Der Kölner Komödiant Kalle Pohl

Kalles Kiosk

Bei dem Kölner Komödianten Kalle Pohl führt der tägliche Wust an gedruckten Worten zu oftmals ganz obskuren, enorm komischen Theorien und dementsprechend schrägen Lösungsvorschlägen. Zumal sich darin seine ganz persönliche Sicht der Dinge wiederfindet.

So entstehen Meldungen

Kalle Pohl stammt aus dem Rheinland und gehörte bis 2005 dem Team des deutschen Fernseh-Comedy-Formats "7 Tage, 7 Köpfe" an. Als komödiantischer Solist bespielt er schon seit 1980 die deutschsprachigen Kleinkunstkunstbühnen.

Sozialisiert wurde Kalle im Großraum Köln-Aachen, wo er als Karl Heinz Pohl heranwuchs und sich gerne im Kiosk seines Onkels herumtrieb. Viele Erinnerungen an diesen geheimnisvollen Ort seiner Kindheit reaktivierte der Komödiant für sein neues Solo. "Kalles Kiosk" nennt er seine ironisch-melancholischen Reminiszenzen, die nicht nur Einblicke in seine rheinländische Familienchronik gestatten sondern auch für Themen wie Vergänglichkeit und digitales Tempo Raum lassen.

Onkel Scheng

"In diesem Programm geht es um eine besondere Theke, es geht um die Theke in dem Kiosk von meinem Onkel Scheng", erzählt Pohl. "Den Namen muss ich erklären: der Mann hat gerne Filme von dem großen französischen Schauspieler Jean Gabin angesehen. Wenn ein Reinländer Jean Gabin sagt, dann klingt das wie Scheng Gabeng. Die Rheinländer können das nicht aussprechen und halten es für französisch. Daher kommt der Spitzname Onkel Scheng."

"Kalles Kiosk" ist das zweite Programm, das der rheinländische Komödiant und Schauspieler in Österreich vorstellt. Noch immer versichert er sich zu Beginn der Vorstellung, ob man seinen Dialekt, seine Art, Humor entstehen zu lassen, in Wien, in Österreich, wohl verstehe.

Dass diese Frage so gut wie immer positiv beantwortet wird, das liegt vielleicht gar nicht so sehr an der eher diskreten rheinländischen Dialektfärbung des Komödianten, Kalle Pohl weiß vielmehr, sich auf der Bühne richtig zu inszenieren. Er tritt nicht laut und polternd vor den Vorhang, sondern pirscht sich - sein Akkordeon geschultert - diskret an das Publikum heran. Immer wiederkehrende Späße darüber, dass seine Körpergröße so gar nicht dem englischen Gardemaß entspricht, erzeugen Heiterkeit, aber auch Solidarität. Künstler, die auf der Bühne nur ihre besten Seiten zur Geltung gebracht wissen wollen, kennt man schließlich ausreichend. Und weil Kalle Pohl die Menschen schnell auf seiner Seite zu bekommen weiß, wagt er sich in seinem neuen Solo auch an heiter-melancholische Betrachtung heran.

...die Fahrausweise bitte!
Onkel Scheng war ein sehr beeindruckender Mann. Er hatte zum Beispiel eine Eigenart. Kalle Pohl hat erst Ende der 1970er Jahre den Entschluss gefasst, Komiker zu werden. Er hat die Kunden bedient, hat ihnen das Wechselgeld auf die Theke gelegt, hat die Hand auf das Wechselgeld draufgehalten und gefragt: Wechselgeld oder Gedicht? Sie können die paar Münzen zurück haben oder ich sage ihnen dafür ein Gedicht auf. Die einen nahmen das Geld, viele aber wollten ein Gedicht hören – zum Beispiel der Kondukteur:

Die Sonne glüht am Horizont / der Tag muss endlich weichen / schon spiegelt sich ein blasser Mond / in schilfumkränzten Teichen, / des Himmels Blau schwimmt in die Nacht / ich tret' in Eure Mitte: die Fahrausweise bitte.


Im Chatroom der Vergangenheit
Anfangs war Kalle Pohl in ganz artfremden Berufen zuhause. Beispielsweise versuchte er - allerdings erfolglos - die Ausbildung zum Koch zu absolvieren. Er arbeitete bei der Polizei, war als Briefträger unterwegs, studierte klassische Gitarre und verfasste mehrere Gitarrenkurse für Anfänger und Fortgeschrittene. Gemeinsam mit einigen Freunden gründete er 1975 das Kölner Atelier-Theater und beschritt schließlich seine eigenen humoristischen Pfade. Seither arbeitet er auf den Bühnen unermüdlich und durchaus erfolgreich an seinen Sympathiewerten beim Publikum.

Was die Requisiten betrifft, so ist Kalles Kiosk schnell aufgebaut. Eigentlich reichen die Bühnenbretter, ein Mirkofon und ein Scheinwerfer. Lange hat Kalle Pohl darüber nachgedacht, wie er Onkel Schengs Verkaufsbude auf die Bühne bringen könnte. Am Ende entschied er sich für die komplizierteste Umsetzung seines Vorhabens: Kalles Kiosk soll in den Köpfen der Zuschauerinnen und Zuschauer entstehen. Das einzige Requisit, das sich der Komödiant zugesteht, das ist sein Akkordeon, mit dem er abseits seiner Reminiszenzen an Onkel Scheng noch einen zusätzlichen Schauplatz für Gedankenreisen eröffnet.

Die Ich-AG aus dem Rheinland
"Die Ich-AG, das ist eigentlich mein Traumberuf, den habe ich irgendwann realisiert", erzählt Pohl. "Ich denke, Onkel Scheng in seinem Kiosk hat ja auch so etwas gemacht. Ich habe einige wenige Menschen wie Onkel Scheng kennengelernt, ein paar Schlosser, Bäcker, Metzger, die ihren Beruf wahnsinnig geliebt haben. Und diese Personen haben mich immer sehr beeindruckt. Sie haben wirklich gerne die Brötchen gebacken oder Wurst geschnitten oder an den Geräten rumgeschraubt. Wenn man lustlos zu seiner Arbeit stolpert nur um Geld zu verdienen, das ist ein schlimmes Schicksal. Menschen, die etwas mit Herz, mit Leibb und Seele machen – wie Onkel Scheng – das ist ganz wichtig und hat mich immer fasziniert."

"Kalles Kiosk" ist ein komödiantischer Kleinstladen, bestückt mit einer Vielzahl von Erinnerungen und Einsichten, mit einigen durchaus ernsten Liedern und so manchem Kalauer. Alles in allem ein Kleinkunstprogramm, bei dem man spürt, dass die schnelle Pointe nicht mehr unbeirrbar als überlebenswichtiges Stilelement in den Vordergrund drängt. Kalle Pohl versucht, sich Zeit zu geben. Zumindest auf der Bühne. Im Alltag spielt er nebenher Theater, bringt Krimihörbücher und die kölsche Variante von "Asterix und Kleopatra" auf den Markt. Unlängst hat er auch ein neues Buch veröffentlich: auf 157 Seiten geht es um Frauen, Geld und Sackgesichter, gefühlvoll ergreifend komische Geschichten über das Leben aus der Perspektive eines Rheinländers.

Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 16. März 2008, 22:05 Uhr

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