Musikalische Glücksfälle

460 Jahre Sächsische Staatskapelle Dresden

"Dieses Orchester ist ein Traum", schwärmte Wiens derzeitiger Musikchef Seiji Ozawa im Jahr 1991 von der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Das traditionsreiche Orchester feiert im September ein höchst beeindruckendes Jubiläum.

Im heurigen September feiert sie ein beeindruckendes Jubiläum: 460 Jahre Staatskapelle Dresden. 1548 von Kurfürst Moritz von Sachsen gegründet, gehört dieser Klangkörper zweifelsfrei zu den ältesten und traditionsreichsten der Welt.

Ähnlich wie in Wien die Philharmoniker die musikalische Basis der Staatsoper darstellen, steht und fällt der Betrieb der berühmten Semperoper (benannt nach dem architektonischen Meisterwerk von Gottfried Semper) mit der Musizierfreude der Staatskapelle, die immer wieder auch für Schallplatten - beziehungsweise CD-Einspielungen unter den bedeutendsten Dirigenten der jeweiligen Zeit herangezogen wurde, wofür unter dem DDR-Regime sogar der Eiserne Vorhang beiseite geschoben wurde.

Ernst von Schuch
In der langen Geschichte der Staatskapelle gab es zahlreiche Glücksfälle musikalischer Chefs, auf die Dresden mit Stolz blicken kann, und ebenso verhält es sich umgekehrt. Aber lassen wir einmal Großmeister von Heinrich Schütz bis Johann Adolf Hasse, von Carl Maria von Weber bis Richard Wagner beiseite und betrachten wir nur die Musikchefs der Kapelle im 20. Jahrhundert: Es beginnt mit dem gebürtigen Grazer Ernst von Schuch, dem längstdienenden GMD in Dresden (1884 - 1914), der als einer der ersten Operndirigenten modernen Stils gegolten hat und der insbesondere durch seine Uraufführungen von Richard-Strauss-Opern noch immer ein Begriff ist.

Fritz Reiner

Sein Nachfolger war Fritz Reiner (bekannt durch unzählige Schallplatten aus seinem Wirken in den USA), gefolgt von Fritz Busch, den wir heute vor allem mit der von ihm initiierten deutschen Verdi-Renaissance identifizieren. Die Nazis haben ihn buchstäblich von seinem Posten verjagt und leider hat sich auch das Ensemble trotz größter Erfolge damals gegen ihn gestellt.

Auf Busch folgte Karl Böhm bis 1943, ehe er einer Berufung nach Wien folgte. Böhm forcierte mit großem Enthusiasmus Richard Strauss und leitete 1938 mit "Daphne" auch die letzte der neun Strauss-Uraufführungen zwischen 1901 und 1938 in Dresden. Weitere Leiter der Staatskapelle waren Karl Elmendorff, Joseph Keilberth, Rudolf Kempe und Giuseppe Sinopoli, dessen Einspielungen mit der Staatskapelle durch seinen frühen Tod im Jahr 2001 ebenfalls schon als "historisch" gelten können.

Historische Aufnahmen neu aufgelegt
Eine Reihe von CD-Produzenten hat sich in den letzten Jahren (hauptsächlich nach Ablauf der Leistungsschutzrechte) um historische Aufnahmen mit der Staatskapelle bemüht, am verdienstvollsten das deutsche Label "Hänssler" mit einer eigenen "Edition Staatskapelle Dresden". Für die dabei erbrachte herausragende editorische Leistung wurde Hänssler im Vorjahr der Echo Award verliehen. Und in der Tat bestechen die Ausgaben dieser Edition durch genaueste Recherchen, Original-Beiträge, Aufnahme-Unterlagen sowie zeitgenössische Kritiken in Faksimile, wodurch sie sich wohltuend von jenen Billig-Produkten unterscheiden, die schlampig und ganz offensichtlich nur zum raschen Geldmachen produziert werden und den Markt in den letzten Jahren geradezu inflationär überschwemmt haben.

Ein besonders gelungenes Beispiel aus der Hänssler-Edition ist etwa eine Dresdner Gesamtaufnahme von Janaceks "Katja Kabanova" unter dem ansonsten kaum bekannten Dirigenten Ernst Richter aus dem Jahr 1949, bei der allein schon die Geschichte vom Verbleib der damals entstandenen Radiobänder fast einen kleinen Krimi darstellt und ebenso spannend zu lesen ist wie die übrigen Begleitumstände bei der Dokumentation dieser Dresdner Opernpremiere des Jahres 1949.

Wangers Wunderharfe
Zum Abschluss noch einige Zitate aus berufenem Munde und aus mehreren Jahrhunderten: Jean Jacques Rousseau etwa hat das Orchester als "das vollendetste und am besten zusammengesetzte Ensemble" bezeichnet, Beethoven bemerkte 1823: "Man hört allgemein, dass die Hofkapelle in Dresden die beste in Europa sey". Für Richard Wagner war sie die "Wunderharfe", für Richard Strauss schlicht "das beste Opernorchester der Welt" und Wiens derzeitiger Musikchef Seiji Ozawa schwärmte 1991: "Dieses Orchester ist ein Traum!"

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 26. Februar 2008, 15:06 Uhr

Link
Semperoper - Staatskapelle Dresden