Schriftsteller im Hotel
Der Charme vergangener Tage
Hotels sind Orte der Begegnung, meistens der flüchtigen. Daher sind sie auch großartige Schauplätze künstlerischer Fiktion. Erfundene und wirkliche Hotels haben auf ganz unterschiedliche Weise Kulissen für die Bühne, für Bücher und Filme abgegeben.
8. April 2017, 21:58
Hotels sind Orte der Begegnung, Umschlagplätze menschlicher Schicksale und als solche großartige Schauplätze künstlerischer Fiktion: Die literarische Glanzzeit des Hotels ist allerdings eine versunkene Epoche: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es das Grand Hotel, das als kosmopolitischer Treffpunkt der mondänen Gesellschaft immer wieder als literarische Kulisse verwendet wurde.
Arthur Schnitzler versetzte den ersten Akt seines Dramas "Der Weg ins Freie" ins Südbahnhotel am Semmering. Ebenso wie Franz Werfels Erzählung "Die Hoteltreppe" spielt Schnitzlers "Fräulein Else" in einem Nobelhotel, in beiden Novellen finden die jungen Protagonistinnen im Konflikt mit gesellschaftlichen Konventionen den tragischen Freitod.
Noblesse im Grand Hotel
Das Grand Hotel ist bei Thomas Mann wiederholt Brennpunkt menschlicher Beziehungsgeflechte auf einer internationalen Gesellschaftsinsel - wie im "Tod in Venedig", in der Erzählung "Mario und der Zauberer" oder selbstverständlich im "Zauberberg", wo das Jugendstilhotel Schatzalp bis heute den Charme des vergangenen Rufs bewahrt.
Heute ist das Grand Hotel der Ort einer vergangenen großbürgerlichen Kultur, eine gesellschaftliche Institution, die von Zeitgenossen durchaus als solche einem kritischen Blick unterzogen wurde.
Vicki Baums Sensationserfolg
Der gebürtigen Wienerin Vicki Baum gelang 1929 mit dem Roman "Menschen im Hotel" ein Sensationserfolg. Zunächst erschien er als Fortsetzungsroman in der "Berliner Illustrierten", bald wurde er ins Englische übersetzt, feierte Triumphe am Broadway und wurde schließlich 1932 in Starbesetzung mit Greta Garbo in Hollywood verfilmt. Der Roman spielt im Grand Hotel in Berlin, Sinnbild urbaner Großstadterfahrung.
Was im großen Hotel erlebt wird, das sind keine runden, vollen, abgeschlossenen Schicksale. Es sind nur Bruchstücke, Fetzen, Teile; hinter den Türen wohnen Menschen, gleichgültige oder merkwürdige, Menschen im Aufstieg, Menschen im Niedergang; Glückseligkeiten und Katastrophen wohnen Wand an Wand.
Fixer Platz im Leben
Vertreter unterschiedlicher sozialer Schichten geraten zufällig in mehr oder weniger gelungene Beziehungen zueinander: der finanziell heruntergekommene Aristokrat Baron von Gaigern, der mit einem Fuß im Kriminal steht, die alternde russische Primaballerina Grusinskaja, der in geschäftliche Bedrängnis geratene Fabrikdirektor Preysing und sein Buchhalter, Otto Kringelein. Dieser hat sich nach der Diagnose einer tödlichen Krankheit entschlossen, in der Frist, die ihm noch bleibt, das Leben nachzuholen, das ihm der kleinbürgerliche Geiz seiner Frau bisher versagt hat.
Ernüchtert und desillusioniert ist hingegen der Blick des Arztes Dr. Ottenschlag. Nachdem ihm im Krieg eine Granate das Gesicht zerfetzt hat, ist er im Grand Hotel Dauergast geworden und versucht, Kringeleins verdrehte Ideen über das Leben zurechtzurücken. Ein dummes Kaff sei das Hotel, so wie das Leben selbst, denn im Hotel passiere dasselbe wie im Leben auch: essen, schlafen, herumlungern, Geschäfte machen, ein bisschen flirten, ein bisschen tanzen.
Vicki Baum gehörte der Schriftstellergeneration der Zwischenkriegszeit an, in deren Lebensstil das Hotel einen fixen Platz hatte. Die billigen Zimmer der obersten Stockwerke boten eine günstige Bleibe für eine künstlerische Boheme.
Mensch ohne Domizil
Joseph Roth verbrachte den größeren Teil seines Lebens im Hotelzimmer, nicht nur als reisender Korrespondent der "Frankfurter Zeitung"; und durchaus nicht immer in Absteigen, die seiner Geldbörse angemessen waren.
Roth hat seinem bevorzugten Aufenthaltsort nicht nur als Romancier in "Hotel Savoy" ein Denkmal gesetzt, er hat auch in einigen seiner meisterhaftesten Feuilletons sein eigenes "Hotelleben" betrachtet und als Mensch ohne Domizil mit widersprüchlichem Blick. In der Prosaskizze "Ankunft im Hotel" zeigt er sich vom Familienanschluss liebevoll gerührt.
Wie andere Männer zu Heim und Herd, zu Weib und Kind heimkehren, so komme ich zurück zu Licht und Halle, Zimmermädchen und Portier. (...) Der Blick, mit dem mich der Portier begrüßt, ist mehr als eine väterliche Umarmung. Und als wäre er wirklich mein Vater, bezahlt er aus eigener Westentasche den Chauffeur, um den ich mich nicht mehr kümmere.
In der Provinz
Ganz anders klingt das in der Feuilletonskizze "Nachmittag im fremden Hotel", in der Joseph Roth, der Heimatlose, 1931 seinen Aufenthalt in einem Provinzhotel für die Frankfurter Zeitung porträtierte:
Wenn aber das große Hotel sich einbildet, es repräsentiere in dieser Provinzstadt die große Welt, so bleibt es doch für mich, wenn ich aus der Welt herkomme, der Ort, in dem ich der konzentrierten Provinz begegne.
Vom Unglück festgehalten
Ein Hotel in einer Provinzstadt - nämlich in Lodz - hat Joseph Roth zu seinem Roman "Hotel Savoy" inspiriert. Der Erzähler Gabriel Dan ist aus der sibirischen Gefangenschaft auf dem Weg nach Hause und zeigt sich zunächst begeistert von der Eleganz seines Aufenthaltsorts und dem lange entbehrten Luxus.
Im Hotel Savoy konnte ich mit einem Hemd anlangen und es verlassen als Gebieter von zwanzig Koffern – und immer noch der Gabriel Dan sein.
Aber Gabriel Dan macht im weiteren Verlauf der Handlung eine unangenehme Entdeckung: Die Bewohner sind dem Hotel verfallen, keiner ist freiwillig dort, jeden hält ein Unglück fest. Und wie in Vicki Baums Roman, so ist auch das Hotel Savoy ein Gleichnis für die Undurchschaubarkeit und Unentrinnbarkeit des Lebens.
Wie die Welt war dieses Hotel Savoy, mächtigen Glanz strahlte es nach außen, Pracht sprühte aus sieben Stockwerken, aber Armut wohnte drin in Gottesnähe, was oben stand, lag unten, begraben in luftigen Gräbern, und die Gräber schichteten sich auf den behaglichen Zimmern der Satten, die unten saßen, in Ruhe und Wohligkeit, unbeschwert von den leicht gezimmerten Särgen
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Diagonal, Samstag, 17. Jänner 2009, 17:05 Uhr