Die Geburt einer neuen Welt
Rom und die Barbaren
Eine große Ausstellung, die nach Venedig auch in Bonn zu sehen sein wird, zeigt mehr als 2.000 kunstvolle Schmuckstücke, Waffen und Alltagsgegenstände von den Völkern nördlich des Rheins und der Donau, die sich im Römischen Reich integriert hatten.
8. April 2017, 21:58
Überrannt wurde das römische Reich von den Barbaren nicht. Diese befanden sich seit Generationen in seinen Diensten und konnten die Macht sozusagen von Innen übernehmen – Eliten aus allen Provinzen wurden in die bürgerliche Gesellschaft aufgenommen oder machten Karriere im römischen Heer. Die Objekte der Schau im Palazzo Grassi in Venedig, die unter dem Titel "Rom und die Barbaren. Die Geburt einer neuen Welt" steht, zeugen von einer großen Integrationsfähigkeit des Römischen Imperiums.
Bei den Römern Schutz gefunden
Als der Ansturm der Hunnen und Awaren aus den Steppen des Ostens auf die Goten stärker wurde, zogen sie es vor, zum Christentum zu konvertieren und bei den Römern Schutz zu suchen, als sich von den Reitern der Hunnen unterwerfen zu lassen.
Ob nun die Römer an ihrer schlechten Handelspolitik untergingen, wegen der Bleirohre ihrer Wasserleitungen unfruchtbar geworden waren, oder die Gefahr der schlecht organisierten Barbaren schlicht übersehen hatten, weil sie ganz auf ihren Feind im Iran konzentriert waren: Diese Schau will mit dem Mythos der grausamen unkultivierten Barbaren - sie nannten sich übrigens in ihren Gesetzestexten selber so - aufräumen. Moralisch gesehen waren die Römer mindestens ebenso grausam, wenn sie zum Beispiel Menschen wilden Tieren zum Fraß vorwarfen.
Könige und Würdenträger
Wie auch Rom sehr rasch die griechischen Götter übernommen hatte, waren auch die Barbaren fasziniert von der römischen Welt. Überall in Museen wie Bratislava oder Warschau sind außergewöhnliche römische Goldschmiedearbeiten ausgestellt, die bei den Ausgrabungen in den Gräbern lokaler Würdenträger gefunden wurden. So ließ sich etwa der Frankenkönig Chloderich 481n.Ch. - kurz nach dem endgültigen Aus für das weströmische Reich - als Barbarenkönig beerdigen, nicht nur mit seinen Waffen und 30 Pferden, sondern auch mit einem Purpurmantel und römischem Geld.
So zeigt die Ausstellung "Rom und die Barbaren" auf, dass Europa nicht nur griechische und römische Wurzeln hat - wie es die Renaissance lebhaft in Erinnerung gerufen hat -, sondern auch barbarische oder germanische. Dass die germanische Identität bisher vor allem von Nationalisten betont wurde, ist für die Ausstellungsmacher kein Problem, für sie ist der Nationalismus aus der Geschichtsschreibung längst gebannt.
Migrationsproblematik
Die vielen Verweise auf die heutige Migrationsproblematik in Europa scheint immer wieder an den Haaren herbeigezogen, sind doch viele der Voraussetzungen schwer vergleichbar. Außerdem ist der Untergang des Römischen Reiches kein wirklich schlagendes Argument für eine Integrationspolitik alla Romana. Auch nicht die Tatsache, dass im Mittelalter Tausende von Menschen an der Pest starben, weil mit dem Fall Roms auch großartige Ingenieursleistungen wie Abwasser- und Abfallentsorgung verloren gingen. Da gibt es einige Widersprüche in dieser Schau, die laut Katalogtexten ein großes Plädoyer für eine gelungene Integrationspolitik sein will
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Palazzo Grassi