Ins All geschaut
Gibt es außerirdisches Leben?
Science-Fiction-Autoren können ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Munter wird da von einem Ende des Universums zum anderen geflogen. Ob man auf diesen Reisen außerirdischem Leben begegnen kann, darüber zerbrechen sich sogar schon Forscher den Kopf.
8. April 2017, 21:58
Gibt es Leben da draußen? Existieren in den Weiten des Kosmos noch andere Lebensformen als wir selbst, als die uns bekannten vom heimischen Planeten Erde? Hat das irdische Leben irgendwo in den unendlichen Weiten des Alls Gegenstücke?
Diese Fragen stellen sich drei Arten von Menschen:
Erstens: Science-Fiction-Autoren. Bei denen gehört das zum täglichen Brot.
Zweitens: alle irdischen Bioformen, die Science-Fiction-Romane lesen.
Drittens: In zunehmendem Maße Wissenschafter. Und das, obwohl sich seriöse Forscher ja von Berufs wegen auf jene Dinge beschränken, für die nachweisbare, empirische Belege existieren - die man also beobachten, messen, sehen kann.
Bis jetzt unsichtbar
Und darin besteht auch schon das erste und wichtigste Argument gegen das extraterrestrische Leben: Gesehen hat es noch niemand. Nicht eine einzige, winzige außerirdische Bakterie ist uns bislang untergekommen. Sieht man einmal von diversen UFO-Sichtungen ab.
Dazu meinen seriöse Forscher, dass Leute, die UFOs beobachten, es mit der wissenschaftlichen Seriosität nicht genau genug nehmen. SF-Autoren kontern manchmal noch mit der Idee, es sei sowieso das gesamte irdische Leben außerirdischen Ursprungs, wir Menschen eingeschlossen. Doch das ist eben Science Fiction. Somit bleibt: Wir haben die Extraterrestrischen noch nicht gesehen.
Eine von 100 Milliarden
Das Gegenargument ist nicht in einem Satz zu formulieren. Es beruht auf Überlegungen und Berechnungen. Und lautet ungefähr so: Unsere Milchstraße, die Galaxis, ist eine von 100.000.000.000 - in Worten: 100 Milliarden - Galaxien in dem, was Astrophysiker das beobachtbare Universum nennen. Ob der ganze Kosmos eventuell größer sein könnte als der beobachtbare, ist eine Streitfrage, die uns hier nicht interessieren muss. Kleiner ist er sicher nicht. Auf die mindestens 100 Milliarden kann man sich also verlassen.
Die Milchstraße ist dabei keine besondere oder irgendwie spezielle unter den Sterneninsel des Alls. Typ: Balken-Spiral-Galaxie von durchschnittlicher Größe - kosmologische Dutzendware. Unsere Sonne ist auch nichts Besonderes: Sie ist fast schon atemberaubend durchschnittlich, gerade so, als wäre sie von einem Mann ohne Eigenschaften erschaffen worden. Sie liegt nicht nur hinsichtlich ihrer Größe recht genau im Mittel der Sterne des Universums. Sie ist auch präzise auf halbem Wege zwischen den Zentrum der Galaxis und ihrem äußeren Rand platziert. Und sie ist hier und heute - mit einem Alter von fünf Milliarden Jahren - genau in der Mitte ihrer Lebenserwartung als Stern angekommen.
Die Sonne stellt eine von mindestens 100.000.000.000 Sonnen in der Milchstraße dar, wobei diese Zahl wieder einen unteren Schätzwert darstellt. Nach anderen Schätzungen könnten es auch 200 oder 300 Milliarden, ja sogar bis zu 500 Milliarden sein.
Augen im All
Nun leben wir auf einem Planeten, der Erde, und hier wird die Sache etwas komplizierter. Aber nur ein wenig. Vor zwei Jahrzehnten war unter Astronomen durchaus noch umstritten, ob es überhaupt andere Planeten im Kosmos gäbe, als die, die unsere Sonne umkreisen. Man konnte sie ja nicht sehen. Ein Planet hat weniger als ein Milliardstel der Leuchtkraft eines Sterns. Einen Planeten zu finden gleicht der Aufgabe, ein Glühwürmchen direkt vor einem großen Scheinwerfer zu erkennen, und das in einer Entfernung von, sagen wir, hier nach New York.
Das Instrumentarium der Astronomen hat in den letzten Jahren aber enorme Fortschritte gemacht, einerseits natürlich dank Digitaltechnik, durch die ja alles besser wird, andererseits durch die Platzierung der Geräte im Weltraum. Und so ist es heute in der Tat möglich, das Glühwürmchen in New York zu detektieren, zumindest wenn es sich um ein größeres Exemplar handelt. 1995 wurde der erste extrasolare Planet zweifelsfrei nachgewiesen. Doch die Geräte wurden und werden weiterhin besser, und so sinkt die Beobachtungsgrenze laufend: Immer kleiner werden die Planeten, die man finden und nachweisen kann.
Noch ist man nicht bei der Größe der Erde angelangt, doch sicher kann gesagt werden: Wohin immer die ominöse Beobachtungsgrenze sank, es fanden sich Planeten entsprechender Größe. Man muss vermuten, dass das so weiter geht: Es werden sich Planeten jeder Größenordnung finden. Es existieren übrigens noch ein paar weitere - theoretische - Gründe, warum Planeten schlicht und einfach normal sind. Es gibt sie praktisch bei jedem Stern da draußen.
Chaotische Planetenbildung
Damit kommen wir zum Leben. Offenbar kann nicht auf jedem Planeten Leben existieren. Auf großen Gasplaneten, die die eine Hälfte der hiesigen, solaren Begleiter bilden, ohnehin nicht. Aber auch nicht jeder kleine Felsplanet - solche sind Merkur, Venus, Erde und Mars - kommt dafür in Frage. Der Himmelskörper muss in einer Temperaturzone liegen, sodass dort flüssiges Wasser existieren kann, also einen geeigneten Abstand zu seiner Sonne einhalten. Er darf auch nicht zu klein sein, sonst verliert er seine Atmosphäre zu rasch und altert zu schnell. Mit dem Mars haben wir genau dafür ein Beispiel vor der Haustür. Zu groß darf der Planet auch nicht sein. Es gibt noch ein paar weitere Kriterien.
Man darf nicht glauben, dass gleich bei jedem Stern eine "zweite Erde" existiert. Die Bildung eines Planetensystems ist ein chaotischer Prozess, er kann hier so, dort wieder ganz anders verlaufen. Dementsprechend entstehen sehr unterschiedliche Planeten mit sehr unterschiedlichen Anordnungen im System.
Doch nun kommen die Zahlen ins Spiel: Nimmt man an, dass nur eines von 1.000 Planetensystemen eine solche "zweite Erde" aufweist - dann ergibt das bei 100.000.000.000 Sternen in der Milchstraße 100.000.000 erdähnliche Planeten. In Worten: 100 Millionen. Wie schon erwähnt, ist das die Untergrenze. Und betrifft nur die Milchstraße. Für das Universum als Ganzes ist diese Zahl noch mit 100.000.000.000 zu multiplizieren.
Offenbar ist das gigantisch.
Alle sind gleich
Erwähnenswert oder gar auffällig ist an der Erde ansonsten - nichts. Sie besteht aus genau jenen Materialien, die im Universum häufig vorkommen. In erster Linie aus Eisen. Wir bemerken das nicht, weil das Eisen bei der Entstehung des Planeten dank seines Gewichts größtenteils in den Erdkern abgesunken ist. Über diesem finden sich Schichten aus diversen leichteren Materialien, zuoberst Kohlenstoff, Silizium, Sauerstoff und deren Verbindungen, darunter natürlich Wasser. Darüber dann noch gasförmiger Stickstoff, beispielsweise. Genau diese Stoffe und Elemente kommen im Universum häufig vor. Sie finden sich in den Staub- und Gaswolken, aus denen sich Sterne und Planetensysteme bilden, genau in jenen Zusammensetzungen und Dosierungen, in denen wir sie auf der Erde wieder finden.
Die große Frage lautet nun: Kann, muss man annehmen, dass auf einem erdähnlichen Planeten von ähnlicher Größe, ähnlicher Temperatur Leben entsteht; dass Leben sich dort - unter ähnlichen Umständen - ebenso bildet, wie es sich her gebildet hat?
Die Antwort lautet: Ja.
Mit der Erde entstanden
Um sich das klar zu machen, sind ein paar komplexe chemische und biochemische Überlegungen nötig, hier nur ein Hinweis: Tatsächlich ist das Leben nicht auf der Erde entstanden. Wir wissen heute: Das Leben entstand mit der Erde. Soweit wir in die Vergangenheit des blauen Planeten forschen können, war Leben immer schon da. Die beiden Prozesse – die Bildung des Planeten aus der protoplanetaren Gas- und Staubscheibe rund um die junge Sonne einerseits, die Entstehung des Lebens andererseits - lassen sich gar nicht trennen.
Diese wissenschaftlich gesicherte Diagnose legt den Gedanken nahe: Wenn es hier so passierte, dann spricht wenig dagegen, dass es auf den 100 Millionen "zweiten Erden" in der Milchstraße ebenso geschah. Und noch einige Male öfter im Rest der 100.000.000.000 Galaxien.
Das ist das Argument, das streng wissenschaftlich und stark für die Existenz von Leben "da draußen" spricht. Auch wenn es noch niemand gesehen hat. Nicht nur Science-Fiction-Autoren, sondern auch die meisten Wissenschafter gehen heute davon aus: Leben ist im Weltall sehr weit verbreitet.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 3. März, bis Donnerstag, 6. März 2008, 9:05 Uhr
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