Die Suche nach Paolo Fresu
Das Mädchen, the Lady, ein Tramp
Die Pianistin und Komponistin Carla Bley sei schon immer eine Lady gewesen, meint Giselher Smekal. Mit ihren Mitmusikern würde sie jedoch umgehen wie ein Tramp, schreibt Smekal, der mit Bley als Journalist und Komponist gearbeitet hat.
8. April 2017, 21:58
Da war sie also wieder, und sie war wie schon immer. So, wie ich sie auch schon vor 35 Jahren kennengelernt habe: mädchenhaft in ihrem Aussehen, eine Lady in ihren Bewegungen und ihrer Ausdrucksweise, während sie mit ihren Mitmusikern umging wie ein Tramp - Carla Bley. Es war am Sonntag, dem 28. Oktober beim Salzburger Jazzherbst 2007. In der Universitätsaula sollte in wenigen Minuten das Konzert beginnen.
Nervös wie ein kleines Mädchen, das gleich ein Gedicht aufsagen sollte, zappelte sie ein paar Schritte in die eine, dann in die andere Richtung. "Hi", sagte ich - und sie antwortete "Oh, Giselher". Mich erstaunte, dass sie mich gleich wiedererkannte: "Oh, no time to talk, I am on another planet!" - Ich verstand und hatte nicht die Absicht zu einer intergalaktischen Kommunikation.
Erste Farb-TV-Produktion des ORF
Das folgende Konzert unter dem Motto "Carla Bley & The Lost Chords find Paolo Fresu" war überwältigend, nicht nur in der momentanen Wirkung ihres Auftrittes und ihrer Musik, sondern natürlich auch, weil ich Carla Bleys Entwicklung besonders verfolgt habe. Der Grund dafür lag darin, dass ich sie 1972 eingeladen hatte, mit ihrem damaligen Mann, Michael Mantler, in der ersten Farb-TV-Produktion des ORF mitzuwirken, in welcher sie auch zwei meiner Kompositionen am Klavier interpretierte.
Damals arbeitete sie an einem musikdramatischen Werk "Escalator Over the Hill", das in seiner Anlage der Verbindung von Jazz und Ethno-Musik einzigartig war. Die Basis dafür war die sogenannte freie Improvisation - vulgo "Free Jazz". Dann aber trennten sich unsere Wege.
Eigener Stil
Carla Bley kooperierte mit Charlie Haden, mit Julie Tippett und Gato Barbieri, mit Don Cherry, und sie entwickelte langsam ihren eigenen Stil, nicht zuletzt gemeinsam mit dem Bassisten Steve Swallow, der ihr Lebenspartner wurde. In diversen Formationen und in ihrer Big Band der 1990er Jahre hat der österreichische Saxofonist Wolfgang Puschnig mitgewirkt.
2006 fasste Carla Bley den Entschluss, mit dem Trompeter Paolo Fresu zusammenzuarbeiten. Eigentlich schien es ganz selbstverständlich, dass die Musik des Italieners die passende Ergänzung zu Carla Bleys Band sein sollte, die sie "The Lost Chords" nannte. Doch es vergingen einige Wochen der Probenarbeit, bis sie eine gemeinsame Basis fanden, speziell zwischen dem Saxofonisten Andy Sheppard und dem Trompeter Paolo Fresu. Niedergeschlagen hat es sich in einer Legende, welche im Booklet des Albums erzählt wird: "Die lange Suche nach Paolo Fresu".
Suche in Managua
Angeblich begann die Suche in Managua, während "The Lost Chords" einen Auftritt in Bogotá hatten. Durch den Dschungel hätten sie sich durchgekämpft, um dann in Guatemala Ciudad zu erfahren, Paolo Fresu wollte Priester werden und sei wahrscheinlich in Rom.
Die folgende Europa-Tournee führte "The Lost Chords" auch nach Neapel, wo sie erfuhren, dass Rom nicht in Rumänien, sondern gleich nebenan liegt. Doch im Vatikan gab es keine Auskunft über Paolo Fresu. - Als sie in einem Klostergarten Rast machten, gab es einen plötzlichen Wirbelwind, sie riefen "Voilà!" - und da stand er vor ihnen: Paolo Fresu.
Eine ideale Ergänzung
Der 1961 geborene Trompeter stammt aus Sardinien und hat schon in den 1980er Jahren mit seinem Trio mit Furio di Castri am Bass und mit dem Schlagzeuger Aldo Romano Aufsehen erregt. Er ist die ideale Ergänzung der "Lost Chords" von Carla Bley, mit dem Saxofonisten Andy Sheppard, dem Bassisten Steve Swallow und dem Schlagzeuger Billy Drummond, die am 28. Oktober 2007 beim Salzburger Jazzherbst aufgetreten sind.
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Hör-Tipp
On stage, Montag, 4. Februar 2008, 19:30 Uhr
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Carla Bley