Schneller, höher, weiter

Erster Platz und doch nicht Sieger?

In Zeiten des professionellen Spitzensports ist die objektive Bewertung der Leistung essenziell wichtig. Regelwerke diverser Sportarten versuchen, den "Horror vor der Gleichheit" durch gefinkelte Bestimmungen zu verhindern.

Es war ein denkbar knappes Rennen: das 400m Lagenfinale im Schwimmen 1972 bei den Olympischen Sommerspielen in München. Der Schwede Gunnar Larsson und der US Amerikaner Alexander McKee kamen praktisch zeitgleich an, 4 Minuten 31 Sekunden und 98 Hundertstel benötigten beide für die 400 Meter.

Man wollte aber einen Sieger und so wurde die Zeit noch genauer, in Tausendstelsekunden ermittelt. Und da lag Larsson um zwei Tausendstel vor McKee und er wurde zum Olympiasieger gekürt.

Wertungskommission prüfte genau

Aber war Larsson wirklich der Sieger des Lagenbewerbs? Die Wertungskommission prüfte noch einmal genau und maß die Beckenlänge der beiden Athleten. Im Schwimmhallenbau wird für ein 50 Meter Becken ein Toleranzbereich von zwei bis drei Zentimeter zugelassen, die Bahn des Zweitplatzierten McKee war um 0,8 Zentimeter länger als die des erstplatzierten Larsson. Zwei Tausendstel entsprachen aber einem Weitenunterschied von 0,8 Millimeter. In Wirklichkeit ist also der Zweitplatzierte also länger geschwommen als der Erstplatzierte.

Aufgrund dieser Erkenntnis beschloss man zukünftig im Schwimmsport wieder in Hundertstelsekunden zu messen und bei gleicher Zeit zwei Medaillen den Unbesiegten zu verleihen.

Was bedeutet es Weltmeister zu sein?

Der Weltrekord im Hochsprung steht bei 2,45 Meter, aufgestellt 1993 von Javier Sotomayor. Weltrekorde in Disziplinen des Leistungssports wie im Hochsprung müssen genauen Regeln unterliegen. Typischerweise muss die Disziplin in Konkurrenzbewerben durchgeführt werden, wo mehrere Bewerber gegeneinander antreten. Gemeinhin versteht man unter Weltrekord im Hochsprung niemand sonst auf der Welt als eben der Weltrekordhalter hat diese Höhe übersprungen.

Lässt man die spezifischen Bestimmungen, die Wettkampfregeln weg, und fragt sich, gibt es wirklich niemanden auf der Welt, der diese Höhe überspringen kann, gibt es keine klare Antwort.

Abseits der offiziellen Stadien

Im afrikanischen Wahumastamm im heutigen Ruanda übten sich junge Tutsimänner auch in der Disziplin des Hochsprungs, um sich eine Anerkennung als erwachsener Mann von der Gemeinschaft zu erwerben: Gusimbuka Urukiramende nennt sich diese rituelle bewegungskulturelle Tätigkeit.

Um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert übersprangen die Wahuma-Männer die Köpfe staunender deutscher Kolonialisten, wie auch ein Foto aus dem Jahr 1907 belegt - es wurden Höhen von angeblich 2,20 Meter bis 2,50 Meter erreicht. Durchaus möglich also, dass ein junger Mann aus dem Wahumastamm höher gesprungen ist als Javier Sotomayor, aber Weltrekord wäre das natürlich trotzdem keiner.

Es kann nur einen Sieger geben

Durchforstet man die Regelwerke von Sportbewerben, wird man auch kaum Disziplinen finden, wo Männer und Frauen gleichberechtigt an den Start gehen, auch da gäbe es für den Sport ein großes emanzipatorisches Potential. Das hat wohl auch damit zu tun, dass Sport hauptsächlich aus dem Leistungsvergleich kommt, und Sieg und Niederlage die wichtigsten, oft einzigen Kriterien sind.

Eine logische Folgerung der Forderung "sei schneller als alle anderen" ist auch, dass zwei, die gleich schnell waren und unbesiegt sind, nicht den ersten Platz belegen, keiner von den beiden ist der Sieger des Bewerbes.

Und genau da liegt sicher ein Dilemma bei der Bewertung von Sportbewerben: Wie genau soll ich messen, um einen eindeutigen Sieger zu bekommen? Und ist mit einer genaueren Messung dann wirklich die bessere Leistung des Siegers abgebildet?

Generell sieht es aber danach aus, als ob mit zunehmenden Fortschreiten der Digitalisierung Zeiten in noch kleineren Intervallen gestoppt werden und auch Weiten noch genauer gemessen werden.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 4. Februar. 2008, 19:05 Uhr