Im Gespräch: Angelina Dream und Eva van Rahden

Sexarbeit: sittenwidrig und steuerpflichtig

Je größer die Illegalität, desto größer die Macht der Menschenhändler. Das Gesundheitsamt schätzt, dass in Wien etwa 3.000 Frauen legal und illegal in der Prostitution tätig sind. Es könnten aber auch bis zu 6.000 sein.

Eva van Rahden: Brauchen wir Prostitution?

Unter Frauenrechtsaktivistinnen gibt es zwei Grundhaltungen zum Phänomen Prostitution. Einerseits wird vehement die Abschaffung der Prostitution als Ausbeutungsform des Patriarchats gefordert. So wird etwa in Schweden der "Konsum von Sexarbeit" mit Bestrafung geahndet. Andere treten dafür ein, die Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiterinnen durch klare rechtliche Rahmenbedingungen zu verbessern.

Im Mittelpunkt des Engagements des europäischen "Sex Workers Rights Movement" steht das Eintreten für die Anerkennung von Sexarbeit als normales Gewerbe mit gleichwertigen Rechten und Pflichten. Michael Kerbler hat mit der Sexarbeiterin Angelina Dream und mit Magistra Eva van Rahden, der Leiterin der Volkshilfe-Organisation "Sophie - Bildungsraum für Prostituierte" gesprochen.

Prostitution - ein Job wie jeder andere?

Was ist Prostitution? "Eine zeitlich begrenzte freiwillige sexuelle Dienstleistung, die unter Einbeziehung des eigenen Körpers die Befriedigung anderer zum Inhalt hat und die gegen Entgelt zwischen zwei erwachsenen Menschen vereinbart wird." Sie nicken beide. Sind Sie mit dieser Definition einverstanden?
Angelina Dream: Obwohl ich würde sagen, es ist eine erotische Dienstleistung.
Eva van Rahden: Ich denke, das ist eine gute Grundlage für ein Gespräch darüber.

Ein Wort in dieser Definition, das in der Vorbereitung zu unserem Gespräch sofort Widerspruch hervorgerufen hat, war das Wort "freiwillig". Welche Frau, hat man mir gesagt, geht schon gern freiwillig mit einem wildfremden Mann ins Bett, mit dem sie nur schläft, weil sie Geld verdienen muss. Stimmt das Wort "freiwillig" in der Definition?
Angelina Dream: Ja, obwohl ich der Meinung bin, es kommt auf die Ansicht des Wortes "freiwillig" an. Es gibt Frauen, die gehen wirklich freiwillig, weil sie Spaß daran haben. Frauen machen den Job freiwillig, weil sie sich dafür entschieden haben, egal aus welchem Grund auch immer. Meistens sind halt die Gründe finanzieller Natur.

Wenn Sie das selbe Einkommen hätten in einem anderen Beruf, würden Sie dann den Beruf wechseln?
Angelina Dream: Ich mache den Beruf schon seit 20 Jahren, und ich seh das so, dass ich gegenüber meinen Stammkunden eine gewisse Art von Verpflichtung habe. Es sind mittlerweile schon Freundschaften entstanden, man spricht über private Dinge, über Beziehungen, über Arbeit, über die Kinder, über die Probleme in der Beziehung. Ich könnte mir vorstellen, dass - wenn ich genauso viel verdienen würde in einer anderen Branche -, dass ich sage: Ja, ich würde möglicherweise auch mit dem Gedanken spielen, den Job zu wechseln.

Rechtlicher Graubereich

Frau van Rahden, wie sieht denn gegenwärtig die rechtliche Situation für Prostituierte aus? Ich spreche von Personen, die diese Tätigkeit selbstbestimmt und freiwillig machen, also wo kein Zuhälter dahinter steht, wo keine andere physische Gewalt oder Zwangssituation hinter der Ausübung dieser Arbeit steht. Und zweitens Frauen, die sich bei der Gesundheitsbehörde melden und auch die notwendigen Papiere haben.
Grundsätzlich ist für Frauen, die in Österreich sexuelle Dienstleistungen anbieten, das über Bundesgesetzgebungen geregelt, die sich auf Gesundheitsaspekte beziehen. Die verpflichtende wöchentliche Untersuchung ist vorgeschrieben, und dass die Frauen sich anmelden - bei unterschiedlichen Behörden. Dann gibt es eine Rechtssprechung vom Obersten Gerichtshof, die eine sehr große Auswirkung auf diese Frauen hat, nämlich dass Verträge, die sexuelle Dienstleistungen betreffen, sittenwidrig sind. Das heißt im Moment ist die Situation so, dass die Frauen mit Kunden keinen Vertrag abschließen können.

Das heißt ein Freier, der nicht zahlt, kann auch nicht geklagt werden nach dem gegenwärtigen Stand?
Das ist die gegenwärtige Rechtslage, ja.

Der Oberste Gerichtshof hat dieses Gewerbe als "sittenwidrig" erkannt, allerdings zahlen Prostituierte Steuern?
Grundsätzlich ist es so, dass es mit der Anmeldung notwendig ist, dass die Frauen sich auch beim Finanzamt melden und auch bei der Sozialversicherung.

Frau Dream, Sie zahlen Steuer?
Ja.

Wie viel?
Das ist immer je nach Verdienst.

Das ist eine Pflicht, der Sie der Republik gegenüber nachkommen?
Ja.

Welche Rechte haben dann Prostituierte, Frau van Rahden?
Ich denke, das Problem ist, dass nach unserer Einschätzung die Rechtslage im Moment sehr stark von einem Graubereich geprägt ist. Wir machen die Erfahrung in der täglichen Arbeit, in der Beratung, dass es in Wien (unsere Beratungsstelle "Sophie" ist in Wien angesiedelt) viele Frauen gibt, die sich sehr bemühen, sich nach der Rechtslage zu orientieren, und wir bemühen uns auch, diese Frauen zu beraten. Es ist aber schwierig, eine klare Rechtssicherheit da zu haben. Es ist in Wien im Moment so, dass wir viele Frauen haben, die mit Verwaltungsstrafen zu uns kommen, wobei wir uns dann auch teilweise sehr schwer tun, sie zu beraten, was jetzt möglich ist und was nicht.

Hör-Tipp
Im Gespräch, Donnerstag, 7. Februar 2008, 21:01 Uhr

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Link
Sophie - Bildungsraum für Prostituierte