Musikzeitschriften haben es schwer
Wollen Sie Musik lesen?
Kommentieren, kritisieren und analysieren von Musik, das geschieht in Musikzeitschriften. Aber wie steht es um die ökonomische und qualitative Situation von Musikzeitschriften in Österreich? Schon immer galt: Musikzeitschriften hatten es schwer.
8. April 2017, 21:58
Die älteste Musikzeitschrift in Österreich ist die Österreichische Musikzeitschrift. 1946 von Peter Lafite gegründet, dessen kürzlich verstorbene Frau Elisabeth sie weiterführte, mittlerweile ist es schon deren Tochter Marion Diederichs-Lafite. Die ÖMZ, getragen von den Erlösen aus Abonnements, die immerhin in die Tausende gehen, Kooperationen und Subventionen.
Die "ÖMZ" kann auch nicht ohne ehrenamtliche Arbeit auskommen. Sie erscheint monatlich, manchmal zweimonatlich. Aus dem Bedürfnis mit seiner oder ihrer Musikszene zu kurz zu kommen, haben sich in Österreich andere Musikmedien gegründet. "Concerto", zum Beispiel, ein Magazin für Jazz, Blues und World Music, erscheint alle zwei Monate, das nächste Heft am 3. Dezember.
Jazz und improvisierte Musik
"Freistil" gibt es seit 1. Mai 2005, gegründet aus der Unzufriedenheit über die mediale Situation improvisierter Musik aller Schattierungen. Freistil lebt von 250 Abonnenten und Abonnentinnen, von Subventionen und Inseraten.
"Jazzzeit" wiederum erscheint neun Mal im Jahr, ist ebenso getragen von Subventionen des Bundes und gelegentlich der Länder. Der Jazz des Titels ist Ausgangspunkt für ein Themenspektrum, das im Untertitel "Musik und Lebenskunst" heißt.
Internationaler Vergleich
Die Publikumszeitschrift der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien hat gerade in diesem Herbst den Wettbewerb "Best of Corporate Publishing" gewonnen. Die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ist die einzige Musikveranstalterin in Österreich, die ein solch aufwendiges Musikmagazin sich gönnt. Auf Anfrage sagte uns das Wiener Konzerthaus, dass es derzeit Ähnliches nicht plane. Pianist Claus-Christian Schuster kennt Vergleichbares in Holland und Italien: "Die Programminformationen des Conzertgebouw in Amsterdam sind auf einem sehr, sehr hohen Niveau, sind sehr anspruchsvoll und schön gemacht, ohne eben elitär oder hermetisch zu sein. Unione Musicale di Torino hat auch ein sehr, sehr schönes und geschmackvoll und gut gemachtes Publikationsorgan. Da könnte man jetzt dutzende solche Beispiele anführen, die in verschiedenen Abstufungen die Wege zeigen, die sich zwischen diesen beiden vorher genannten Extremen anbieten."
Diskussion der Experten
Für das Ö1 Magazin "Apropos Musik" haben Experten ihres Faches zum Thema Musikzeitschriften diskutiert. Mit dabei: Pia Janke, Germanistin an der Uni Wien mit starkem Hang zur Musik, ehemals Staatsoperndramaturgin; Claus-Christian Schuster, Pianist des Altenberg Trios und in dieser Funktion Verfasser der Programmhefte und Dramaturg der Konzerte; Renald Deppe, Komponist, Musiker und gelegentlicher Musikjournalist.
Pia Janke: Meiner Meinung nach haben die Publikationsformen, die es heute zur Musik gibt, nicht sehr viel mit dem aktuellen ästhetischen Diskurs zu tun. Das hat glaub ich mehrere Gründe, einer ist wohl, dass Musik immer mit dem Unbegrifflichem zusammengedacht wird. Das Sprechen über Musik ist grundsätzlich schwierig, weil man glaubt, dass Musik etwas ist, das man nicht beschreiben kann. Und da flüchtet man sich sehr häufig in musikwissenschaftliche Abhandlungen. Musik wird ja immer mit Gefühl assoziiert, mit Emotionen. Und wie begrifflich kann man dann überhaupt über Musik sprechen. Kann man das auch wirklich in Worte fassen, was man empfunden hat oder geht das auch über diese reine Ebene der emotionalen Erfahrung hinaus?
Renald Deppe: Es sollte vielleicht so sein, dass gute Musik und auch selbst weniger gute Musik für sich selbst stehen kann. Und dass das Wort in Beziehung zum Klang sozusagen ein Sekundärmittel ist. Die Frage, warum es so schwierig ist, Musikzeitschriften am Leben zu erhalten, ist ja kein neues Problem. Jean Paul sagte 1798: Die Welt liebt jetzt Zeitschriften aus Zeitmangel. Weil wir alle, Menschen und Bücher, wie eine fliehende Armee im Laufen sind und wie eine römische nur marschierend essen.
Claus-Christian Schuster: Es ist weltweit ein schwieriges Thema. Es ist auf der einen Seite der Elfenbeinturm der hehren Musikwissenschaft, die sich möglichst so artikuliert, dass derjenige, der nicht vom Fach ist, nach den ersten zwei Absätzen das Handtuch wirft. Und auf der anderen Seite steht der kommerzialisierte, also mit möglichst lasziven Fotos werbende Musikperiodika-Markt. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es ein Betätigungsfeld für so etwas, wie es unsere viel gerühmte Musikvereinszeitschrift ist. Nämlich ein Organ, das auf diese Kinkerlitzchen verzichtet, gleichzeitig aber ansprechend und wirklich informativ gemacht ist. Wo Leute schreiben, die was von der Sache verstehen und gleichzeitig die Gabe haben, sich in einer Weise auszudrücken, dass es dem interessierten Hörer oder der Hörerin durchaus verständlich ist, ohne vorher Lexika konsultiert zu haben, was denn dieser oder jener Terminus Technicus bedeutet.
Janke: Wenn man sich einfach auch mit der Widerständigkeit von Musik oder mit der Verstörung durch Musik befasst und nicht so sehr mit den reinen Formen und den reinen Strukturen oder eben mit den gesellschaftlichen Events, die Musik verursachen, dann ist Musik auch aktuell und zeitgemäß.
Schuster: Es gibt einen Markt, es gibt einen Bedarf der Lesenden, es gibt ein Publikum, von dessen Größe das 18. und 19. Jahrhundert nur träumen konnte. Dieses Publikum möchte informiert werden, möchte angeregt werden, möchte Hörhilfen bekommen. Und daher gibt’s einen relativ großen potenziellen Markt für Musik vermittelnde Publikationsorgane. Und gerade im Blühen dieser Publikationsorgane zeigt sich etwas, das charakteristisch ist für den präzisen musiksoziologischen Moment, in dem wir uns befinden. Wenn ich an die Omnipräsenz des i-Pod in den Straßen denke - das hat es ja früher nie gegeben, dass praktisch fast die Hälfte der Passanten mit ihrer Musikbibliothek herumlaufen. Jetzt mag man über den Stil und die Qualität dieser Musikbibliotheken streiten, aber Faktum ist, dass es ein ganz, ganz breites Hörerpotential gibt. Und das diese breite Hörerschicht ein legitimes und unabweisliches, also sehr starkes und temperamentvoll geäußertes Bedürfnis danach hat, solide und vernünftig und verständlich informiert zu werden.
Was fehlt uns also, wenn wir über Musik lesen?
Janke: Es fehlt uns die Information, was das Ganze soll. Also was Musik eigentlich für uns bedeutet, was Musik für eine Wirkung hat, was Musik auch für eine Verstörung bewirkt oder was sie für eine Schönheit in sich hat. Also all das, was eigentlich der Sinn von Musik ist, das erschließt sich durch eine Akkordanalyse überhaupt nicht.
Deppe: Wahrscheinlich fehlt gar nicht so viel, weil in Spuren immer alles vorhanden ist. Was vielleicht fehlt, ist, dass sich ein Autor Zeit nehmen kann, 60 Seiten zur Situation oder Befindlichkeit des Historismus der österreichischen Popmusik zu schreiben.
Janke: Ich glaube auch, dass die Problematik, sich wirklich mit Musik auseinanderzusetzen in Österreich ganz spezielle Gründe hat. Das ist einfach eine grundsätzliche Diskurs-Aversion in Österreich, die ihre historischen Bedingungen hat. Musik war auch immer etwas Unpolitisches, etwas, das man vielleicht auch aus diesem Grund gefördert hat.
Deppe: Jetzt leben wir in einer Zeit, wo die Zeitschriften wahrscheinlich durch andere Medien auch abgelöst werden. Ob sie nun sie nun besser oder schlechter, schneller oder langsamer sind, treffender oder untreffender, das wird sich zeigen.
Hör-Tipp
Apropos Musik - das Magazin, Sonntag 2. Dezember 2007, 15:06 Uhr
Buch-Tipp
Kursiv, Jahrbuch 2006, "Die Achse des Guten", Verlag: Kursiv
Links
Österreichischer Zeitschriften- und Fachmedien-Verband - ÖMZ
Musikverein - Monatszeitung
Freistil
Concerto
Kursiv
Uni Wien - Pia Janke
Renald Deppe
Altenberg Trio