Auf der Suche nach Lösungen

Verkehr durch die Alpen

Der kontinuierlich wachsende Güterverkehr mit seinen Folgen für Menschen und Umwelt zählt zu den größten politischen Herausforderungen für die Alpenländer. Nachhaltige Lösungen zu finden ist schwierig, da die Regionen kaum zusammenarbeiten.

Wirklich umfassende und nachhaltige Lösungen für das Problem Güterverkehr durch die Alpen zu finden ist unter anderem deshalb so schwierig, weil die vom Transitverkehr belasteten Regionen bisher kaum zusammengearbeitet haben, und weil diese Regionen in den Staaten und in der EU nicht das nötige politische Gewicht haben. Zwei kürzlich abgeschlossene, staatenübergreifende Interreg-Projekte haben Daten und Informationen zusammengetragen und Strategien erarbeitet.

Simulation von Wetterlagen

Im Projekt Alpnap (Alpine Noise and Air Pollution) haben Forscherinnen und Forscher aus allen Alpenregionen die neuesten Methoden zur Beobachtung und Vorhersage von Luftverschmutzung und Verkehrslärm zusammengetragen.

"Umweltbeeinträchtigungen können in den Alpen weitaus größere Schäden anrichten als im Flachland, weil die Bedingungen hier ganz andere sind", sagt der Meteorologe Dietrich Heimann. Er war Koordinator des Projektes Alpnap, das Ende Jänner in Innsbruck seine Ergebnisse präsentiert hat. "Was wir brauchen, sind Simulationsmethoden, mit denen wir die Prozesse, die bei der Ausbreitung von Luft und Lärm im Alpenraum eine Rolle spielen, ganzheitlich betrachten können. Die komplexen Windsysteme, die sehr unterschiedliche Temperaturverteilungen in den Tälern, all das sind Faktoren, die man mit neuen Methoden sehr viel genauer berechnen kann." Auf Basis dieser Berechnungen könne man Maßnahmen zur Lärm- und Schadstoffreduktion auf die tatsächlichen Gegebenheiten abstimmen und so "die optimale Lösung finden".

Amphitheater Alpental

In Alpentälern kommt es relativ häufig zu so genannten Inversionswetterlagen. Das bedeutet, dass sich am Talboden ein Kaltluftsee bildet und die Temperatur mit der Höhe zunimmt. Unter solchen Bedingungen verändert sich die Schallausbreitung gravierend, erklärt Dietrich Heimann, denn Schallstrahlen verhalten sich ganz ähnlich wie Lichtstrahlen, die gebrochen werden, wenn sie durch eine Linse fallen.

Die Atmosphäre wirkt bei Inversionswetterlagen wie eine Linse, der Schall kann sich nicht ungehindert nach oben ausbreiten, sondern wird gebrochen und ist sowohl an den Hängen, als auch am Talboden deutlich hörbar. "Der Einfluss des Wetters kann bei einer Entfernung von 500 bis 1000 Meter von der Autobahn den Schall um das Vierfache verstärken", sagt Heimann. Außerdem gibt es in Tälern die sogenannten Amphitheater-Effekt, der dafür sorgt, dass der Lärm einer Autobahn in höheren Lagen, an den Hängen des Tals deutlich zu hören ist, obwohl die Schallquelle vielleicht relativ weit weg liegt.

Umwege durch Österreich

Gemeinsam mit dem Projekt Alpnap hat ein weiteres Interreg-Projekt Ende Jänner seine Ergebnisse präsentiert. Im Rahmen von Monitraf (Monitoring Traffic), haben Verkehrsexperten aus sieben Alpenregionen zusammengearbeitet, um für die Entlastung der stark befahrenen Transitkorridore gemeinsame Strategien zu entwickeln.

Zwischen 1980 und 2005 hat sich das gesamte Transportvolumen des Alpentransits mehr als verdoppelt. 193 Millionen Tonnen Güter pro Jahr werden auf der Straße und auf der Schiene über die Alpen gefahren. "Die Zuwächse der letzten zehn Jahre im Straßengüterverkehr konzentrierten sich vor allem auf die österreichischen Alpenübergänge Tauern und Brenner", sagt der Tiroler Verkehrsexperte Ludwig Schmutzhard. Der Grund sind niedrige Maut- und Treibstoffpreise in Österreich, für die es sich zumindest aus betriebswirtschaftlicher Sicht der Frächter lohnt, auch Umwege in Kauf zu nehmen.

Den Verkehr alpenweit regeln

Am Brenner hat sich der LKW-Verkehr in den letzten 15 Jahren verdoppelt. Pro Stunde fahren hier in einer Richtung 500 bis 600 LKW. Die Prognosen gehen davon aus, dass diese Entwicklung ungefähr so weiter gehen wird wie bisher. Damit das nicht zum völligen Kollaps führt, müsse ein System eingeführt werden, das alpenweit den Güterverkehr regelt, finden die Experten von Monitraf und propagieren daher die Einführung der "Alpentransitbörse". Mit so einem System würde versucht, den Güterverkehr durch die Alpen marktwirtschaftlich zu verteilen, erklärt der Projektleiter von Monitraf, Ekkehard Allinger-Csollich: "Beim Alpentransit handelt es sich um ein begrenztes Gut", und diesem Umstand müsse man Rechnung tragen.

Nachhaltiger Schutz?

Nach welchen Kriterien eine Alpentransitbörse Fahrtberechtigungen vergeben könnte, das ist derzeit Gegenstand von Diskussionen und Untersuchungen. Genaue Daten über Luftschadstoffe, Lärmausbreitung, Straßenkapazitäten, Sicherheitsaspekte und Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur müssten hier eine Rolle spielen, meinen die Fachleute. Und hoffen, den sensiblen Alpenraum auf diese Weise nachhaltig schützen zu können.

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 5. Februar 2008, 19:05 Uhr