Statt Scheiterhaufen sogar Empfehlung
Verbrennt mich!
Oskar Maria Graf war ein literarisches Enfant Terrible, ein Anarchist in Lederhosen, ein Nazi-Gegner der ersten Stunde. Originaltondokumente des urbayrischen Querkopfs in Geschichten, Erinnerungen und Gesprächen sind nun als Hörbuch erschienen.
8. April 2017, 21:58
Oskar Maria Graf, 1894 am Starnberger See geboren und 1967 in New York gestorben, bezeichnete sich wörtlich als einen Rebellen aus grundmenschlicher Empörung gegen jeden Missbrauch der Schwächeren durch die Stärkeren. Diese Grundhaltung bezog sich nicht nur auf sein literarisches Schaffen, sondern auf sein Leben im Allgemeinen. Vor den Brutalitäten seines älteren Bruders, der sich die Rolle eines strengen Familienoberhaupts anmaßte, floh der Querkopf und personifizierte Widerspruchsgeist mit 17 aus der Enge der Provinz in die bayrische Metropole. Dort kam er mit der Schwabinger Bohème und mit anarchistischen Kreisen in Berührung, die später noch in der Münchner Räterepublik eine Rolle spielten sollten.
Militär und Irrenanstalt
1914 wurde er zum Militär eingezogen. 1916 sollte er wegen Befehlsverweigerung abgeurteilt werden, wurde aber nach zehntägigem Hungerstreik in die Irrenanstalt eingewiesen und schließlich aus dem Militärdienst entlassen. Wegen seiner Teilnahme an revolutionären Bewegungen in der Münchner Räterepublik wurde er 1919 erneut verhaftet. 1927 erschien sein autobiografisches Buch "Wir sind Gefangene", in dem er seine Kindheit und diese turbulente Zeit mit einer großen Portion Selbstironie aufarbeitete.
Dieses Buch, in dem er sich als einen bayrischen Simplicissimus schildert, machte ihn schlagartig bekannt. Thomas Mann erzählte später, seine kranke Frau habe sich bei der Lektüre "fast gesund gelacht".
1933 fuhr der Antifaschist Graf zu einer Lesereise nach Wien, das zur ersten Station seines Exils wurde. Vor 75 Jahren, am 12. Mai, veröffentlichte er in der Arbeiter-Zeitung seinen berühmt gewordenen Aufruf "Verbrennt mich!", in dem er sich darüber empörte, dass die Nazis seine Werke nicht auf den Scheiterhaufen warfen, sondern diese sogar noch als empfehlenswert einstuften. Es dauerte ein Jahr, ehe für Grafs Werke eine spezielle Bücherverbrennung angesetzt wurde. Der Autor wurde ausgebürgert.
Wider aller Konventionen
Es folgten 33 weitere Jahre des Exils, zunächst in Brünn und Prag. 1934 sorgte der stets kurze Lederhosen tragende und sich an keinerlei Konventionen haltende Bayer für Aufsehen beim sowjetischen Allunionskongress der Schriftsteller. In Moskau war er die Sensation, weil er keinerlei Respekt vor den Mächtigen der Nomenklatura an den Tag legte und sich aus dem politischen und künstlerischen Almauftrieb eine wahre Gaudi machte. In den Straßen liefen ihm johlende Horden von Gassenbuben nach, weil sie noch nie einen so exotisch gekleideten Menschen gesehen hatten.
1938 schließlich setzte Graf sich nach New York ab. Bei einem der zahlreichen bayrischen Trachtenvereine des Big Apple wurde er mit der Aufforderung eingeladen, sich nur ja ganz so zu kleiden wie das in seiner Heimat üblich sei. Die in erlesene Trachten gehüllten Ballgäste staunten nicht schlecht, als Oskar völlig verdreckt, arg stinkend und mit Stroh an den abgelatschten Haferlschuhen aufkreuzte. Die übelriechende Joppe hatte er sich von einem befreundeten Landsmann geliehen, einem Bauern, der gerade Jauche führte.
Diese Begebenheit schildert Oskar Maria Graf in einer kürzlich erschienenen Originalton-Sammlung ebenso wie seine kuriosen Begegnungen mit Schriftstellerkollegen wie Ludwig Ganghofer, Thomas Mann oder Bert Brecht. Und natürlich liest er auch seinen berühmten Aufruf an die Nazis: "Verbrennt mich!“
Hör-Tipp
Alle Sendungen zum "Jahr der Zeitgeschichte 2008" der kommenden und vergangenen 35 Tage finden Sie in oe1.ORF.at.
CD-Tipp
Oskar Maria Graf liest "Verbrennt mich! - Geschichten, Erinnerungen und Gespräche", Der Hörbuchverlag