Disney und die Filmmusik

Die musische Seite des Cartoons

Die Rolle der Musik im Film wird oft unterschiedlich bewertet. Auf sehr individuelle Weise hat der König des Hollywood-Cartoons Walt Disney diese Frage für sein Imperium der animierten Bilder beantwortet. Disneys kommerzieller Mut war beträchtlich.

Klassikhörer könnte das überraschen, aber es gibt nicht nur Symphonien von Beethoven, Brahms, Bruckner & Co, sondern auch von Walt Disney. Für letztere existiert allerdings beides: eine Partitur und ein so genanntes Storyboard, also ein sorgfältiger Plan für das Animationskonzept.

Silly Symphonies nannte Disney eine langjährige Serie von musikalischen Cartoons, die er gemeinsam mit dem Musiker Carl Stalling erarbeitete. Disney hatte stets die Hand am Puls der Zeit. Er produzierte den ersten Trickfilm mit Ton - "Steamboat Willie" - schon nach einem musikalischen Konzept von Stalling und bald danach den ersten Trickfilm mit Musik in Farbe, für den ebenfalls Stalling die Partitur anfertigte: "Flowers and Trees". Das war schon eine Silly Symphony.

Tanz der Skelette

Die erste dieser Bildersymphonien Disneys ist - drei Jahre davor - noch in Schwarz-Weiss entstanden und hieß "Tanz der Skelette". Für dieses schaurige, aber vorzüglich choreographierte Thema verwendete Stalling unter anderem Musik von Edward Grieg ("Der Zug der Zwerge").

Die Silly Symphonies wurden in den dreißiger Jahren bald ein filmisches Markenzeichen für die Interpretation von Musikstücken mit Hilfe von gezeichneten Bildern.

Disney-Fans Toscanini und Hitler

Anfangs wurden noch Melodien von Rossini, Schubert oder Grieg miteinander gemixt, aber später basierten Silly Symphonies auf einzelnen Musikstücken, etwa Suppés "Leichte Kavallerie" oder Rossinis "Wilhelm Tell"- Ouvertüre. Mit diesem Konzept gewann Disney auch ein klassikgeeichtes Publikum mit Sinn für musikalische Parodien und Bearbeitungen.

Der prominenteste Name darunter war vielleicht Arturo Toscanini, der sich den Film "The Bands concert", in dem "Mischa Mouse" dirigierte, fast ein Dutzend Mal vorspielen ließ. Zum begeisterten Publikum der populärsten Maus der Welt gehörte allerdings auch Toscaninis Lieblingsfeind Adolf Hitler (Toscanini verweigerte Auftritte in Nazideutschland und half in Palästina ein Orchester zu gründen), dem Goebbels Dutzende Micky-Maus-Trickfilme in die Reichskanzlei liefern ließ.

Noch im Jahr 1940, als Disney-Produkte im NS-Staat bereits verboten waren, arrangierte Goebbels ein Privatvorführung von "Schneewittchen" für Anny Ondra und sich und resümierte: "Eine großartige künstlerische Schöpfung. Ein Märchen für Erwachsene, bis ins Einzelne durchdacht und mit großer Menschen- und Naturliebe gemacht. Ein künstlerischer Hochgenuss."

Mehr zu Hitlers angeblichen Disney-Kopien in ORF.at

Auch Disney-Soundtracks liefern Jazz-Standards

Auch in diesem ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm spielte Musik eine große Rolle. Frank Churchill war der Komponist, der schon davor mit seiner Musik zum Kurzfilm "Three little pigs" einen Hit landen konnte. Bald nützten Jazzbands zweier Kontinente seine "Schneewittchen"-Melodien ("High Ho", "Whistle while you work", et cetera) als Rohmaterial für ihre Improvisationen.

In der Zwischenzeit wurden nicht nur acht Songs aus Disney-Filmen in der Interpretation Louis Armstrongs in Plattenrillen gebannt, hat sich das Dave-Brubeck-Quartett Melodien einer Reihe von Nummern aus Disney-Partituren angenommen, sondern auch so gegensätzliche Musiker wie Tom Waits und der Klaviervirtuose Earl Wild.

Aber in Disney-Filmen konnte man auch weiterhin eine Vielzahl von Bearbeitungen mit klassischer Musik hören, in seinen Kurzfilmen, oft als Parodien, in denen mit Hilfe von Tierstimmenimitatoren, bekannte Opernarien und Ensembles Mickey, Donald & Co in den Schnabel beziehungsweise ins Maul gelegt wurden.

Abendfüllender Musikfilm anfangs ein Flop

Disneys kommerzieller Mut war beträchtlich, wenn es um die künstlerische und die technische Realisierung von Musik ging, vor allem bei "Fantasia" (1940). Für diesen zweistündigen Musikfilm engagierte er das Philadelphia Orchester und Leopold Stokowski, letzteren nicht nur als Dirigenten, sondern auch als Arrangeur.

So entstand - als musikalische Basis für die gezeichneten Interpretationen von Werken wie Beethovens "Pastorale", Strawinskys "Sacre du printemps" (zu sehen war nicht die Balletthandlung, sondern die Geschichte von der Entstehung der Erde), Ponchiellis "Tanz der Stunden" (eine köstliche Ballettparodie) und Dukas "Zauberlehrling" (mit Mickey in der Titelrolle) die Aufzeichnung in einem dafür neu entwickelten achtkanaligen Lichttonverfahren.

Prokofjew zu Gast in den Disney-Studios

Trotz des anfangs geringen kommerziellen Erfolges, der sich erst nach Disneys Tod in vollem Umfang eingestellt hat, plante Disney nach dem Krieg eine Fortsetzung, für die er Sergej Prokofjew in die Disney-Studios einlud. Und der kam auch, um ihm die Themen zu seinem "Peter und der Wolf" am Klavier vorzuspielen. Zwar wurde das "Peter und der Wolf"-Projekt dann bald realisiert, auch einige weitere Einzelprojekte mit klassischer Musik, aber ein Ganzes wie bei "Fantasia" wurde nicht daraus.

Das gelang erst der nächsten Generation: Im Jahr 1999 produzierten die Disney-Studios die Musikaufnahmen für "Fantasia 2000" - ganz nach dem Vorbild von 1940, diesmal aber mit dem Chicago Symphony Orchestra unter James Levine und mit Musik von Schostakowitsch, Gershwin ("Rhapsody in Blue"), Saint-Saens ("Karneval der Tiere") und Edward Elgar ("Pomp and Circumstance").

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 25. Februar 2008, 10:05 Uhr

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Disney International