem Buch "Eliten und Macht in Europa" im Campus Verlag eine internationale Vergleichsstudie angestellt.
"In allen großen europäischen Ländern- in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien und Italien kommt jeder zweite diese Spitzenmanager aus den oberen fünf Promille der Gesellschaft, der Upper-Class oder dem Großbürgertum", sagt Hartmann.
Die Manager vertreten natürlich die Interessen des Bevölkerungsteils, aus dem sie stammen. Gerade mal ein Siebentel der Führungsriege stammt aus der breiten Bevölkerung. Doch diese Aufsteiger passen sich sehr schnell an. Der Großteil der Elite hat eine deutliche Distanz zum Rest der Bevölkerung, sagt Hartmann. Und zu deren Sorgen.
Während die Masse verarmt, scheffeln die Spitzenmanager Millionen. "Das oberste Fünftel der Bevölkerung hat heute ein fast fünfmal so hohes Einkommen wie das unterste Fünftel", so Hartmann in seinem Buch. Wenn die Kluft zwischen arm und reich so deutlich wächst, stellt sich die Frage: wer beeinflusst diese Entwicklung?
Naomi Klein "Die Schock-Strategie"
Die Journalistin Naomi Klein hat mit ihrem Buch "Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus" eine Antwort gefunden. Es war der Ökonom Milton Friedman, der mit seinem Wirtschaftsmodell die Reichen noch reicher machte. Er wollte den Markt vom Staat befreien. Milton Friedmans "Schockdoktrin" sagt: Nur in einer Krise kann der Markt vom Einfluss des Staates befreit werden. Die Krise ist bestenfalls ein Krieg oder eine Naturkatastrophe wie ein Tsunami. Dann kann das Privatisierungskonzept, das längst für alle Länder in der Lade liegt, endlich hervorgeholt werden.
Friedmans Krieg gegen den Wohlfahrtsstaat und starke Regierungen versprach eine neue Quelle raschen Reichtums - nur dass diesmal nicht die Eroberung neuer Territorien anstand, sondern der Staat selbst das Pionierland war, seine öffentlichen Dienstleistungen und seine Vermögenswerte für einen Bruchteil ihres Wertes versteigert wurden. (Naomi Klein, "Die Schock-Strategie)
Nutznießer des Katastrophenkapitalismus ist die Wirtschaftselite. Das bestätigt auch der Soziologe Michael Hartmann mit seinen Studien über die Folgen der Privatisierung für die Chefetage. "Das Führungspersonal hat in der Regel als eine der ersten Maßnahmen die eigenen Bezüge drastisch angehoben."
Krieg gegen die Gewerkschaften
Der Krieg für den freien Markt muss zu einem Krieg gegen die Arbeiterschaft, der einzigen Gegenmacht, der Gewerkschaft werden. Andere Gegenkräfte gibt es in größerem Umfang nur in Frankreich, wo es eine Tradition des Aufstandes auf der Strasse gibt.
Frankreich nimmt eine Sonderstellung ein, wie sich gerade jetzt wieder angesichts der umstrittenen Pensionsreform zeigte. Gleich mehrere Gewerkschaften riefen zu landesweiten Streiks auf. Auch hier - wie es Naomi Klein penibel für alle Länder auflistete - soll der öffentliche Dienst massiv gekürzt werden und die Beitragszeiten für die Pension verlängert werden. Wer Klein gelesen hat, wird sich nicht wundern, dass Frankreichs Präsident Nicolas Sakozy sich gleichzeitig eine satte Gehaltserhöhung genehmigte - um sagenhafte 140 Prozent.
"Ohne massive Druck seitens der Bevölkerung wird sich an dem augenblicklichen Kurs, der die sozialen Unterschiede in Europa weiter verschärft, nicht viel ändern", schreibt Hartmann. "Warum sollten die Eliten auch etwas ändern. Sie profitieren ja durchweg von der jetzigen Entwicklung. Das demonstrieren nicht nur die allgemeine Einkommensentwicklung und die massive Anhebung der Topmanagereinkommen in der Privatwirtschaft."
Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 2. Juli 2008, 21:01 Uhr
Buch-Tipps
Michael Hartmann, "Eliten und Macht in Europa. Ein internationaler Vergleich", Campus Verlag
Naomi Klein, "Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus", S. Fischer Verlag.