Der Psychotherapeut Stefan Woinoff im Gespräch
Erfolg macht Frauen einsam
In Österreich leben 1,4 Millionen Menschen allein. 80 Prozent der Singles befinden sich auf Suche, weil sie sich einen Partner, eine Partnerin wünschen. Welcher Perspektivenwechsel kann Frauen und Männer aus dem Singledasein führen?
8. April 2017, 21:58
"Frauen werden im beruflichen Aufstieg nicht attraktiver."
Während es bei den nach Frauen Ausschau haltenden Männern jene schwer haben, die - was Einkommen, Status und Qualifikation angeht - erfolglos sind, verhält es sich bei Frauen umgekehrt: je höher ihre Bildung und je erfolgreicher im Beruf, desto eher bleiben sie ledig. Immer mehr erfolgreiche, attraktive Frauen finden keinen passenden Partner, mit dem sie ihr Leben teilen und eine Familie gründen können.
Dies hat offenbar nicht nur damit zu tun, dass sich die Auswahlkriterien geändert haben und heute neben Karriereaussichten und Aussehen Qualitäten wie emotionale Intelligenz, Gesundheit und kooperatives Verhalten hinzugekommen sind. Als eine wesentliche Ursache gilt ein archaisches Verhaltensmuster, das auch emanzipierte Frauen unbewusst nach dem überlegenen Ernährer und Beschützer Ausschau halten lässt. Aber je höher Frauen beruflich aufsteigen und je stärker sie selbst sind, desto kleiner wird natürlich der Kreis der potenziellen Kandidaten.
Stefan Woinoff: Es ist so, dass in den letzten 40 Jahren, auch mit der Emanzipation der Frauen, die ich wirklich unterstütze und die eine sinnvolle Entwicklung ist, sich einiges in der Beziehung zwischen Mann und Frau geändert hat. Nur die Beuteschema, eben die Beutekriterien, nachdem sich Männer und Frauen suchen, haben sich kaum geändert. Die Verlierer bei diesem Partnerwahlspiel sind im Grunde die erfolgreichen Frauen.
Michael Kerbler: Bleiben wir bei diesen erfolgreichen Frauen. In den letzten 20, 25 Jahren sehen wir, dass sich immer mehr Frauen sich höher qualifizieren, sich stärker ins Berufsleben involvieren - dort Karriere machen. Das dauert seine Zeit. Wenn man sich anschaut, wer ist denn diese Frauengruppe, über die sie da schreiben, dann beginnt das irgendwo im Alter von 27 Jahren - 30 plus. Das ist die Gruppe der hochqualifizierten Frauen, der selbständigen Frauen, die auch ein gutes Standing haben und die nun in dem Alter, nachdem sie eine sichere Position haben, auf Partnersuche gehen. Ist das richtig?
Woinoff: Das ist richtig. Ich würde dieses Alter noch ein bisschen höher ansetzen. Täglich kommen zu mir in die Praxis Frauen, die haben eine gute Ausbildung, einen guten Beruf - sind da schon ein Stück weit aufgestiegen - sind vielleicht Anfang, Mitte 30; sogar Anfang, Mitte 40. Aber suchen vielleicht erst in dieser Zeit den Partner, den sie brauchen um glücklich zu werden und meist auch mit dem sie eine Familie gründen und Kinder zusammen haben wollen.
Das Problem ist zweifach. Einmal - diese Frauen, ohne dass sie es sich bewusst sind, suchen immer noch nach dem Status "Überlegener Mann". Also der Mann muss beruflich sozusagen noch höher sein, als sie selber und sie verrechnen praktisch ihre eigene berufliche Stellung dabei, auch teilweise gar nicht so bewusst. Die Assistenzärztin will dann mindestens einen Assistenzarzt, am besten einen Oberarzt oder vielleicht einen Chefarzt, um ein sehr banales Beispiel zu sehen. Und natürlich: Diese Frauen werden in dieser Zeit, in dem sie im Beruf sind und schon Karriere gemacht haben, etwas älter.
Das wäre alles im Grunde kein großes Problem, wenn die Männer nicht ein komplementäres Beuteschema haben. Diese erfolgreichen Männer, diese sehr erfolgreichen Männer, die diese Frauen suchen, nehmen vielleicht diese Frau, die auch erfolgreich und schon ein wenig älter geworden ist und ihnen auch gefällt - aber sie haben eine viel größere Auswahl! Weil die Männer schauen sozusagen mehr nach 'unten'.
Kerbler: Altersmäßig.
Woinoff: Altersmäßig, aber auch vom Status. Den Männern ist es eigentlich ganz recht, wenn die Frau sie nicht so überragt im Status, wenn sie nicht mehr verdient wie sie. Das ist die Angst der Männer vor den starken Frauen, wie man es ja immer wieder von den Frauen hört.
Hör-Tipp
Im Gespräch, Donnerstag, 29. November 2007, 21:01 Uhr
CD-Tipp
"Im Gespräch Vol. 7", ORF-CD, erhältlich im ORF Shop