Ringvorlesung an der Wiener Wirtschaftsuni

Ethik und Wirtschaft

Ethik als Richtschnur für wirtschaftliches Handeln gilt vielen als realitätsfern und wirtschaftsfeindlich. Wirtschaftlicher Erfolg wiederum gilt vielen als alles, nur nicht als von ethischen Grundsätzen getragen - eine Vorlesungsreihe der WU Wien.

Wirtschaft und Ethik - zu diesem Themenkomplex veranstaltet das Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Wiener Wirtschaftsuniversität dieses Semester eine Ringvorlesung. Zu Wort kommen Wissenschafter aus den Bereichen Wirtschaft und Philosophie sowie Praktiker aus der Wirtschaft, Unternehmer und Führungskräfte.

Ökonomischer Imperialismus

Der Wiener Philosoph Peter Kampits kommt in seiner Vorlesung zur Erkenntnis, dass das Ökonomische immer mehr als das Entscheidende in unserem Leben angesehen wird. Es gibt bereits so etwas wie den ökonomischen Imperialismus. Marktwirtschaftlich geprägte Werte werden auch immer mehr auch zu moralischen Werten.

Moral ist eine Anzahl von Regeln zum Zweck des möglichst reibungslosen Zusammenlebens. Moral ist veränderbar, nach Kulturkreis und nach Zeitalter. Man kann, ohne etwas zu hinterfragen, ein völlig moralisches Leben führen, wenn man sich nur an die vorgegeben Regeln hält.

Die Theorie hinter der Moral aber ist die Ethik. Nach Aristoteles ist Ethik das Streben nach einem rundum guten und geglückten Leben mit einem Katalog entsprechender Tugenden.

Für Immanuel Kant soll das eigene Handeln so beschaffen sein, dass es zu einem allgemeinen Gesetz werden kann, und Menschen sollen nie Mittel, sondern immer nur Zweck des Handelns sein – also, wenn man so will, ein Instrumentalisierungsverbot.

Geringe Handlunsrelevanz

Aber, so Peter Kampits, als praktische Anleitung zum Handeln taugen diese Theorien wenig. Zum Beispiel bei der immer wieder gestellten Frage: Soll ein Unternehmer Leute entlassen, wenn er meint, so seinen Betrieb im Fall von Schwierigkeiten zu retten und mit deutlich weniger Leuten weiterführen zu können? Da hilft höchstens der Utilitarismus, also jene philosophische Richtung, die nicht das Motiv, sondern den Erfolg misst: Nämlich so zu handeln, dass es dem Wohl einer möglichst großen Anzahl von Menschen dient.

Das theoretische Rüstzeug für ethisches Handeln in der Wirtschaft ist also dürftig. Haben doch die recht, die sagen, Ethik hat in der Wirtschaft nichts verloren, es reichen Gesetze, um Auswüchse des Konkurrenzkampfes oder der Globalisierung oder des Ausspielens wirtschaftlicher Stärke zum Schaden der Schwächeren hintan zu halten?

Nein, sagt Peter Kampits, denn Wirtschaft betritt oft Neuland, in dem es noch keine Gesetze, noch keine Regeln gibt, auch keine moralischen Richtlinien, Stichwort Globalisierung. Da solle man sich doch - ähnlich wie in der modernen Medizin - die Frage stellen, ob man alles tun soll, was man tun kann. Denn vom ethisch motivierten Empfinden, dass etwas der Umwelt und/oder anderen Menschen schaden könnte, bis hin zu Gesetzten, die das regeln, ist es oft ein weiter Weg: Noch vor Jahrzehnten hat niemand etwas dabei gefunden, wenn Industriebetriebe ihre Abwässer ungefiltert in die Flüsse geleitet haben, heute werden sie dafür bestraft. Zumindest bei uns in Europa.

Plädoyer für ethische Grundsätze

Peter Kampits zieht daraus den Schluss, dass ethische Grundsätze wieder mehr in die Wirtschaft einfließen sollten. Ethik und Ökonomie sollten wieder in ein Gleichgewicht gebracht werden. Wobei er an die Philosophen appelliert, sich weniger an der Wirtschaftstheorie zu orientieren, sondern an den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten.

Peter Kampits schließt mit einem Zitat von Gabriel Laub: Streng nach ethischen Kriterien können nur Menschen außerhalb ökonomischer Zwänge leben: Sehr junge, sehr alte, sehr reiche, sehr arme, Außenseiter und Verrückte. Und Philosophen, die mit Ethik Geld verdienen.

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 30. November 2007, 9:45 Uhr

Links
WU Wien - Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Uni Wien - Peter Kampits