Wahlen nicht beeinflusst
Steuerreform in Österreich
Ehe man den Zeitpunkt der Steuerreform diskutiere, solle man lieber ihre Ziele klären, fordert Wirtschaftsforscherin Margit Schratzenstaller. Der Politologe Hubert Sickinger hat herausgefunden, dass Steuerreformen nicht wahlrelevant sind.
8. April 2017, 21:58
Der Streit um die Steuerreform könnte ein weiterer Stolperstein für die Koalition werden. Soll die Steuerreform - wie vereinbart - 2010 kommen oder - wie die SPÖ will - ein Jahr vorgezogen werden? In beiden Fällen muss sie zunächst über Schulden finanziert werden, wenn man von drei Milliarden Euro Volumen ausgeht, sagt die Wirtschaftsforscherin Margit Schratzenstaller in einem Studiogespräch.
Maßnahmen gegen die kalte Progression
Sie fordert, erst solle man sich über die Ziele der Steuerreform einigen, bevor man über den Zeitpunkt streitet. Die ganz niedrigen Einkommen könnten ohnehin nur durch eine Milderung der Sozialabgaben entlastet werden, weil sie bereits von der Lohnsteuer befreit sind. Die sogenannte kalte Progression, also das automatische Hineinwachsen in die nächst höhere Abgabengruppe, wodurch eine Lohnerhöhung zum Großteil ans Finanzamt weitergereicht werden muss, die könnte man durch eine Bindung an der Verbraucherpreisindex vermeiden, sagt Schratzenstaller.
Genau das aber wollen die Politiker beibehalten, meint der Politikwissenschafter Hubert Sickinger, denn die kalte Progression ist de facto eine automatische Steuererhöhung, die nicht extra beschlossen werden muss. Und bei der Steuerreform treten die Politiker dann gern als Wohltäter auf.
Steuerreformen werden nicht honoriert
Als Wahlkampfthema ist eine Steuerreform für die Parteien ein zweischneidiges Schwert. Denn, so hat Sickinger herausgefunden, eine Steuerreform, auch wenn sie spürbare Entlastungen und zusätzliche Sozialausgaben gebracht hat, wie 1994, wird bei Wahlen im Nachhinein kaum honoriert.
Eine Steuerreform dient im Wahlkampf vor allem dazu, politische und ideologische Positionen dem Wahlvolk klar zu machen, zum Beispiel Familienpolitik. Margit Schratzenstaller meint allerdings, dass man eine Steuerreform nicht mit Gesellschaftspolitik überfrachten solle, sie sollte sich höchstens auf Umverteilung beschränken.
Blick zurück
Die letzten Steuerreformen waren in den Jahren 2005, 2000, 1994 und 1989. Was haben sie gebracht?
Die Steuerreform 2005 brachte eine Entlastung um zweieinhalb Milliarden Euro, das entsprach etwa einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Einkommen bis 10.000 Euro wurden steuerfrei gestellt, aber gleichzeitig wurden die Sozialversicherungsbeiträge angehoben, deshalb hatten Menschen mit wenig Einkommen auch wenig von der Reform.
Aber auch Topverdiener müssen höhere Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Große Unternehmen haben von der Steuerreform besonders viel, denn die Körperschaftssteuer für Kapitalgesellschaften wurde gesenkt, von 34 auf 25 Prozent.
Im Rahmen der Steuerreform 2000 wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag angehoben, einige Steuersätze reduziert, der Spitzensteuersatz bleibt bei 50 Prozent
1994 wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, eine Negativsteuer für kleine Einkommen eingeführt, auch kleine Unternehmen profitierten. Finanziert wurde das durch die Anhebung der Körperschaftssteuer.
1989 wurde der Spitzensteuersatz von 62 auf 50 Prozent gesenkt.
Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 7. März 2008, 9:45 Uhr
Links
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