Oder ist es Schicksal?

Die Macht des Zufalls

In unserer komplexen Welt ist es kaum mehr möglich, gültige Prognosen für die nächsten fünf Jahre unseres Lebens zu treffen. Deshalb schreiben wir es nur zu gerne dem Zufall zu, wenn unsere Pläne durch Unvorhergesehenes durchkreuzt werden.

Stefan Klein hat einen Bestseller über den Zufall geschrieben: Damit machte der Physiker eine Vortragstour und erlebte eine Überraschung: "Als ich Lesungen über das Thema hielt war ich sehr erstaunt darüber, wie emotional die Leute auf die Beschäftigung mit dem Zufall reagieren und wie negativ. Das war mir fremd, weil für mich bedeutet Zufall Chancen und ein intellektuell faszinierendes Phänomen."

Nichtgeplante Phänomene

Der Philosoph Johann Gottfried von Herder nannte den Zufall - neben der Zeit - einen der beiden großen Tyrannen der Menschheit. Stefan Klein hat das Thema aber schon immer fasziniert. Wenn man so wie er Physik studiert, entkommt man dem Zufall auch nicht, meint er. "Sich mit Zufall zu befassen hat mich eine heilsame Demut gelehrt, Zufälle sind Phänomene, die wir nicht planen und nicht voraussagen können, entweder weil wir die Regeln, nach denen sie ablaufen, nicht kennen oder weil es solche Regeln gar nicht gibt."

Wenn man im Lotto setzt, so soll man die beiden folgenden Gebote unbedingt beachten: Erstens: Setzen sie nur wenig Geld! Zweitens: Setzen sie Zufallszahlen! Unglaublich viele Menschen setzen sogenannte Glückszahlen - und viele haben die gleichen Glückszahlen oder Zahlen, die mit Geburtstagen zusammenhängen. (Rudolf Taschner)

Intuitives Denken

Der Psychologe Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin hat sich mit Wahrscheinlichkeiten auseinandergesetzt. In seinem neuen Buch "Bauchentscheidungen" geht Gigerenzer davon aus, dass man mit statistischem Denken zwar einige Probleme im Leben lösen kann, aber nicht alle: Der zweite Weg mit Unsicherheiten umzugehen ist intuitives Denken.

Seine Befunde am Max Planck Institut zeigen: Manager oder Experten sind bei Entscheidungen gut beraten, sich auf die erste Option zu verlassen, die ihnen einfällt. Mag man es nun Zufall nennen oder nicht, die krampfhaft zusammengesuchten Alternativen verwirren nur und bringen keinesfalls ein besseres Ergebnis.

Wenn der Zufall ins Spiel gerät, dann hat die persönliche Befindlichkeit nichts mehr verloren. Sich diese übergeordnete Sicht der Dinge anzueignen, ist eine der wichtigsten Lehren der Wahrscheinlichkeitsrechnung. (Rudolf Taschner)

Die Welt wird immer komplexer

Die mathematische Berechnung des Zufalls beginnt in der Renaissance. So hat sich der Mailänder Arzt Girolamo Cardano mit seiner Forschung auf das Glücksspiel konzentriert, da das Leben selbst ihm zu unübersichtlich erschien. Jetzt leben wir wieder in einer Gesellschaft, die der der Renaissance sehr ähnlich ist, meint Stefan Klein.

Die Komplexität der Welt nimmt rapide zu. Es wird immer schwieriger, Entwicklungen vorherzusagen, Prognosen für die nächsten fünf Jahre zu treffen. Das erleben wir als Wirken des Zufalls. Die Unmöglichkeit, alles bis ins Detail zu planen, birgt auch ihre Chancen. Einen Zufall in einen Glücksfall zu verwandeln, erfordert aber viel Aufmerksamkeit.

Denn Glück zu haben heißt nicht, von höheren Mächten begünstigt zu sein, sondern Gelegenheiten zu erkennen. (Stefan Klein)

Alles Zufall

Albert Einstein war davon überzeugt, dass alles, was ist, eine Ursache dafür haben muss, dass es so ist, wie es ist. Das war ein Punkt, in dem sich Einstein geirrt hat. Der Nobelpreisträger Niels Bohr brachte das Kausalitätsprinzip zu Fall und brachte den Zufall in die Naturwissenschaften, und trotzdem hatte er über der Tür seines Ferienhauses ein Hufeisen hängen, wie Stefan Klein in seinem Buch "Alles Zufall" schreibt:

Wenn Physiker auf Besuch anmerkten, dass gerade er es doch besser wissen müsste, pflegte Bohr lächelnd zu erwidern: "Es hilft auch, wenn man nicht daran glaubt."

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 5. August 2009, 21:01 Uhr

Buch-Tipp
Rudolf Taschner, "Zahl Zeit Zufall. Alles Erfindung", Ecowin Verlag

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Stefan Klein, "Alles Zufall. Die Kraft, die unser Leben bestimmt", Rowohlt Tb.

Michael Hampe, "Die Macht des Zufalls. Vom Umgang mit dem Risiko", wjs Verlag

Gerd Gigerenzer, "Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition", C. Bertelsmann Verlag