Kann es schlimmer kommen? Das ist die Frage!

Kosovo 2008

Der Jahreswechsel gibt die Möglichkeit, Bilanz zu ziehen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. Dabei vergisst man oft, dass das neue Jahr nur so gut sein wird, wie das vorige abgeschlossen wurde. Das zeigten auch die Festtagsreden der Politiker.

"Es wird besser sein - weil es schlimmer nicht geht": Mit diesem zweifelnd optimistischen Titel ging die serbische Journalistin Jelena Velinović in "Glas javnosti" ("Die Stimme der Öffentlichkeit") ins neue Jahr. Dabei ist es geradezu merkwürdig, wie wenig Worte serbische Kommentare über die große Last des Jahres 2007, die Last des Kosovo-Problems, verloren haben. Und die wenigen, die den Kosovo erwähnt haben, zeigten ein beträchtliches Manko an politischem Realitätssinn.

Entgegengesetzte Hoffnungen

Einige der befragten Persönlichkeiten, die Jelena Velinović zitiert hat, wie zum Beispiel der Abgeordnete Miroslav Markicevic, sagten, dass Serbien die "schlimmsten Tage hinter sich gelassen hat" und nimmt gerade den Fall Kosovo als eine Bestätigung für seine Behauptung. "Serbien lebt ewig, solange seine Kinder Serbien treu bleiben", so der Abgeordnete pathetisch. Die Kinder, das sind für ihn alle Serben, die sich in der Kosovo-Frage einig gezeigt haben. Ob diese Einheit ein besseres neues Jahr garantiert, bleibt offen.

Die Kosovaren dagegen sind auch optimistisch, richten ihre Hoffnung allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Sie glauben an ihre baldige Unabhängigkeit. Der Präsident des Kosovo, Fatmir Sejdiu, hat in seiner Neujahrsansprache gesagt, dass "der Traum und die Entschlossenheit im Jahr 2008 Wirklichkeit sein werden. 2008 wird das große Jahr der Unabhängigkeit des Kosovo sein".

Auswirkungen auf Bosnien-Herzegovina

Die Geschehnisse im und um den Kosovo üben ihren Einfluss auch auf die Nachbarn aus. Fadil Mandal von der bosnisch-herzegowinischen Tageszeitung "Dnevni avaz" ("Tägliche Stimme") bemerkte in seinem Artikel zum neuen Jahr: "Es hängt von der Vernunft und Vision der Führungspolitiker in Bosnien-Herzegowina, speziell von diesen aus Republika Srpska, ab, ob die zukünftigen Ereignisse in Serbien einen schicksalhaften Einfluss auf Bosnien-Herzegowina haben werden." Doch nach diesem fast optimistischen Glauben an seine "Politiker" fügt er weiter hinzu: "Auf dem Balkan produziert man Geschichte in ungeahnten Mengen und die Geschehnisse, die wichtigen Daten und Jahre holen einander ständig ein." Man höre von vielen Seiten, dass man deswegen sehr vorsichtig sein müsse im Treffen von politischen Prognosen. Eines jedenfalls sei sicher, so Fadil Mandal, dieses Jahr könnte das entscheidende Jahr für Bosnien-Herzegowina und für das benachbarte Serbien werden.

Die Region und die Botschaften
Obwohl Mazedonien an Serbien und Kosovo grenzt, ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger albanisch sind und das Land diesbezüglich sehr abhängig von der Entwicklung in der Region ist, scheint es, dass diese Umstände den Mazedoniern und Mazedonierinnen keine wirklichen Sorgen bereiten. In einer Umfrage der Tageszeitung "Utrinski dnevnik" ("Morgenblatt") äußerten sich mehr als 50 Prozent der Befragten über ihre Erwartungen für 2008 sehr optimistisch. Der mazedonische Premier, Nikola Gruevski, hat seine Mitbürger in ihrer Selbstsicherheit und Selbsteinschätzung, was auch immer das bedeuten mag, bestärkt.

Ähnliche Botschaften "an ihre Völker" kamen auch, was auch nicht überraschen sollte, von Seiten anderer Führungspolitiker aus Südosteuropa. Der montenegrinische Präsident, Filip Vujanovic, und sein kroatisches Pendant, Stjepan Mesic, glauben an wirtschaftliche Prosperität ihrer Länder, und die Albaner zeigen die Hoffnung, sehr rasch in die NATO zu kommen. In Bulgarien ist ein Jahr in der EU feierlich zu Ende gegangen und 2008 verspricht "faszinierend" zu werden, so die Erwartungen in Bulgarien.

Ob dieser Optimismus begründet ist oder nicht, bleibt abzuwarten. Die nicht gelösten Fragen der Vergangenheit sind jedenfalls in der Region stark präsent. Die Erfahrungen lehren, dass es immer noch schlimmer werden kann. Das Kosovo-Problem ist offensichtlich nicht so einfach zu lösen, wie das in den Neujahrbotschaften aller Parteien dargestellt wurde. Vielleicht sollten wir das Jahr 2008 ein bisschen realistischer angehen und versuchen, seine Probleme nicht wieder ins Jahr 2009 zu schleppen.

Hör-Tipp
Europa-Journal, jeden Freitag, 18:20 Uhr