Schwierigkeiten, Hürden und Erfolge

Neue Menschen

Therapeutisches Klonen ist eines der hoffnungsträchtigsten und gleichzeitig umstrittensten Gebiete der Medizin. Viele neue Erkenntnisse stammen aus US-Labors, denn das Verbot, embryonale Stammzellenforschung staatlich zu finanzieren, zeigt kaum Wirkung.

Das therapeutische Klonen ist eines der Hoffnungsgebiete der Medizin, gleichzeitig aber wie kaum ein anderes umstritten. Die gesetzlichen Regelungen sind von Nation zu Nation unterschiedlich. In Österreich etwa ist die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen grundsätzlich verboten, deren Import jedoch erlaubt. In der Schweiz ist embryonale Stammzellenforschung neuerdings unter bestimmten Bedingungen gestattet. In Großbritannien herrscht die liberalste Rechtslage von allen europäischen Ländern.

Eine viel diskutierte Wissenschaft

Therapeutisches Klonen für deshalb zu so heftigen Kontroversen, weil es mit der Zerstörung eines menschlichen Embryos verbunden ist, auch wenn dieser erst etwa vier Tage alt und in diesem Stadium als Zellhaufen gerade so groß ist wie eine Haarwurzel. Die Forschung auf diesem Gebiet bereitet auch Unbehagen, weil das Wort Klonen Erinnerungen an Menschenkopien in schlechten Science-Fiction-Filmen wachruft. Letzteres wäre freilich kein therapeutisches, sondern ein reproduktives Klonen.

Renee Reijo Pera, die Leiterin der menschlichen Stammzellenforschung an der Universität Stanford, legt dar, welche Art von Fragestellung Wissenschaftler verfolgen: "Es gibt derzeit keine Versuche, einen Menschen reproduktiv zu klonen. Die Forschung läuft auf zwei Schienen: Zum einen versucht man bei erwachsenen Zellen, durch Umprogrammierung die Uhr zurückzudrehen, sodass aus ihnen wieder Stammzellen werden; zum anderen versuchen wir Stammzellen aus menschlichen Eizellen zu gewinnen. Letzteres wird auch therapeutisches Klonen genannt. Doch die meisten Leute stellen sich unter dem Begriff Klonen vor, dass man die Kopie eines kompletten Menschen produziert. Doch, wie gesagt, daran arbeitet niemand. Wir bemühen uns um die Entwicklung embryonaler Stammzellen, die mit einem bestimmten Menschen zusammenpassen."

Therapeutisches und reproduktives Klonen

Im allerersten Stadium besteht zwischen therapeutischem und reproduktivem Klonen kein Unterschied. Es beginnt mit einer Eizelle, deren Kern entfernt wird. Aus der Zelle des Tieres bzw. des Menschen, von dem eine embryonale Kopie hergestellt werden soll, entnimmt man meist eine Hautzelle. Deren Kern wird nun in das kernlose Ei transferiert. Mit der Labortechnik wird das Wachstum stimuliert, und die Zellteilung beginnt so, als wäre das Ei ganz natürlich befruchtet worden. Diese Methode nennt man somatischen Zellkerntransfer. Beim reproduktiven Klonen von Tieren wird der Embryo dann einem Leihmuttertier eingesetzt.

Beim therapeutischen Klonen hingegen entnimmt man dem vier Tage alten Embryo die Stammzellen. In diesem frühen Stadium üben diese noch keine fest zugeordnete Funktion aus. Sie können sich in jeden nur erdenklichen Zelltyp entwickeln. Forscher hoffen, damit unheilbare Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose oder Parkinson zu heilen. Da die Zellen aus einer embryonalen Kopie des Patienten entnommen werden, ist - zumindest in der Theorie - keine Abwehrreaktion des Immunsystems zu befürchten.

Keine staatlichen Förderungen

2005 gelang es britischen Forschern von der Universität Newcastle, vier menschliche Embryonen zu klonen. Drei überlebten drei, und einer fünf Tage lang. Stammzellen vermochten sie nicht zu entnehmen. Wissenschaftler in den Vereinigten Staaten hätten das Experiment der Kollegen in Newcastle gerne kopiert. Doch Präsident George Bush verbot 2001 Stammzellenforschung in staatlich subventionierten Labors. Ausgenommen sind Zelllinien, die vor 2001, also vor seinem Amtsantritt entstanden sind. Das Verbot bezog sich zwar nicht auf private wissenschaftliche Einrichtungen, doch die Konsequenzen waren dennoch in der ganzen Forschungsgemeinde spürbar.

Die Zeiten haben sich mittlerweile geändert. Einige US-Staaten haben beschlossen, diese Forschung selbst zu fördern. Der Vorreiter ist Kalifornien. 2004 stimmten die Bürger einer neuen Steuer zu, die über die nächsten zehn Jahre drei Milliarden Dollar in die Stammzellenforschung fließen lässt. Denn nicht nur die Forscher auch die Patientenlobbies waren frustriert und die Patientenvertretungen erklärten: wir wollen das diese Forschungen weitergeführt werden.

Vom klonen menschlicher Embryos

Forschern in einem kalifornischen Labor ist es kürzlich trotz allen Hürden geglückt menschliche Embryonen zu klonen. Doch um intensiv forschen zu können, müssen Stammzellforscher nach Alternativen suchen. Eine besteht etwa darin, mit Eizellen zu arbeiten, die sich trotz künstlicher Befruchtung nicht mit einer Samenzelle vereinigt haben, und die weggeworfen würden. Eine andere, viel versprechende Methode entwickelte jüngst der Stammzellenforscher Kevin Eggan in seinem Labor in der Universität Harvard. Er verwendete gefrorene Embryos.

Vom Affen zum Menschen

Forschritte beim therapeutischen Klonen menschlicher Embryonen erhoffen sich Wissenschaftler auch von Erfahrungen mit nicht-menschlichen Primaten. Im November 2007 gelang dem russischen Forscher Shoukhrat Mitalipov ein Durchbruch. Er klonte an der Oregon Health and Science University, im Staat Oregon, erstmals Primatenembryos und gewann aus ihnen Stammzellen. Es war ein aufwendiges Experiment: Die Forscher hatten 304 Eizellen zur Verfügung, doch es entstanden nur zwei Stammzelllinien

Der logische nächste Schritt ist für Shoukhrat Mitalipov die eigentliche Stammzellentherapie. Schon nächstes Jahr will er mit Hautzellen eines diabetes-kranken Affen Embryonen klonen, von diesen Stammzellen entnehmen, um das Tier damit zu behandeln.

Mäuseexperimente lassen sich selten auf den Menschen umlegen. Doch wenn etwas bei Affen funktioniert, dann besteht eine Chance, dass es auch beim Menschen klappt. Shoukhrat Mitalipovs Methode, Eizellen schonend zu behandeln, könnte sich als entscheidend erweisen.

Neue Möglichkeiten

Kurz nach dem Durchbruch mit den Rhesus-Affen verkündeten ein japanisches und ein amerikanisches Forscherteam unabhängig voneinander die erfolgreiche Umprogrammierung von Zellen, in fast-embryonale Stammzellen, beispielsweise Zellen vom Gesicht einer erwachsenen Frau. Das Kunststück gelang den Forschern, indem sie Gene mit Hilfe von Viren in die Zelle einschleusten.

Das Experiment, embyronale Stammzellen ohne Klonen und ohne Zerstörung eines Embryos zu gewinnen, eröffnet neue Möglichkeiten. Doch so vielversprechend sich diese Versuche auch ausnehmen, sie sind derzeit bloß ein erster Schritt. Die Schwäche der Methode liegt in den Hilfsmittleln. Eines der Gene, das beim Umbau der Zellen mitwirkte, verursacht Krebs und wurde bereits aus dem biotechnologischen Mix eliminiert.

Nicht nur die Gegner des therapeutischen Klonens, sondern auch Stammzellforscher selbst betrachten die mögliche Umprogrammierung von Zellen als wesentlichen Schritt vorwärts. Denn sollte sich die Stammzelltherapie tatsächlich als die Wunderkur für unheilbare Krankheiten herausstellen, dann, so Kevin Eggan, brauche man eine Methode, die das Klonen von Embryonen verzichtbar macht.

Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 20. März 2008, 19:05 Uhr