Ritchie Pettauer über innovative Werbenetzwerke
Geld verdienen im Web 2.0
Mit der steigenden Zahl an Blogs wird der Ruf nach lukrativen Werbeformaten immer lauter. Wenn der Markt keine Werbemodelle anbietet, müsse man selbst aktiv werden, fordern Blogger - und präsentieren Ideen für innovative Bottom-Up Werbenetzwerke.
8. April 2017, 21:58
Zahlreiche Weblog-Autoren gehen ihrer Publikationstätigkeit aus ganz und gar nicht ökonomisch motivierten Überlegungen nach, andere sind von Beginn an darauf bedacht, Einnahmen zu erzielen. Affiliate-Netzwerke bieten Ersteren ihre Vermittlungsdienste an, auch das Google AdWords System kommt häufig zum Einsatz. Beide Werbeformen allerdings beruhen auf Pay-per-Click oder Pay-per-Conversion Modellen. Das bedeutet, dass für den Seitenbetreiber erst dann Gewinne anfallen, wenn tatsächlich jemand auf die betreffende Anzeige klickt oder das beworbene Produkt kauft.
Wirklich lukrativ ist diese Form der Werbung daher nur für wenige Nischenseiten. Wer beispielsweise kontinuierlich über den deutschen ADSL-Markt schreibt, wird viele passende Partnerprogramme finden, bei thematisch breit angelegten Blogs erweist sich dies aber in der Regel als schwierig: Über den Daumen gepeilt sind je nach Thema rund 150 bis 500 Besucher am Tag erforderlich, um die Kosten eines dedizierten Servers zu refinanzieren. Im Durchschnitt weisen deutschsprachige Blogs aber gerade mal ein Zehntel dieser Leserschaft auf.
Im Bereich professioneller Online-Medien dagegen spielt die beschriebene Pay-per-Click Werbung eine untergeordnete Rolle: Schaltagenturen kaufen in der Regel bestimmte Bannerkontingente ein, zugrunde liegende Maßzahl sind die Einblendungen - man spricht von Pay-per-View Modellen. Ähnlich wie bei klassischen Printeinschaltungen respektive Radio- oder Fernsehwerbung bestimmen also Auflage beziehungsweise Quote den Preis.
Solche Banner-Einblendungen oder im Fachausdruck "Pageviews" (engl. für Seitenaufrufe) werden in der Regel in größeren Paketen eingekauft, die je nach Branche in Österreich bei einer halben Million Pageviews, also Homepage-Besuchern, pro Monat beginnen.
Um diese Zahl zu erreichen, müssten die Schaltagenturen also nicht mit einem einzelnen Blogger, sondern mit mehreren Betreibern sprechen. Genau dieser organisatorische Aufwand hält bisher Pay-per-View Vermarkter zuverlässig von einer solchen Bündelung zahlreicher kleinerer Seiten ab. Technisch allerdings gestaltet sich die Schaffung einer Syndikationsplattform relativ trivial - de facto reicht dazu eine gut konfigurierte Installation des Freeware-Adservers Open-Ads völlig aus.
Daher überrascht es auch nicht weiter, dass immer mehr (semi)private Publikationen gerne an diesem größeren Werbekuchen mitnaschen möchten. Während in der Schweiz einzelne Blogger sehr früh begannen, sich mit zunehmendem Erfolg zu Vermarktungsnetzwerken zusammen zu schließen und in Deutschland einige bekannte Online-Tagebuch-Schreiber das bisher eher glücklose Adical-Programm starteten, scheint die österreichische Bloggerszene erst jetzt jene (wenn auch immer noch sehr bescheidene) Größe zu erreichen, die Blogautoren ernsthaft über Synergieeffekte nachdenken lässt.
Auf absehbare Zeit jedenfalls müssen traditionelle Massenmedien keine ernsthafte Konkurrenz durch Weblogs fürchten - die umfassende Berichterstattung über Web 2.0 und die neuestens Trends und Hypes aus dem Netz mag zwar manchmal einen anderen Eindruck vermitteln, aber in der Praxis sind im deutschsprachigen Raum die Online-Tagebücher nach wie vor ein Minderheitenprogramm. Doch so hat schließlich jedes neue Medienformat begonnen. Oder, wie Kollege Riepl es einst so treffend und zeitlos, weil mit maximalem Interpretationsspielraum, formulierte:
... die einfachsten Mittel, Formen und Methoden, wenn sie nur einmal eingebürgert und für brauchbar befunden worden sind, können auch von den vollkommensten und höchst entwickelten niemals wieder gänzlich und dauerhaft verdrängt und außer Gebrauch gesetzt werden, sondern sich neben diesen erhalten, nur dass sie genötigt werden, andere Aufgaben und Verwertungsgebiete aufzusuchen. (Wolfgang Riepl, "Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer")
Ritchie Pettauer ist selbstständiger Medienberater und Autor in Wien.
Buch-Tipp
Wolfgang Riepl, "Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer", Teubner
Links
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