Ein meisterliches Stück Kriminalliteratur

Hammett

Joe Gores heißt der hierzulande weithin unbekannte kalifornische Autor, dem mit seinem Ende der 1970er Jahre erstmals erschienenen Roman "Hammett" eine grandiose Hommage an Dashiell Hammett und dessen "Hard Boiled"-Krimis gelungen ist.

Ausnahmsweise gehen wir es mal umgekehrt an. Erst das Kino, dann die Literatur. Diesem Buch verdankt die jüngere Filmgeschichte nämlich zweierlei: Zuerst einen veritablen Bauchfleck auf Hollywoods Boden, dann einen in Venedig preisgekrönten Film über eben diese kalifornische Malaise. Beide Male hieß die Hauptfigur Wim Wenders, die handelnde Person und treibende Kraft war allerdings Francis Ford Coppola gewesen, der den deutschen Regisseur 1977 nach Hollywood geholt hatte, um ihn den eben erschienenen Roman "Hammett" verfilmen zu lassen.

Vier Jahre dauerte es, bis der Streifen in die Kinos kam und dort floppte; mehrmals war zuvor das Drehbuch geändert worden, mehrmals hatte Wenders im Auftrag des Produzenten Coppola große Teile des Films neu drehen müssen. Die Abrechnung erfolgte auf dem Fuße und auf Celluloid: "Der Stand der Dinge", Wim Wenders Film über seine ersten Hollywood-Erfahrungen, wurde 1982 bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem "Goldenen Löwen" ausgezeichnet.

Dashiell Hammetts letzter Fall

"Hammett" also hieß der Film, "Hammett" hieß der Roman im amerikanischen Original, "Dashiell Hammetts letzter Fall" hingegen hieß eine erste, schon lange vergriffene Übersetzung ins Deutsche, die Ende der 1970er Jahre im Goldmann Verlag herausgekommen war.

Entweder war der schlichte Titel "Hammett" plötzlich gesetzlich geschützt worden oder - was näher liegt - man hatte damals wenig Vertrauen in die Bildung und Kennerschaft der deutschsprachigen Krimigemeinde und meinte, den Namen des mit Chandler unbestrittenen Altmeisters Hammett mit einem "Fall" im Titel verbinden zu müssen.

Drehbuch-Verfasser für TV-Krimi-Serien

Wie auch immer. Dem Schweizer Unionsverlag und seiner von Thomas Wörtche herausgegebenen Krimi-Reihe "metro" ist nun eine Neuauflage dieser grandiosen Hommage an Dashiell Hammett und dessen "hard boiled"-Krimis zu verdanken. Joe Gores heißt der hierzulande weithin unbekannte kalifornische Autor des Romans; von ihm stammen auch ins Deutsche übersetzte, heute nicht mehr lieferbare Thriller mit trashigen Titeln wie "Mord am Golden Gate" oder "Der Mann aus dem Totenreich". Darüber hinaus hat er Drehbücher für die TV-Krimi-Serien "Columbo", "Kojak" und "Magnum" geschrieben.

Gut möglich also, dass "Hammett" Gores Meisterwerk ist, auf alle Fälle aber hat man es mit einem meisterlichen Stück Kriminalliteratur zu tun, das fern aller Epigonalität die Vorzüge der Hammettschen Prosa mit einer gefinkelten Abhandlung über Literatur und Wirklichkeit in kriminalistischen Gefilden vereint.

Zurück auf die Straßen von San Francisco

San Francisco im Jahre 1928 ist der Schauplatz des Geschehens; Dashiell Hammett hat seine Lehrjahre als Pinkerton-Detektiv schon lange hinter sich: Sein Krimierstling "Rote Ernte" ist gerade in Fortsetzungen im Magazin "Black Mask" erschienen, "Der Fluch des Hauses Dain" ist für den Druck vorgesehen und vom "Malteser Falken" gibt es bereits einen ersten Entwurf.

Hammett schreibt, spielt und trinkt, bis das Detektivleben noch einmal an die Tür seines billigen Untermietzimmers klopft. Ein ehemaliger Kollege und Freund wird in den Straßen von San Francisco zu Tode geprügelt. Im Auftrag eines kommunalen "Reformkomitees" sollte er korrupte Polizisten und Politiker entlarven. Hammett stellt die Schreibmaschine ins Eck und übernimmt den Fall.

Der Rest ist "hard boiled" vom Feinsten; ein glaubwürdiger "plot" mit einer überzeugenden Lösung, dichte Atmosphäre und knappe Dialoge, blonde Vamps und schwere Jungs, sexuelle Perversionen und finanzielle Malversationen. Und nicht nur einmal wünscht sich der Held Hammett im Laufe der Ermittlungen wieder an seine Schreibmaschine zurück, "wo er das Blut unter Kontrolle halten und die Menschen manipulieren konnte".

Wie das große Vorbild

Über den Kriminalschriftsteller Hammett ist viel gesagt und geschrieben worden: von Faulkner und Hemingway bis zu Gide und Malraux reichen die frühen Lobeshymnen. Dass man Jahrzehnte nach dem Erscheinen seiner Romane noch wie das große Vorbild schreiben kann, ohne sich dem Vorwurf des Plagiats oder der Peinlichkeit aussetzen zu müssen, das hat Joe Gores mit seiner Hammett-Hommage eindrucksvoll bewiesen.

Passend zur Adventzeit ist übrigens auch das Motto, das Gores seinem Buch vorangestellt hat. Es stammt von Roosevelts Vorgänger als US-Präsident, dem eher glücklos agierenden Republikaner Herbert Hoover, nicht zu verwechseln mit dem FBI-Hoover, der hieß Edgar: "Im Dunkeln treibt sich alles Mögliche herum, nicht nur der Nikolaus", soll der Präsident gesagt haben.

Vorweihnachtlicher Lektüretipp also: Beginnen Sie mit dem Buch von Gores und arbeiten Sie sich dann nach hinten zurück. Noch einmal zum "Malteser Falken", zum "Gläsernen Schlüssel" und am Ende die "Rote Ernte", denn: Wie hat es der früh verstorbene deutsche Autor Jörg Fauser so treffend formuliert: "Mit Hammett tritt der Kriminalroman in die gesellschaftliche Wirklichkeit und zugleich in die große Literatur".

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Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Buch-Tipp
Joe Gores, "Hammett", aus dem Englischen übersetzt von Friedrich A. Hofschuster, Unionsverlag