Placido Domingo im Federschmuck
Zwei Opern-"Italiener" aus Brasilien
Zwei Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts, die in Brasilien geboren, aber in Europa ausgebildet wurden, und die hier wie dort Erfolge feierten: Antonio Carlos Gomes und Antonio Francisco Braga. Zwei Komponisten mit ähnlichen Lebensläufen.
8. April 2017, 21:58
Placido Domingo ist im Lauf der Jahre und Jahrzehnte schon in vielerlei Kostüme geschlüpft, eines ist seinen Fans trotzdem ganz speziell in Erinnerung geblieben: der überdimensionale Feder-Kopfputz, den Domingo als nobler Indio-Häuptling Pery vom Stamm der Guarani trug - in "Guarany“ von Antonio Carlos Gomes, bei Aufführungen in Bonn und Washington.
Um den Befreiungskampf der Eingeborenen gegen portugiesische Eroberer geht es in "Il Guarany“, einer Oper, mit der Gomes 1870 in Mailand erfolgreich Giuseppe Verdi herausforderte. Während bei Verdi die leicht merk- und mitsingbaren Melodien allmählich weniger wurden und die Kritik an der angeblichen Infektion durch den Richard-Wagner-Virus stärker, bot der gebürtige Brasilianer Gomes genau das bei Verdi Vermisste: Italianità - und Melodien.
Verdi-Konkurrent Antonio Carlos Gomes
Die ersten beiden Opern des 1836 geborenen Carlos Gomes sind noch in Rio de Janeiro uraufgeführt wurden, eine spätere dann wieder; dazwischen liegen die Jahrzehnte in Italien, zuerst als Student beim Donizetti-Schüler Lauro Rossi, dann als Opernschreiber neben Verdi und Ponchielli und bis hin zu den ersten Erfolgen der Veristen. "Salvator Rosa" hieß eines der Bühnenwerke von Gomes, das in den 1870er, 1880er Jahren weite Verbreitung fand, auch in kleineren Häusern, denen Verdi zu "schwer“ geworden war, "Fosca" ein anderes.
Und der Verdi-Verleger Giulio Ricordi wird zitiert mit den Worten: "Nach dem 'Guarany' hatte Maestro Gomes meine Hochachtung, nach 'Fosca’ hat er meine ganze Bewunderung."
Gesellschaftskritisch - nein, das sind die Opern von Antonio Carlos Gomes sicherlich nicht. Aber ein paar von ihnen thematisieren doch wichtige Episoden aus der brasilianischen Geschichte. "Lo schiavo", also: "Der Sklave", wurde 1889 in Rio uraufgeführt, genau ein Jahr, nachdem man dort die Sklaverei abgeschafft hatte. Tenöre mit Schmelz in der Stimme haben Gomes’ Arien seit jeher geliebt, von Enrico Caruso bis Beniamino Gigli; auch "Lo schiavo" enthält so ein ewig junges Arien-Prunkstück.
Italienisch-brasilianischer Verismo
Ein interessantes Phänomen: Manchmal klingt die Musik von Antonio Carlos Gomes schon nach "Verismo", obwohl Mascagni, Leoncavallo, Puccini noch gar nicht in den Ring gestiegen waren. Genau da knüpfte Gomes’ jüngerer Landsmann Antonio Francisco Braga an: 1868 in Rio de Janeiro auf die Welt gekommen, als Waisenkind im Heim aufgewachsen, mit knapp über 20 per Stipendium nach Paris zur Ausbildung bei Jules Massenet geschickt.
Auch Wien, Dresden, Bayreuth lernte Antonio Francisco Braga auf Bildungsreisen kennen, und seine Oper "Jupyra“ ist auf Capri entstanden. Premiere dieser Dreiecksgeschichte nach "Cavalleria-rusticana“- und "Bajazzo“-Muster, doch in viel raffinierterer Vertonung, sollte an sich auf Deutsch in Deutschland sein, der berühmte Hermann Levi wollte sie dirigieren, dann ging die Uraufführung im Jahr 1900 aber doch nach Rio de Janeiro. Auch Braga selbst kehrte bald darauf nach Brasilien zurück, wurde Lehrer und komponierte daheim in dem romantisch-veristischen Stil weiter, der von Antonio Carlos Gomes vorbereitet wurde.
Columbus-Oratorium "Colombo"
Zu den Schülern des Kompositionslehrers Braga gehörte übrigens Heitor Villa-Lobos, aus mitteleuropäischer Perspektive der wesentlichste brasilianische Musiker des 20. Jahrhunderts, als Opernkomponist Autor einer "Yerma“ nach Federico Garcia Lorca. Villa-Lobos war auch der Dirigent, als 1936, zur 100. Wiederkehr des Geburtstags von Antonio Carlos Gomes, dessen Columbus-Oratorium "Colombo“ zur Oper umgearbeitet aufgeführt wurde - Gomes’ Herzensanliegen, an dessen Umsetzung er selbst gescheitert war.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 20. Dezember 2007, 15:06 Uhr