In den Spuren der Entdecker

Tirol liegt in der Arktis

Kalt und einsam ist’s auch in den Tiroler Bergen. Aber mit dem Kap Tirol ist das nicht zu vergleichen, denn das liegt in der Arktis. Zwei Innsbrucker haben der Kälte getrotzt und sind in den eisigen Norden nach Franz-Joseph-Land aufgebrochen.

Tirol ist Teil von Wiener Neustadt und Wiener Neustadt ist unbewohnt; nichts als Schnee und Felsen. Keine wirre Vision, Realität. Steht man nämlich am "Kap Tirol" und blickt auf die "Insel Wiener Neustadt" zurück, dann sieht man Berge. Und Schnee. So zeigt es ein historischer Stich aus den 1870er Jahren.

Was man aus diesem Blickwinkel nicht sehen kann (was aber eine Erwähnung wert ist und auf einer detaillierten Landkarte nachzuvollziehen), ist die südlich gelegene Mini-Insel "Klagenfurt". Die Erkunder anno dazumal war recht patriotisch bei der Benamselung der weißen Flecken auf der Landkarte.

Und weiß waren sie buchstäblich, die verschneiten Inseln und frostigen Inselchen, die wir heute als Franz-Joseph-Land kennen. Die eisige Unbekannte hatte in den 1870er Jahren die Arktisforscher Julius Payer und Carl Weyprecht angelockt. Ihre Reise nach Franz-Joseph-Land war Teil einer mehrjährigen k.u.k. Nordpolar-Expedition.

Heißes Eis

130 Jahre später haben die zwei Innsbrucker Christoph Höbenreich und Robert Mühlthaler gemeinsam mit zwei Russen die historische Erkundungsroute nachvollzogen. Frei nach dem Motto "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich". Den Satz hat der Tiroler Berg- und Schiführer Höbenreich wörtlich genommen.

Er durfte ihn auch wörtlich nehmen, denn was ihm im Jahr 2005 von Russland erlaubt wurde, das blieb heuer (ausgerechnet im Internationalen Polarjahr!) österreichischen Wissenschaftern und Wissenschafterinnen verwehrt. Sie erhielten nämlich im letzten Moment und überraschend keine Genehmigung von den russischen Behörden für ihre Forschungen auf Franz-Joseph-Land.

Glück und Fürsprache
Warum also durfte Höbenreich im Jahr 2005? Und warum keine weiteren Österreicher 2007? Die Gegend war in der Zeit des Kalten Krieges Militärsperrgebiet gewesen. Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion taute Russland seinen nordwestlichsten Außenposten nicht wirklich auf. 1997 schließlich wurde Franz-Joseph-Land laut Höbenreich sogar strikt für ausländische Land-Expeditionen gesperrt.

Ob Geschick oder Glück: Der Tiroler hatte Fürsprecher in Moskau und Wien gefunden (kein geringerer als Bundespräsident Heinz Fischer), ein paar Jubiläen stimmten die Verantwortlichen im Jahr 2005 offenbar zusätzliche milde (50 Jahre Staatsvertrag, 60 Jahre Kriegsende) und so erhielt der Tiroler eine einmalige Sondereinreisegenehmigung.

Fellweiß, Schneeweiß, Eisweiß

Die eisige Inselgruppe stellt sich als politisch sensible Region dar. Und als ökologisch sensibel. Weshalb der Tiroler Bergführer Christoph Höbenreich zwei Wünsche hat: dass die Inselgruppe unter internationalen Schutz gestellt wird und dass sie wissenschaftlich erforscht werden darf.

Seine Wünsche untermauern und veranschaulichen will er mit einem neuen, üppig bebilderten Buch über Franz-Joseph-Land: Fotos von Schneewechten, Packeis, einem Eisbären. Man glaubt gar nicht, wie vieltönig die Nichtfarbe Weiß sein kann.

Auf den Spuren der Entdecker

Seine Reverenz erweist Höbenreich aber auch seinen Vorgängern Payer und Weyprecht und stellt deren historische Expedition seinen aktuellen Berichten im Buch voran. Statt Fotos sind in diesem Kapitel 130 Jahre alte Stiche zu sehen und ja: auch Payer und Weyprecht haben Reiseberichte hinterlassen, haben quasi bereits gebloggt.

Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 12. Dezember 2007, 19:05 Uhr

Buch-Tipp
Christoph Höbenreich, "Expedition Franz Josef Land. In den Spuren der Entdecker nach Norden", Verlag Frederking & Thaler